Editorial

Konkordanz am Ende?

Die SVP hat die grossen Parteien zu Gesprächen über die Zukunft der Konkordanz eingeladen. Die Reaktionen auf dieses Angebot folgten postwendend über die Medien und zeigen, dass der…

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)

Die SVP hat die grossen Parteien zu Gesprächen über die Zukunft der Konkordanz eingeladen. Die Reaktionen auf dieses Angebot folgten postwendend über die Medien und zeigen, dass der Konkordanzbegriff von den anderen Parteien bewusst neu interpretiert wird. Ihnen schwebt offenbar nicht mehr eine Regierung vor, die die wichtigsten politischen Strömungen im Land einbindet, sondern eine Koalitionsregierung, die in letzter Konsequenz ein Mitte-Links-Programm haben würde. Die gleichen Parteien sind indes nicht einmal in der Lage, mit ihren eigenen Vertretern im Bundesrat einen geordneten Ablauf der Rücktritte und Ersatzwahlen sicherzustellen. Wie sie so ein gemeinsames Regierungsprogramm in die Tat umsetzen wollen, bleibt schleierhaft.

Die Proportionalität ist ein zentrales Element der Konkordanz. Das sagt nicht die SVP, sondern die politikwissenschaftliche Theorie. Die schweizerische „Zauberformel“ verbindet damit seit 1959 die vier grossen Parteien im Land und ermöglicht ihre Vertretung in der Regierung gemäss ihrer Wählerstärke. Damit sind alle wichtigen politischen Strömungen und ein grosser Teil der Bevölkerung in die Regierung eingebunden. Dieses Prinzip wurde zwischen 1999 und 2003 und dann seit Ende 2007 verletzt. Ausgerechnet die stärkste politische Kraft, welche fast einen Drittel der Wählerinnen und Wähler vertritt, ist heute in der Regierung untervertreten. Die gleichen Kreise, welche den Grundsatz der Konkordanz verlassen haben, gehen nun noch einen Schritt weiter und deuten die Konkordanz in eine inhaltliche Koalition um. Nur war gerade dies nie die Absicht der schweizerischen „Zauberformel“, welche stets Partner mit grundlegend unterschiedlichen Weltanschauungen verband. Eine „inhaltliche Konkordanz“ hat es nie gegeben. Ein solches Konstrukt wäre quasi ein Widerspruch in sich selbst. Wollen die anderen Parteien einen Systemwechsel und in Zukunft auf eine Mitte-Links-Koalition setzen, dann sollten sie auch gegenüber den eigenen Wählern dazu stehen. Die Zeit der Konkordanz wäre damit aber endgültig zu Ende.

Schwache Partner
Während die Parteichefs von den Vorteilen eines gemeinsamen Regierungsprogramms schwärmen, zeigt sich in der Realität, dass man auf die eigenen Vertreter im Bundesrat keinen Einfluss mehr hat. Das Lamento über den gestaffelten und unkoordinierten Doppelrücktritt der Bundesräte Leuenberger und Merz ist heuchlerisch. Die Parteien nehmen ihre Verantwortung gegenüber ihren eigenen Bundesräten längst nicht mehr wahr. Persönlichkeiten und Teamplayer, nicht Parteienvertreter sollten in die Regierung gewählt werden. Diese und andere Platitüden wurden dem Publikum bei jeder Bundesratswahl aufgetischt. Nun haben wir weder das eine, noch das andere. Die Bundesräte machen, was sie wollen und fühlen sich bestenfalls gegenüber sich selbst verpflichtet. Die Parteien schauen wie der Zauberlehrling hilflos zu. Mit der Volkswahl des Bundesrates wären die Bundesräte dem Volk Rechenschaft schuldig. Damit dürfte auch die Disziplin wieder im Bundesrat Einzug halten – zum Wohle des Landes.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)
 
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