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Asylpolitik
Editorial

Verfehlte Revision des Asylgesetzes

Die Situation im Asylbereich ist besorgniserregend: Die Migrationsströme aus Afrika und dem Nahen Osten nehmen immer mehr zu, was die Infrastrukturen in Europa zusehends überlastet. Grenzkontrollen sind kaum mehr möglich, und die Regeln im Asylbereich scheinen ausser Kraft gesetzt. Seit Monaten weist die SVP auf diese sich anbahnenden Probleme hin. Um diese in den Griff zu bekommen, nützt es nichts, Gesetze zu revidieren: Rasches Handeln im Vollzugsbereich ist gefordert. Sodann darf die Attraktivität der Schweiz und der europäischen Länder als Zieldestinationen nicht weiter gesteigert werden. Sowohl die vom offiziellen Deutschland propagierte „Willkommenskultur“ wie auch die im revidierten Asylgesetz vorgesehenen Gratis-Anwälte sind völlig falsche Ansätze. Darum ist es richtig, dass die SVP das Referendum gegen die Asylgesetz-Revision ergriffen hat.

Gregor Rutz
Gregor Rutz
Nationalrat Zürich (ZH)

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Gerne werden in der derzeitigen Diskussion Fakten verwischt oder Probleme kleingeredet. Tatsache ist: Die Aufnahme von Flüchtlingen ist etwas anderes als der Zustrom Hunderttausender illegaler Migranten. Derzeit hat es Europa mit letzterem Phänomen zu tun – und viele wollen es nicht merken. Das Dubliner Abkommen hat noch nie funktioniert, und spätestens in diesem Jahr dürfte den meisten klar geworden sein, dass auch die Idee des Schengener Abkommens zum Scheitern verurteilt ist. Beim aktuellen Ansturm aus dem Balkan ist es unmöglich geworden, die Aussengrenze zu sichern und die Einwanderer korrekt zu erfassen. 
Mit der durch Bundeskanzlerin Merkel ausgesprochenen Einladung an eine unbestimmte Zahl von Menschen haben sich die europäischen Länder gleich zwei Probleme eingehandelt: Einerseits die hoffnungsvollen Erwartungen einer riesigen Zahl von Menschen, welche – die meisten ohne Berechtigung – sich hierzulande gerne niederlassen und vom Staat versorgt werden möchten. Auf der anderen Seite ist die innere Sicherheit zunehmend gefährdet, indem sich immer mehr Menschen mit unbekannten Absichten illegal im Schengen-Raum aufhalten.

Handlungsbedarf ist klar – keine Gratisanwälte!
Was zu tun ist, liegt auf der Hand: Nur die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, ein straffer Vollzug und die konsequente Durchsetzung der geltenden Rechtsordnung vermögen Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Stattdessen unternimmt der Bundesrat alles Erdenkliche, um die Attraktivität der Schweiz als Zielland weiter zu steigern. Dazu gehört auch die vorgesehene Einführung eines Anspruchs auf unentgeltliche Rechtsberatung für alle Asylbewerber.
Als „flankierende Massnahme zum raschen Verfahren“ will der Bundesrat einen „Anspruch auf eine kostenlose Beratung und Rechtsvertretung“ für Asylsuchende schaffen. Ein bedingungsloser Anspruch auf kostenlose Rechtsvertretung in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wäre ein absolutes Novum im Schweizer Rechtssystem. Ein solches Recht würde zu einem Anstieg der Beschwerden, längeren Verfahren und massiven Zusatzkosten führen.
Das Recht auf unentgeltliche Rechtspflege soll sicherstellen, dass allen Personen der Zugang zur Justiz gewährleistet ist – auch wenn ihnen die notwendigen finanziellen Mittel fehlen. So soll die Rechtsgleichheit gestärkt und auch für mittellose Personen gewährleistet werden. Dieses in der Schweiz seit Jahrzehnten anerkannte Grundrecht wird auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet. Allerdings beschränkt die EMRK den Anspruch auf unentgeltliche Rechtsvertretung auf zivilrechtliche Angelegenheiten und strafrechtliche Belange. Mit der Auffassung, dass der genannte Anspruch auch in sämtlichen öffentlich-rechtlichen Verfahren gelte, geht die Schweiz also bereits heute über die Anforderungen der EMRK hinaus.

Verfassungswidrige Ungleichbehandlung
Um heute den Anspruch auf unentgeltliche Rechtsvertretung geltend zu machen, müssen alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss eine Bedürftigkeit des Betroffenen vorliegen, die Rechtssache darf nicht aussichtslos sein und es muss eine Notwendigkeit der Verbeiständung vorliegen. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine unentgeltliche Rechtsvertretung nach hiesiger Praxis bereits heute (auch in Asylverfahren) möglich. Ebenso besteht in anderen Verfahren zivil-, straf- und öffentlich-rechtlicher Art ein entsprechender Anspruch, wenn die genannten Bedingungen kumulativ erfüllt sind.
Wenn in der Schweiz nun für Asylbewerber neu ein bedingungsloser Anspruch auf unentgeltliche Rechtsvertretung eingeführt wird, würde dies einen Verstoss gegen die Rechtsgleichheit bedeuten. Die Argumentation, Migranten seien besonders verletzlich und in ihren Grundrechten tangiert, hält einer Prüfung nicht stand: Ein mittelloser Schweizer, der in ein KESB-Verfahren oder ein Verfahren betreffend Fürsorgerische Freiheitsentziehung (FFE) involviert ist, wird in seinen Grundrechten ebenso tangiert, muss obige Bedingungen aber trotzdem erfüllen, wenn er eine unentgeltliche Rechtsvertretung in Anspruch nehmen will.
Mit der Einführung genereller Gratis-Anwälte würde der ursprüngliche Sinn des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtsvertretung damit ins Gegenteil verkehrt: Statt einer Stärkung der Rechtsgleichheit, würde eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Schweizern und Migranten geschaffen.

Schweiz darf nicht noch attraktiver werden
Die Aussicht auf kostenlosen Rechtsschutz, welcher bedingungslos zugesprochen wird, macht die Schweiz für Migranten noch attraktiver. Dies ist vor dem Hintergrund der aktuellen Situation absolut unverständlich. 
Dass mit den neuen Regelungen und insbesondere mit der generellen kostenlosen Rechtsvertretung „mittel- bis langfristig substanzielle Einsparungen erzielt“ werden können, wie es der Bundesrat ausführt, erscheint höchst fragwürdig. 
Eher das Gegenteil dürfte eintreffen: Wenn alle Asylbewerber von Anwälten vertreten werden, wird dies zu einem starken Anstieg der Beschwerdeeingaben führen, was die Verfahren verlängert – und nicht etwa verkürzt.
Zusätzliche Beschwerden führen zu einer massiven Mehrbelastung der zuständigen gerichtlichen Instanzen, was hohe Zusatzkosten generiert. Die Schweiz hat bereits heute die teuerste Justiz Europas: Im Jahr 2012 haben Gerichte, Bundes- und Staatsanwaltschaften sowie unentgeltliche Rechtspflege den Betrag von 1,6 Milliarden Euro verschlungen – eine horrende Summe. Diese Kosten würden mit der Einführung einer bedingungslosen unentgeltlichen Rechtspflege zweifellos weiter ansteigen, während die Effizienz der Verfahren litte. Auch dies ein klarer Grund, bei der bisherigen Regelung zu bleiben.

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