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Aussenpolitik

Der Weg der Schweiz in die Zukunft

Heute – an diesem winterlichen Sonntagnachmittag – wollen wir uns dankbar erinnern, dass sich vor 20 Jahren – am 6. Dezember 1992 – das Schweizer Volk und die Stände gegen den Beitritt der Schweiz…

Christoph Blocher
Christoph Blocher
a. Bundesrat Herrliberg (ZH)

Heute – an diesem winterlichen Sonntagnachmittag – wollen wir uns dankbar erinnern, dass sich vor 20 Jahren – am 6. Dezember 1992 – das Schweizer Volk und die Stände gegen den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und damit gegen den Beitritt zur Europäischen Union (EU) ausgesprochen haben. Und dies bei einer Rekordstimmbeteiligung von 78,7 %!

Ein eindrückliches Bekenntnis für die Eigenständigkeit der Schweiz.

Das Schweizer Volk hat 1992 in weiser Voraussicht entschieden. Der Segen des weisen Entscheides ist heute greifbar: Freiheit und Wohlfahrt haben sich in der Schweiz – mit aller Vorsicht gesagt – jedenfalls besser entwickelt als in der EU. Während dort desaströse Finanzverhältnisse, bankrotte Staaten und hohe Arbeitslosenzahlen herrschen, strömen seither Hunderttausende von Europäern in die Schweiz, weil sie hier Arbeit und bessere Lebensbedingungen finden!

Die intellektuelle Fehlkonstruktion EU ist täglich sicht- und greifbar.

Das führt zu Neid, Missgunst, Druckversuchen und Erpressungen gegenüber unserem Land.

Mit grösster Sorge jedoch betrachten viele Mitbürger, mit welcher Orientierungs-, Konzept- und Führungslosigkeit die Verantwortlichen im eigenen Land solchen Druckversuchen und Erpressungen begegnen. „Wo sind die führenden Leute, die den Weg der Schweiz in die Zukunft mutig und unabhängig aufzeigen?" Man hat sie mit der Lupe zu suchen.

Fast täglich erfahren die Bürger, dass die Verantwortlichen – statt die Errungenschaften der Schweiz zu verteidigen – schnell einknicken. Einziges Frühturnprogramm unserer Bundesräte und Bundesrätinnen besteht nur noch aus dem „Einknicken".

I. Hayek und Ochsenbein
Wir stehen hier auf dem Nicolas-Hayek-Platz. Dieser Platz erinnert an den eindrücklichen Unternehmergeist von Nicolas Hayek (1928 – 2010), der hier in der Region Biel der serbelnden Uhrenindustrie wieder Weltgeltung verschaffte.

Weil Hayek über eine weitsichtige, unternehmerische Haltung, über Temperament und Leidenschaft für den Werkplatz Schweiz verfügte, gehörte er zu den Unternehmern, die für eine eigenständige, weltoffene Schweiz und deshalb gegen die Einbindung der Schweiz in internationale Organisationen – wie EWR und EU – eintraten. Solche Unternehmer braucht es auf dem Weg der Schweiz in die Zukunft.

Ebenso wollen wir uns – meine Damen und Herren – eines anderen Mannes aus dieser Region erinnern: Es ist Ulrich Ochsenbein (1811 – 1890), der im nahen Nidau lebte und den man als den Schöpfer der modernen Schweiz bezeichnen darf.

Ochsenbein hat sich aufopfernd gegen innere und äussere Feinde durchgesetzt. Ihm verdanken wir die Bundesverfassung von 1848. Er wurde in den ersten Bundesrat gewählt, allerdings nach kurzer Zeit auch wieder hinterhältig abgewählt.

Als damals die französischen Generäle ihre Truppen bereits an der Schweizer Grenze zusammengezogen hatten, um die freiheitliche, demokratische Bundesverfassung der Schweiz zu verunmöglichen, war es Ulrich Ochsenbein, der zu ihnen reiste und ihnen den Freiheitswillen der Eidgenossen erklärte. Darauf zogen diese ihre Truppen zurück.

Er ist nicht eingeknickt angesichts des Druckversuches von aussen. Nein, er setzte sich durch.

Meine Damen und Herren, wo sind heute die Ochsenbeins im Bundesbern?

Dank der weitsichtigen Bundesverfassung von 1848 auf der Grundlage von Souveränität, Freiheit, Demokratie, Neutralität und Föderalismus wurde die Voraussetzung geschaffen, dass die Schweiz einer der weltweit wohlhabendsten Staaten geworden ist.

Und so, wie durch die neue Bundesverfassung von 1848 die Schweiz als damaliges „Armenhaus Europas" auf den Erfolgspfad geführt wurde, so haben die Schweizer am 6. Dezember 1992 verhindert, dass die Schweiz nicht wieder zum Armenhaus Europas wurde. Denn das Schweizer Volk hat sich 1992 – wie Ochsenbein 1848 – für Souveränität, Freiheit, Demokratie, Neutralität und Föderalismus entschieden.

Die Schweizer haben sich 1992 mit ihrem Entscheid, Wohlfahrt und Wohlergehen unseres Landes über die grossspurige „Einbindung in die Europäische Union" gestellt.

Es gilt an diesem Gedenktag den Schweizer Stimmbürgern im Namen unseres Landes zu danken.

II. Weg in die Zukunft: Weder ein offener noch ein verschleierter EU-Beitritt
Meine Damen und Herren, was die nächsten 100 Jahre bringen werden, das können wir Menschen nicht im Voraus wissen. Wir wissen aber, dass die Geschicke der Zukunft nie allein in unserer Menschenhand liegen.

Eines aber steht fest: Der Weg, der direkt oder auf verschlungenen Pfaden in die EU führt, ist kein Weg der Schweiz zur Bewältigung der Zukunft.

III. Wie der Bundesrat die Schweiz in die EU führen will
Weil die EU – getrieben von Neid und Missgunst und ermutigt durch die Einknicker in Bern – Druck ausübt, tritt die EU gegenüber der Schweiz immer dreister auf.

So verlangt die EU von der Schweiz, dass sie sich in Zukunft bei jedem bilateralen Vertrag verpflichtet, nicht nur das bestehende, sondern auch das künftige EU-Recht und die europäische Rechtsprechung zu übernehmen. Hüben und drüben säuselt man von „institutionellen Bindungen" und von „Übernahme der EU-Gerichtsbarkeit". Also: man verlangt nichts anderes als wieder einen EWR, den das Volk ausdrücklich abgelehnt hat. Wieder geht es darum, die Schweiz in die EU zu integrieren. Und was tut unsere Regierung dagegen? Wer auf ein entschiedenes und staatsmännisches Nein, Non, No aus Bern gewartet hat, sieht sich getäuscht: Die Regierung knickt wieder ein.

So schrieb die Bundespräsidentin am 15. Juni 2012 der Europäischen Union einen – zunächst geheim gehaltenen -unterwürfigen Brief , in dem sie eine "Art EWR-Vertrag" und schliesslich einen EU-Beitritt – unter Verweis auf das EU-Beitrittsgesuch – verspricht.

IV. Nichts Neues unter der Sonne
Damit steht die Schweiz heute vor der gleichen gefährlichen Situation wie schon 1992:
Unter einem "harmlosen" bilateralen Vertrag – sicher wird er einen schönen Decknamen erhalten wie zum Beispiel "Stromvertrag", "Energievertrag" "Dienstleistungsvertrag", "Rahmenvertrag", oder ähnliches – sollen bestehendes und künftiges EU-Recht sowie fremde Richter akzeptiert werden. Wie damals 1992 sind auch diese Verträge wieder im Rahmen einer Europa-Strategie zu sehen, die den vollumfänglichen Beitritt der Schweiz zur EU zum Ziel hat. Auch wenn man im Bundesrat nicht müde wird, dies zu bestreiten. (Wenn es um die EU geht, wird im Bundesbern niemand mehr rot beim Lügen!)

Meine Damen und Herren, und wie 1992 gibt es sie auch heute wieder – all die Schlaumeier, die sagen: „Gegen den EU-Beitritt bin ich zwar auch, aber eine Art EWR – warum nicht?"

Meine Damen und Herren, wer so spricht, kennt weder den EWR noch die EU, noch die Schweiz. Wahrscheinlich aber alle drei nicht. Oder er spielt mit gezinkten Karten – und will nicht zugeben, dass er in die EU will.

Man verschweigt, dass ein EWR-Vertrag die Schweiz verpflichtet, etwa 80 Prozent der bestehenden und künftigen EU-Gesetze zu übernehmen, also alles Gesetze, welche die EU zu ihren eigenen Gunsten – und nicht zugunsten der Schweiz – erlassen hat und in Zukunft weiter erlassen wird.

Dieses zwangsweise von der EU vorgegebene Recht können die Schweizer Bürger – in der Schweiz der oberste Gesetzgeber – nicht mehr ändern. Denn es gilt: EU-Recht bricht Schweizer Recht.

Eine fremde Macht – eben die EU – bestimmt durch den EWR, was in der Schweiz gilt. Genau wie einst die Engländer in Indien, die Holländer in Batavia, die Belgier im Kongo und die Portugiesen in Moçambique dies zur Zeit der Kolonialherrschaften taten. Die EU als Kolonialherrin der Schweiz! Das soll nach dem Willen der Schweizer Regierung unserem Volk zugemutet werden.

Niemals darf dies geschehen!

Natürlich wusste der Bundesrat schon 1992, dass ein solcher Kolonialvertrag eines freien Volkes unwürdig ist. Darum erklärte er damals auch folgerichtig und pflichtbewusst, dass der EWR kein würdiger Zustand für die Schweiz darstellte. Der Bundesrat sah ihn nur als Zwischenstation und als Vorstufe des EU-Beitritts.

Bundesrat Delamuraz sagte es damals so: „L’espace économique européenne (EEE) est le premier étage de la maison de l’Europe.» Sportlichere Bundesräte – wie Bundesrat Adolf Ogi – die gerne auf dem Höhenzug links hinter mir in Magglingen verkehrten, sprachen lieber vom EWR als einem „Trainingslager" für den EU-Beitritt.

In der noch heute lesenswerten damaligen bundesrätlichen Botschaft an das Parlament hiess es darum wörtlich: "Unsere Teilnahme am EWR kann nicht mehr als das letzte Wort in unserer Integrationspolitik gelten. Sie ist im Rahmen einer Europa-Strategie zu sehen, die in zwei Phasen ablaufen soll und den vollumfänglichen Beitritt der Schweiz zur EG zum Ziel hat. So stellt sich unsere Beteiligung am EWR heute als Etappe dar, die uns dem Beitrittsziel näher führt."

Und so war es also nur konsequent, dass der Bundesrat am 20. Mai 1992 das EU-Beitrittsgesuch in Brüssel einreichte, wo es heute noch liegt und es – trotz des Neins des Souveräns – nie zurückgezogen hat.

So summen die Brüsseler Beamten jedes Mal ganz leise, wenn sie an der Aktenschachtel mit dem Schweizer Beitrittsgesuch vorbeischleichen: (singend) „Schtill, schtill, schtill, wil das Gsüecheli schlaafe will!"

Meine Damen und Herren, also nichts Neues unter der Sonne! Auf dem gleichen Weg wie 1992 wandelt die offizielle Schweiz jetzt wieder.

Die von Bundesbern offiziell vorgezeichnete "Europapolitik" ist ein alter Hut!! Sie kommt der Zerstörung der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte unseres Landes gleich.

Darum sagten Volk und Stände schon 1992: Nein!
Die viel gepriesene „Öffnung nach Europa" brächte der Schweiz nämlich konkret:

– noch mehr Gesetze (und erst noch vom künftigen Kolonialherren EU erlassen)
– noch mehr Funktionäre
– noch mehr Bürokratie
– weniger Freiheit
– weniger Demokratie
– Verlust von Volksrechten
– höhere Ausgaben
– höhere Schulden
– höhere Steuern
– höhere Abgaben und Gebühren
– tiefere Löhne
– kleinere Einkommen
– mehr Arbeitslose
– Verlust des Schweizer Frankens
– höhere Hypothekarzinse
– teurere Wohnungen

kurz: den Zerfall des schweizerischen Wohlstands.

V. Was ist zu tun?
Damit – meine Damen und Herren – gilt es in absehbarer Zeit wieder wie 1992 anzutreten. Der Stimmbürger hat wieder gegen die schweizfeindliche und wohlstandszersetzende Politik der Classe politique anzutreten, und bald erneut an der Urne diesen Irrweg abzulehnen und sich für die Schweiz zu entscheiden.

Es wird erneut darum gehen, den von der Classe politique angestrebten EU-Beitritt zu verhindern.

Nach wie vor wollen 80% unserer Bürgerinnen und Bürger nicht in die EU. Im Bundesrat und in der Bundesverwaltung ist das Verhältnis genau umgekehrt!

Und weil die Verträge mit institutionellen Bedingungen den EU-Beitritt bewirken, sind diese Volksabstimmungen dem obligatorischen Referendum zu unterstellen.

Sollte sich das Parlament verfassungswidrig ein weiteres Mal weigern, dies zu tun, ist es mit Referenden zu erzwingen.

Nur mit einem Nein zu diesem EU-Beitritt auf Samtpfoten lässt sich der weitgehende Verlust des über Jahrhunderte gewachsenen Erfolgsmodells Schweiz vermeiden.

VI. 200 Jahre Schlacht an der Beresina
Vor 200 Jahren kämpften Schweizer Soldaten unter französischer Fremdherrschaft an der Beresina. Auch damals geschah diese Fremdherrschaft selbstverständlich unter grossen humanistischen Versprechungen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Die fremden Herren versprachen dies während sie gleichzeitig den Staatsschatz aus Bern abtransportierten.

Auch so zwang die französische Fremdherrschaft 1812 die Schweiz mit 12‘000 Soldaten, am Russlandfeldzug teilzunehmen. Auf dem Rückzug verteidigten die Schweizer am 28./29. November 1812 heldenhaft die von Pontonieren geschlagene Brücke über die Beresina gegen die angreifenden Russen, und liessen dabei ihr Leben.

Nur gerade noch 300 Schweizer meldeten sich nach der Schlacht zum Appell.
Sie sehen, was passiert, wenn eine fremde europäische Macht über die Schweiz bestimmt.

VII. Schlusswort
Schweizerinnen und Schweizer, bleibt wachsam! Gegen Innen und gegen Aussen
. Wie es 1315 hiess: „Hütet Euch am Morgarten" oder wie wir mit Blick auf 1812 rufen müssen: „Hütet Euch vor der Fremdherrschaft", so gilt heute: „Hütet Euch vor der Fehlkonstruktion EU!" Und ganz besonders: "Hütet Euch vor den aussenpolitischen Irrwegen von Bundesbern".

Wenn wir auf der Hut sind, wird uns ein Höherer erst recht in seiner Hut haben. „Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott."

Der eigenständige Weg ist und bleibt die grosse Chance der Schweiz. Weltoffenheit durch Wahrung der Eigenständigkeit ist der Weg der Zukunft für die Schweiz.

Meine Damen und Herren! Am Vorabend der Schlacht an der Beresina stimmte der Glarner Oberleutnant Thomas Legler beim Übergang an der Beresina das Lied „Nachtreise" an. Dieses Beresina-Lied bleibt uns Mahnmal.

Und darum lasst uns zum Schluss der heutigen Gedenkfeier – gleichsam als Mahnmal auf dem Weg der Schweiz in die Zukunft – und im Gedenken an die dort gefallenen Schweizer das Beresina-Lied singen.

Lassen Sie sich nicht entmutigen. Wir halten zusammen!
Ich danke Ihnen.

Beresina-Lied
Unser Leben gleicht der Reise
Eines Wandrers in der Nacht;
Jeder hat in seinem Gleise
Etwas, das ihm Kummer macht.

Aber unerwartet schwindet
Vor uns Nacht und Dunkelheit,
Und der Schwergedrückte findet
Linderung in seinem Leid.

Mutig, mutig, liebe Brüder,
Gebt das bange Sorgen auf;
Morgen steigt die Sonne wieder
Freundlich an dem Himmel auf.

Darum lasst uns weitergehen;
Weichet nicht verzagt zurück!
Hinter jenen fernen Höhen
Wartet unser noch ein Glück.

Christoph Blocher
Christoph Blocher
a. Bundesrat Herrliberg (ZH)
 
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