Editorial

Wo bleibt die Wertschätzung für die Familienarbeit?

In der öffentlichen Diskussion rund um die Familieninitiative schlägt derzeit die Stunde der Technokraten, Kampagnenjournalisten und politischen Neider. Vor lauter Zahlenakrobatik, Anti-SVP-Reflexen und steuertechnischer Prinzipienreiterei geht der Blick auf das eigentliche Anliegen der Initiative mehr und mehr verloren: die Wertschätzung der Familie – in welcher Form auch immer-, der Verzicht auf die Diskriminierung bestimmter Familienmodelle und die steuerliche Entlastung aller Familien mit Kindern.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Generalsekretariat Bern (BE)

In der öffentlichen Diskussion rund um die Familieninitiative schlägt derzeit die Stunde der Technokraten, Kampagnenjournalisten und politischen Neider. Vor lauter Zahlenakrobatik, Anti-SVP-Reflexen und steuertechnischer Prinzipienreiterei geht der Blick auf das eigentliche Anliegen der Initiative mehr und mehr verloren: die Wertschätzung der Familie – in welcher Form auch immer-, der Verzicht auf die Diskriminierung bestimmter Familienmodelle und die steuerliche Entlastung aller Familien mit Kindern.

Mit dem offensten Visier wird derzeit noch in den Leserbriefspalten und Online-Foren gekämpft. Dort findet man in vielfältiger Ausprägung die Argumente der Befürworter und Gegner im Hinblick auf die Abstimmung zur Familieninitiative am 24. November. Im redaktionellen Teil der Medien ist es dann mehrheitlich vorbei mit der Ausgewogenheit. Seit der ersten SRG-Meinungsumfrage, welche der Initiative einen positiven Start in die Kampagne attestierte, sahen sich verschiedene Redaktionen zum Kampagnenlautsprecher der Initiativgegner berufen (Blick, NZZ am Sonntag, Radio Suisse Romande usw.). „Die SVP darf mit ihrer Initiative keinesfalls Erfolg haben", lautet wohl in der einen oder anderen Redaktionsstube die Devise. Dazu ist fast jedes Mittel recht. Selbst vor der versuchten Zensur von Beiträgen der Befürworter wird dabei nicht zurückgeschreckt.

Unredliche Behördenpropaganda
Nicht minder einseitig ist der Blickwinkel verschiedener Regierungsvertreter, die sich reflexartig vor ihre eigenen Steuer-Kassen stellen. Wenn sie mit Milchbüchleinrechnungen über mögliche Steuerausfälle durch die Familieninitiative spekulieren, nehmen sie solche einerseits bei den Fremdbetreuungsabzügen ohne weiteres in Kauf. Andererseits könnte man daraus ebenso die Schlussfolgerung ableiten, dass den eigenbetreuenden Familien vom Fiskus offenbar über Jahre Millionenbeträge zu viel abgeknöpft wurden. Letztlich steht es den Kantonen frei, wie sie die Initiative umsetzen wollen. Die Abzüge für die Kinderbetreuung müssen einfach für die Eigen- und Fremdbetreuung gleich hoch sein. 
All diese buchhalterischen Verrenkungen lassen übrigens ausser Acht, dass öffentliche Betreuungsinfrastrukturen jährlich hunderte Millionen Franken an Steuergeldern kosten – allein in der Stadt Zürich 160 Millionen – und wohl fast alle Familien, welche sie in Anspruch nehmen, auf diese Weise vom Staat subventioniert werden. Noch ärgerlicher sind irreführende Behauptungen, wie jene, dass nur Reiche von einem Eigenbetreuungsabzug profitierten. Für wen der Umstand, dass die direkte Bundessteuer und damit auch jegliche Abzüge erst ab einem bestimmten Einkommen greifen, der Grund für die Ablehnung der Familieninitiative ist, der müsste subito die Abschaffung des Fremdbetreuungsabzuges fordern. Dieser wirkt bei der Bundessteuer nämlich sogar erst ab einem noch deutlich höheren Familieneinkommen, da Doppelverdiener zusätzliche Abzugsmöglichkeiten haben. Dieser Teil der Realität wird von den Gegnern der Familieninitiative geflissentlich ausgeblendet.

Neid und Missgunst
Es bleiben die politischen Neider. Für sie stimmt ganz offensichtlich einfach der Absender nicht. Hatten sie sich noch vor einigen Jahren als namhafte Exponenten von BDP, CVP und FDP gleichsam für Fremd- und Eigenbetreuungsabzüge bei den Steuern stark gemacht (z.B. Motion Haller „Eigen- und Fremdbetreuungsabzug bei der direkten Bundessteuer" aus dem Jahr 2008 mit Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichnern aus verschiedenen Parteien), haben die teilweise gleichen Leute nun aus parteipolitischen Gründen einfach ihre Meinung gewechselt und bekämpfen die SVP-Initiative aus parteipolitischem Opportunismus an vorderster Front. Auch hier schauen die meisten Medien lieber weg.

Ein Zeichen der Anerkennung 
Normalerweise wären all diese Beispiele bestenfalls Randnotizen in einem erfreulich animiert geführten Abstimmungskampf, dem zu Beginn niemand die tragende öffentliche Rolle neben der 1:12-Initiative und der Vignetten-Erhöhung zugetraut hätte. Mit der einseitigen Berichterstattung bekommen sie jedoch eine Relevanz, welche beinahe vergessen lässt, worum es mit der Initiative eigentlich geht. Es geht darum, dass nicht jene Familien, die ihre Kinder selber betreuen oder die Betreuung eigenverantwortlich mit Verwandten oder Bekannten organisieren, von einem Steuerabzug für ihre wichtige Leistung ausgeschlossen sind. Die Initiative will nicht mehr und nicht weniger als die Gleichbehandlung aller Familien. Und sie ist ein Zeichen gegen die bewusste Diskriminierung selbstbetreuender Familien durch Bundesrat und Parlament.

Wer etwas für alle Familien tun will, stimmt deshalb am 24. November mit Überzeugung JA zur Familieninitiative.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Generalsekretariat Bern (BE)
 
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