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Interview mit Professor Dr. Reiner Eichenberger

Reiner Eichenberger ist ein Wirtschaftswissenschaftler. Er ist ordentlicher Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des CREMA (Center for Research in Economics, Management, and the Arts). Bereits seit einiger Zeit publiziert er zu verschiedenen „Denkfallen" im Zusammenhang mit der Zuwanderung.

Reiner Eichenberger ist ein Wirtschaftswissenschaftler. Er ist ordentlicher Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des CREMA (Center for Research in Economics, Management, and the Arts). Bereits seit einiger Zeit publiziert er zu verschiedenen „Denkfallen" im Zusammenhang mit der Zuwanderung.

 
Was sind die grössten Denkfallen betreffend Zuwanderung?

Reiner Eichenberger: Erfrischend ist folgende: „Die Zuwanderung lindert die Personalknappheit". Natürlich stimmt das ganz kurzfristig. Aber: Die Möglichkeit, leichter und günstiger Mitarbeiter einstellen zu können, zieht Investitionen neuer und alter Firmen an. Diese stellen auch Leute an, die sonst bei anderen Firmen arbeiten würden. Dadurch erhöht sich die Personalknappheit wieder auf das alte Niveau. Wenn die Personenfreizügigkeit die Personalknappheit wirklich lindern würde, hätte diese nach sieben Jahren höchster Zuwanderung abgenommen. Das trifft aber nicht zu. Eine zweite Falle: „Es kommen nur Zuwanderer, solange die Wirtschaft wächst". Durch das Wirtschaftswachstum werden vielleicht 50‘000 Stellen geschaffen. Durch die natürliche Rotation durch Pensionierungen, Stellenwechsel, etc. werden aber weit über 400‘000 Stellen jährlich frei. Deshalb gibt es auch bei sehr schlechter Konjunktur sehr viele offene Stellen, die von Zuwanderern besetzt werden können.

Dann braucht die Wirtschaft keine Zuwanderung?

Natürlich braucht die Schweiz einen gewissen Austausch von Arbeitskräften mit dem Ausland, aber doch keine Zuwanderung im heutigen Ausmass. Das Schweizer Prokopfeinkommen wächst nicht schneller als das von Deutschland oder Österreich mit viel tieferer Zuwanderung. Zuwanderung im heutigen Mass schadet unserem realen Wohlstand: Erstens stossen wir an viele natürliche und politisch verordnete Grenzen – Land, Infrastruktur, Umwelt, Energiegesamtverbrauch, historische Parkplatzkompromisse wie in Zürich. Zweitens sind die mit der Zuwanderung verbundenen flankierenden Massnahmen Gift für zwei unserer bisherigen Erfolgsfaktoren – flexibler Arbeitsmarkt und weniger ausufernde Bürokratie.

Warum kämpfen denn so viele Politiker für die unkontrollierte Zuwanderung?

Zuwanderung spült kurzfristig Geld in die Kasse. Ein Prozent mehr Menschen heisst ein Prozent mehr Steuereinnahmen, und die schnell anfallenden Kosten – Ausbau der Infrastruktur, flankierende Massnahmen, etc. – gehören zu den Lieblingsaufgaben vieler Politiker. Die richtig dicken Kosten – Bodenknappheit, Umweltprobleme – kommen später. Sie treffen aber die Bevölkerung, nicht die heutigen Politiker. 

Was würden Sie dem Schweizer Volk und der Politik empfehlen?

Bei der Gründung der modernen Schweiz 1848 brachte die Einführung der Niederlassungsfreiheit innerhalb der Schweiz den Schweizer insgesamt grosse Vorteile – aber nicht den Bewohnern der Regionen mit der grössten Zuwanderung. Genau so bringt heute die Personenfreizügigkeit den Europäern insgesamt grosse Vorteile. Unser Königsweg besteht deshalb darin, den Arbeitsmarkt nicht nur für EU-Bürger, sondern international zu öffnen, und dann die grossen Wanderungsgewinne durch geeignete Massnahmen zugunsten der bisherigen Bewohner der Schweiz umzuverteilen.

 
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