Editorial

Es geht nicht um die Banken, sondern um die Bürger

Die laufende innenpolitische Diskussion rund um das Bankkundengeheimnis greift zu kurz. Wer meint, es gehe hier nur um…

Die laufende innenpolitische Diskussion rund um das Bankkundengeheimnis greift zu kurz. Wer meint, es gehe hier nur um das Geschäft von wenigen Banken mit ausländischen Geldern liegt falsch. Bei der aktuellen Debatte geht es um nicht mehr und nicht weniger als um das Selbstverständnis der Schweiz, das auf dem Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger und auf grundlegenden Prinzipien wie „Treu und Glauben“ aufbaut.

Viele, auch bürgerliche Politiker sind weich geworden. Sie sind bereit, unter dem Druck des Auslandes das Bankkundengeheimnis preiszugeben, auf die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zu verzichten und den sogenannten automatischen Informationsaustausch, also die faktische Offenlegung der relevanten Bankdaten, zu gewähren. Es sei an der Zeit, dass die Schweiz „reinen Tisch“ mache und sich den Gepflogenheiten der EU anpasse. Im Gegenzug könne man dann Vorteile aushandeln, wie den verbesserten Zugang von Banken und Versicherungen zum europäischen Markt.

Diskussion rüttelt an den Grundfesten der Schweiz
Folgen wir diesen Schalmeienklängen, werfen wir wichtige Grundlagen unseres Selbstverständnisses als souveräner Staat über Bord. Wir würden auch mit unserer freiheitlichen Tradition brechen. Der Schutz der Privatsphäre ist in der Schweiz ein hohes Gut. So ist das Stimm- und Wahlgeheimnis eine zentrale Grundlage unserer direkten Demokratie. Wir schützen persönliche, ärztliche, betriebliche und polizeiliche Daten. Der staatlichen Überwachung werden enge Grenzen gesetzt, sei dies beim Abhören von Telefonen oder bei der Erstellung von Fichen. Diesen Errungenschaften haben wir bisher von rechts bis links stets Sorge getragen. Sie sind Spiegelbild eines Grundmisstrauens gegenüber jeglicher Machtausübung – durch Private oder den Staat. Sie sind aber auch Basis eines Grundvertrauens, das die Schweizerinnen und Schweizer in ihr politisches und wirtschaftliches System haben. Nur so ist es möglich, dass zum Beispiel Steuern nach dem Prinzip von „Treu und Glauben“ in Form einer Selbstdeklaration erhoben werden. Die Schweizerinnen und Schweizer sind bereit, dem Staat die notwendigen Mittel zu geben, solange dieser massvoll haushaltet und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht missbraucht. Im Gegenzug kriminalisiert der Staat nicht sofort jeden Fehler, den ein so offenes System mit sich bringen kann. Die Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist deshalb Ausdruck von „Treu und Glauben“. Wird das Prinzip bewusst missbraucht, ist dies Betrug und die Behörden schreiten zurecht ein. Die Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist wichtig und muss erhalten bleiben.

Das Bankkundengeheimnis schützt vor Willkür
Auch das Bankkundengeheimnis wurde in den Zwischenkriegsjahren als Schutz vor staatlicher Willkür gesetzlich verankert. Zuerst schützte es vor dem gierigen Zugriff hoch verschuldeter und heruntergewirtschafteter Staaten, später vor den Klauen eines Unrechtsregimes. Das Bankkundengeheimnis hat aber auch präventiven Charakter. Es zwingt den Staat zu einer gewissen Disziplin und Zurückhaltung, bezogen auf die Haushaltführung ebenso wie auf den Umgang mit den eigenen Bürgerinnen und Bürgern. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat gestern in einem Interview folgende Sätze gesagt: „Das Bankgeheimnis hatte in Zeiten, in denen Menschen Angst hatten um die Sicherheit ihrer Vermögen, eine andere Funktion und einen anderen Stellenwert als heute. Wir haben das Bankgeheimnis in Deutschland abgeschafft. Und ich sage Ihnen voraus: Wir werden das Bankgeheimnis in Europa, in der Europäischen Union, abschaffen. Das hat Auswirkungen auf die Schweiz, weil sie von der Entwicklung in der Europäischen Union beeinflusst wird.“ Das tönt wie eine Drohung. Und man möchte Herrn Schäuble zurufen: „Herr Finanzminister, die Menschen haben Angst um die Sicherheit ihrer Vermögen!“ Die Staaten sind heute gefrässiger als je zuvor in den letzten 60 Jahren, die Staatverschuldung liegt in vielen Ländern auf Rekordhöhe. Der Anteil an Steuern, Abgaben und Zwangsgebühren war nie höher. Die staatliche Umverteilungsmaschinerie war nie grösser, sei dies nun in Deutschland, Frankreich, den USA oder der Schweiz.

Das Bankkundengeheimnis war nie zeitgemässer und berechtigter als heute. Kämpfen wir mit aller Kraft darum!

 
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