Editorial

Der Zweck heiligt die Mittel

Das Parlament ist drauf und dran, mit dem Gegenvorschlag zur SVP-Ausschaffungsinitiative alle Grundprinzipien der Gesetzgebung zu missachten. Im Vordergrund steht nun nicht mehr die Ausschaffung…

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)

Das Parlament ist drauf und dran, mit dem Gegenvorschlag zur SVP-Ausschaffungsinitiative alle Grundprinzipien der Gesetzgebung zu missachten. Im Vordergrund steht nun nicht mehr die Ausschaffung schwer krimineller Ausländer, sondern die „Integration“. Damit wird nicht nur das Prinzip der Einheit der Materie verletzt, sondern auch der Föderalismus ausgehebelt. Dass der Nationalrat zudem die explizite Berücksichtigung der Verfassung und des Völkerrechts in einen von ihm kreierten Verfassungsartikel aufnimmt, gehört in die Kategorie „Kuriositäten“.

Wenn es darum geht, die SVP auszubremsen, ist der politischen Konkurrenz jedes Mittel recht. Dies zeigt sich einmal mehr eindrücklich bei der Behandlung der SVP-Ausschaffungsinitiative im Parlament. Da die Initiative gute Chancen hat, vom Volk angenommen zu werden, musste rasch ein Gegenvorschlag her. Dieser verkommt nun aber mehr und mehr zum gesetzgeberischen Moloch. Das Parlament ist bereit, zahlreiche Sündenfälle zu begehen, um den Gegenvorschlag durchzuboxen. Da wird beispielsweise die Einheit der Materie mit einem neu geschaffenen Integrationsartikel ad absurdum geführt. Dies nota bene nach einer ellenlangen Diskussion über die Gültigkeit der Initiative. Dass damit gleichzeitig die föderalistische Kompetenzordnung auf den Kopf gestellt wird, welche die Integration bisher als kantonale und kommunale Aufgabe sah, schien kaum jemanden zu kümmern. Gemerkt haben es nun die Kantonsregierungen, welche das Malheur offenbar in letzter Minute zu verhindern versuchen.

Völkerrecht als Feigenblatt
Geradezu plump muten die Kunstgriffe an, mit denen dem Gegenvorschlag die Zähne gezogen werden sollen. Im vom Parlament neu kreierten Verfassungsartikel soll allen Ernstes die Berücksichtigung der Grundprinzipien der Bundesverfassung und des Völkerrechts aufgenommen werden. Was auf den ersten Blick unsinnig klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Hintertür, um Ausschaffungen von schwer kriminellen Ausländern zu verhindern. So selbstverständlich die Berücksichtigung des zwingenden Völkerrechts ist, so schwammig wird das Ganze, wenn irgendwelche „Grundrechte“ und der unspezifische Begriff des „Völkerrechts“ angerufen werden. Damit wird der Ermessensspielraum für den Vollzug grenzenlos. Hier manifestieren sich letztlich die wahren Absichten der Parlamentsmehrheit. Ehrlicher wäre es gewesen, dazu zu stehen, dass man kriminelle Ausländer nicht ausschaffen will. Der Souverän wird sich von so durchsichtigen Tricks nicht hinters Licht führen lassen.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)
 
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