Editorial

Für Freiheit und Volksrechte

Linke setzen den Staat zunehmend ein, um die Gesellschaft zu verändern. Nach unserem Verständnis von Bürger und Staat muss aber der Staat befolgen, was die Bürger ihm vorgeben, nicht umgekehrt. 

Thomas de Courten
Thomas de Courten
Nationalrat Rünenberg (BL)

Linke setzen den Staat zunehmend ein, um die Gesellschaft zu verändern. Dadurch missbrauchen sie die staatlichen Mittel und unterhöhlen das traditionelle schweizerische Verständnis von Bürger und Staat. Nach diesem muss der Staat befolgen, was die Bürger ihm vorgeben, und nicht umgekehrt. 

„Wer Freiheit für ein wenig Sicherheit aufgeben möchte, verdient weder das eine noch das andere und hat schliesslich keins von beiden.“ Diese klugen Worte von Benjamin Franklin sind mir durch den Kopf gegangen, als ich kürzlich Prof. Georg Kreis über die Volksrechte schimpfen hörte. Kreis, FDP-Mitglied, pensionierter Geschichtsprofessor, Ex-Europainstitutsleiter und engagierter Wortführer in der Bergier- und der Antirassismus-Kommission, kritisierte nicht zum ersten Mal den „hemmungslosen und unverfrorenen Gebrauch“ [1] der Volksrechte in der Schweizer Politik. Schon früher hatte er öffentlich beklagt, dass – berücksichtige man die Stimmbeteiligung – eine Minderheit der Stimmberechtigten “mit einer zum Teil rabiaten bis gedankenlosen und im doppelten Sinn verantwortungslosen Haltung die reflektierenden Instanzen Bundesrat und Parlament ausschalten“ [2] könne. Soviel zum Respekt von Herrn Kreis vor Volksentscheiden.

Kreis ist aber keineswegs der einzige, der zurzeit die Schweizer Volksrechte einschränken möchte. Es sind vornehmlich jene, die einen kräftigen Ausbau des zentralistischen und dirigistischen Staates fordern: die Linken. Sie sind dabei bereits so weit fortgeschritten, dass die so genannten ausführenden Behörden von Volk und Ständen angenommene Volksinitiativen nur schleppend oder gar nicht umsetzen. So etwa die Ausschaffungsinitiative oder die Masseneinwanderungsinitiative der SVP. Die zustande gekommene Durchsetzungsinitiative der SVP wurde gar von der Staatspolitischen Kommission des Ständerats – weil nicht gefällig – teilweise für ungültig erklärt. Und die Leiterin der Bundeskanzlei, Corina Casanova (CVP), setzte eine Gruppe mit dem klingenden Titel „Democrazia Vivainta“ (Lebendige Demokratie) ein mit dem Auftrag, Vorschläge zur Einschränkung der Volksrechte zu erarbeiten. Was für ein absurder Widerspruch!

Die Hierarchie im Schweizer Staat

Ich bin über diese wiederholten offenen oder verdeckten Versuche, die Selbstbestimmung der Bürger einzuschränken, bestürzt. Eine solche Geisteshaltung richtet sich gegen den Kern unseres liberalen Staats- und Bürgerverständnisses. Beabsichtigt wird nichts anderes, als die Ordnung zwischen Bürger und Staat auf den Kopf zu stellen. Mit Schaudern erinnern wir uns an eine ungläubig blickende Bundesrätin Sommaruga in der Arena-Sendung zur Masseneinwanderungsinitiative vor einem Jahr, als Adrian Amstutz die Hierarchie im Schweizer Staatswesen kurz und knapp erklärte: „Nicht: oben ist der Bundesrat, und dann kommt lange nichts, sondern gerade umgekehrt: Oben ist das Volk, dann kommt das Parlament und dann die ausführende Behörde!“

„Verbesserung“ des Menschen und Progressivismus

Derweil müssen wir dagegen ankämpfen, dass die gegenwärtige Mitte-Links-Mehrheit den Staat nicht noch stärker nach ihren sozialistischen Wunschvorstellungen umbaut. Anstatt dass die Bürger den Staat führen, soll umgekehrt der Staat die Bürger führen! Konkrete Beispiele wären die „Modernisierung des Familienrechts“, staatliche Frauenquoten, Energie-Lenkungsabgaben oder Kampagnen zur „Sensibilisierung“ für den sparsamen Energieeinsatz, Abschreckung vor dem Tabakkonsum, die Erklärung von „Homophobie“ zum Straftatbestand und allerlei mehr. Die bevorzugten Politikfelder bei der Instrumentalisierung des Staates sind die Familien-, die Bildungs-, die Umwelt- und die Energiepolitik, die Gesundheitspolitik und selbstverständlich die Sozialpolitik.

Die Aufgabe des Staates ist grundsätzlich, für Sicherheit zu sorgen und die Freiheit des Einzelnen zu schützen. Neu lautet die Aufgabe aber offenbar: „Verbesserung“ des Menschen nach bestimmten weltanschaulichen Vorstellungen. Dahinter steht die Idee des Progressivismus: die Vorstellung, dass der Staat die Entwicklung der Gesellschaft in eine bestimmte Richtung lenken soll. Der Progressivismus widerspricht aber zutiefst der liberalen Konzeption von persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung.

Der traditionell liberale Charakter des Schweizer Staatswesens wird damit unterhöhlt. Eine Folge sind nicht nur der wuchernde und immer teurer werdende Staatsapparat, sondern auch der schwindende Glaube der Bürger, dass der Staat das allgemeine Interesse aller – im Wesentlichen die Herstellung von Sicherheit – vertritt, und ein allgemeiner Vertrauensverlust in staatliche Institutionen und Politik. Solche Veränderungen widersprechen den Erwartungen der Bürger und auch den Vorstellungen unserer Partei vom Staatszweck. Mit der Ausrichtung des Staates auf die Veränderung der Gesellschaft werden zentrale Pfeiler der Eidgenossenschaft zersetzt.

Ein Ausflug in die Geschichte

Die Schweiz ist bei der Instrumentalisierung des Staates für „progressive“ Ideen kein Sonderfall. So wurde etwa der amerikanische Staat in den 1930er-Jahren unter Präsident Franklin D. Roosevelt (New Deal) und in den 1960er-Jahren unter Lyndon B. Johnson (Great Society) massiv ausgebaut. Der aufgeblähte Staat nimmt dem Einzelnen zwar existenzielle Sorgen ab, versetzt ihn in aber auch in eine äussere und innere Abhängigkeit. Diese lähmt mit der Zeit seine Fähigkeit, sich ehrgeizige Ziele zu setzen und diese aus eigener Kraft zu erreichen. Statt auf Eigenverantwortung zu setzen, sorgt sich der Staat ums Wohlbefinden der Bürger und definiert dieses gleich selbst. In den 1980er-Jahren – unter Ronald Reagan – erfolgte die Korrektur. Reagan stellte eine Reihe von Sozialprogrammen ein und senkte die Steuern. So entfachte er im amerikanischen Volk neue Energien, die diesem mehr Freiheit und mehr Wohlstand brachten.

Wo ist das Problem?

Es mag auf den ersten Blick normal und menschlich erscheinen, wenn Politiker versuchen, den Staat für die Verwirklichung ihrer Ideen zu verwenden. Entspricht dies nicht dem Grundsatz der Demokratie? Entscheidet nicht ein jeder gemäss seinen persönlichen Vorstellungen und Interessen? Wo genau liegt das Problem mit einem die Gesellschaft verändernden, „progressiven“ Staat?

Zwei Gesichtspunkte sind zentral. Erstens: Der Staat verwaltet das Gewaltmonopol. Das heisst, der Staat ist in seiner Stellung unangefochten und hat das Recht, zur Erfüllung seiner Aufgaben äusserste Gewaltmittel einzusetzen. Dazu zählen die Armee, die Polizei und die Gerichte, aber auch die Einsetzung, Anwendung und Auslegung des Rechts. Dies reicht von der Verfassung bis zum Lehrplan 21. Die absoluten Durchsetzungsmittel des Staates machen diese für Gesellschaftsveränderer besonders anziehend: Sie möchten ihn deshalb in den Dienst ihrer Ideen stellen. Die seit Generationen bruchlose und friedliche Entwicklung der Schweiz macht uns leicht vergessen, wie gefährlich, gewalttätig und brutal staatliche Akteure sein können. Die Bürger ehemaliger Diktaturen, etwa in Russland oder Deutschland, oder heutzutage die Zeugen von Clanherrschaft beispielsweise in arabischen, afrikanischen oder mittelamerikanischen Ländern haben selbst erfahren oder mit ihren Augen gesehen, was Staatsgewalt heissen kann.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Handlungsebene. Gleich wie im Sport unterscheiden wir in der Politik zwischen den Spielregeln und dem Spiel. Bei Abstimmungen seine eigene Meinung ausdrücken, zählt zum Spiel; das Wesen des Staates zu verändern, betrifft die Spielregeln.

Ohne Patriotismus geht es nicht

Es ist offensichtlich, dass in einer Demokratie das Volk die Spielregeln ändern darf. Dies muss allerdings in voller Transparenz und Offenheit geschehen, nicht versteckt und nicht mit Mitteln der Gewalt. Jedenfalls sind die Behörden und die Bürger angehalten, bei ihrem Tun immer das Wohl des Ganzen, also der Nation, im Blick zu haben, also als Patrioten zu handeln, zu reden und zu denken. Dies setzt neben der natürlichen Heimatliebe Selbstdisziplin und eine freiheitliche Bildung der Persönlichkeit voraus.

Andernfalls verkommt der Staat zum selbstgenügsamen, eigenmächtigen und verfügenden Moloch. Die politische Auseinandersetzung wird dann zum Kampf um eine Beute – die Staatsgewalt –, die jeder nur für sich besitzen und für seine Zwecke einsetzen möchte. Dies ist zweifellos nicht, was wir wollen. Deshalb müssen wir die Volksrechte verteidigen und das, was die Schweiz freiheitlich und stark gemacht hat: den liberalen – und nicht den progressiven – Staat.

[1] „Tageswoche“ vom 3. Dezember 2014

[2] „Tageswoche“ vom 28. August 2014

 

Schweizer Recht statt fremde Richter

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Thomas de Courten
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Nationalrat Rünenberg (BL)
 
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