Vernehmlassung

6. IV-Revision, zweites Massnahmenpaket (Revision 6b)

Die Durchführung einer ernsthaften strukturellen Sanierung der IV mit der 6. IV-Revision ist nach dem gegen den Willen der SVP erfolgten Beschluss zur Zusatzfinanzierung der IV durch eine Erhöhung…

Vernehmlassungsantwort der SCHWEIZERISCHEN VOLKSPARTEI (SVP)

Die Durchführung einer ernsthaften strukturellen Sanierung der IV mit der 6. IV-Revision ist nach dem gegen den Willen der SVP erfolgten Beschluss zur Zusatzfinanzierung der IV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer umso dringender geworden. Ohne substanzielle ausgabenseitige Massnahmen wird die vom Bundesrat versprochene Wiederauf-hebung der Mehrwertsteuererhöhung nicht realisierbar sein. Die SVP hat ausdrücklich vor der Gefahr gewarnt, dass durch neue Geldströme der Druck zur Sanierung der IV verloren gehen könnte. Wie bereits beim ersten Teil der 6. Revision (6a) sind auch in dieser Vorlage nur zaghafte, wenig wirksame oder teilweise eher kontraproduktive (d.h. kostentreibende) Massnahmen geplant. Die SVP kann diesem Vernehmlassungsentwurf in dieser Form nicht zustimmen und fordert den Bundesrat auf, diesen unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bemerkungen zu überarbeiten.

I. Leistungen, allgemeine Voraussetzungen und verstärkte Eingliederung
Die SVP befürwortet grundsätzlich Massnahmen, welche auf einen Verbleib im Arbeitsmarkt oder auf eine verstärkte (Wieder-)Eingliederung in den Arbeits-markt hin wirken und einen verstärkten Einbezug der Arbeitgeber anstreben. Allerdings muss die Wirksamkeit, d.h. der Erfolg dieser Massnahmen überprüft und nachgewiesen werden können. Es sollte zuerst eine solche Wirksamkeitsüberprüfung und Auswertung für die Massnahmen der 5. IV-Revision im Bereich Eingliederung und Integration erfolgen, bevor mit dem hier vorliegenden Paket bereits die nächsten Schritte in diese Richtung getan werden. Aus diesem Blickwinkel werden einige Neuerungen der Vorlage im Folgenden kritisch beurteilt und abgelehnt.

Unverbindliches (bzw. gesetzlich nicht Bindendes oder Durchsetzbares) wie der in Art. 7c Abs. 2 (neu) formulierte Wunsch, der Arbeitgeber möge während Frühinterventions- oder Eingliederungsmassnahmen auf eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses verzichten, ist in einem Gesetz nicht festzuhalten. Deshalb ist dieser Artikel zu streichen.

Weiter wird in Art. 7cbis (neu) der IV-Stelle die Möglichkeit zu einem umfangreichen Angebot niederschwelliger Beratungs-, Unterstützungs- und Begleitdienstleistungen gegeben, welche ohne eigentliche Meldung oder Anmeldung erfolgen können (d.h. nicht automatisch zur Eröffnung eines Versicherungsfalles führen). Mit dieser Angebotsausweitung verlässt die IV ganz klar ihr eigentliches Aufgabengebiet als Versicherung und wird noch mehr zum Berater, Animator oder gar Therapeuten. Bei einer derart offenen Formulierung der Leistung ist keinerlei Kontrolle möglich, ob eine solche Beratung oder Massnahme tatsächlich notwendig war bzw. etwas Nützliches bewirkt, einen neuen IV-Fall verhindert und somit Kosten vermieden hat. Auch der Zusatz in Absatz 2, dass kein Anspruch auf diese Leistungen besteht bestätigt, dass es sich hierbei um einen unnötigen Leistungsausbau handelt. Dieser Artikel ist ebenfalls unbedingt zu streichen.

Grundsätzlich ist gegen die Definition (Art. 7cter) und Abklärung (Art. 7cquater) der Eingliederungsfähigkeit nichts einzuwenden. Problematisch erscheint jedoch der Hinweis im erläuternden Bericht, dass bewusst auf das Kriterium der subjektiven Eingliederungsfähigkeit verzichtet wurde, mit der Begründung, dass es gerade eine Aufgabe der IV sei, die Arbeitsmotivation zu fördern (d.h. die subjektive Eingliederungsfähigkeit herzustellen). Auch hier werden die IV-Stellen eher als Betreuungs- und Behandlungsinstitutionen oder Therapiepraxen betrachtet. Die SVP forderte bereits in ihrer Vernehmlassungsantwort auf das erste Massnahmenpaket (betreffend Art. 8a (neu)) die explizite Erwähnung der subjektiven Bereitschaft des Rentenbezüger zur Eingliederung. Diese ist auch hier in Art. 7c einzufügen. Richtig ist hingegen, dass zukünftig bei einem Fehlen dieser Bereitschaft von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht auszugehen ist.

II. Reisekosten, Verpflegung, Unterkunft
Im vorliegenden Entwurf soll Artikel 51, welcher bisher eine umfassende Vergütung von Reisekosten für Eingliederungsmassnahmen vorsah, aufgehoben werden und die Kostenrückerstattung oder -übernahme nun im Abschnitt über medizinische Massnahmen (Art. 14 Abs. 2bis et 2ter (neu)) sowie Integrationsmassnahmen (Art. 14a Abs. 2bis (neu)) geregelt werden. Damit jedoch eine ungerechtfertigte Besserstellung von IV-Bezügern gegenüber Personen, die keine IV-Leistungen beziehen vermieden wird, sollten grundsätzlich nur behinderungsbedingte Mehrkosten für Reisen rückerstattet werden. Auf eine Vergütung von Kosten für Verpflegung und Unterkunft ist generell zu verzichten, da dies grundsätzlich nicht behinderungsbedingte Mehrkosten sind. Deshalb fordert die SVP die Streichung folgender Artikel:
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Art. 14 Abs. 2 bis et 2ter (neu): Reisekosten bei medizinischen Massnahmen;
­ Art. 14a Abs. 2 bis (neu): Reise-, Verpflegungs- und Unterkunftskosten bei Integrationsmassnahmen;
­ Art. 17 Abs. 3 (neu): Reise-, Verpflegungs- und Unterkunftskosten bei Umschulungen;
­ Art. 21 Abs. 2 bis (neu): Kosten für Reise zur Abgabestelle von Hilfmitteln;
­ Art. 24 bis: Taggeldkürzung bei Vollständiger von Verpflegungs- und Unter-kunftskosten.

Dafür ist Art. 51 beizubehalten, aber dahingehend zu ändern, dass künftig im Allgemeinen nur eine Rückerstattung behinderungsbedingter Mehrkosten bei Reisen möglich ist.

III. Berufliche Eingliederungsmassnahmen (ohne EBA)
Die in Art. 14a Abs. 3 vorgesehene Änderung ist dahingehend zu ergänzen, dass Integrationsmassnahmen mehrmals zugesprochen werden können, sofern sie im Wiederholungsfall im allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgen. Mit dieser Ergänzung wird eine zusätzliche Motivation für den Einstieg oder Verbleib im Arbeitsmarkt geschaffen. Dafür ist auf den vorgeschlagenen Absatz 5 in Artikel 14a zu verzichten.

IV. Festlegung der Höhe des Rentenanspruchs (Verstetigung der Renten)
Die SVP begrüsst den durch den neuen Artikel 28b bewirkten Ersatz der Invaliditätsstufen durch einer linearen Festlegung des Invaliditätsgrades. Dies entspricht einer der Forderungen der SVP zur Beseitigung negativer Anreize bezüglich der Aufnahme von Erwerbstätigkeit durch Invalide. In diesem Zusammenhang stimmt die SVP auch der Einführung einer Erheblichkeitsschwelle gemäss Artikel 30bis (neu) bei der Änderung des Invaliditätsgrades aus Gründen der Praktikabilität zu.

V. Kindergelder und Kinderrenten
Die in Artikel 38 Abs. 1 und 1bis (neu) vorgenommenen, längst überfälligen Konsolidierungen bei den Kinderrenten gehen in die richtige Richtung, sind aber zu wenig umfassend. Eine grundsätzlich bessere Lösung würde darin liegen, die Kinderrente gänzlich durch eine Kinderzulage für IV-Bezüger zu ersetzen, welche sich in Ausgestaltung wie Höhe an den Kinderzulagen gemäss FamZG (Art. 19) orientiert. Dies könnte beispielsweise durch Ersatz von Artikel 35 des IVG durch eine Regelung analog zu Artikel 19 des FamZG erreicht werden.

Zudem ist zu prüfen, inwiefern weitere Doppelspurigkeiten oder Besserstellung von Familien mit IV-beziehenden Elternteilen (durch Kumulation von Kinderzulagen, Kindergeldern, Kinderrenten etc. von beiden Elternteilen) gegenüber Nicht-IV-Bezügern bestehen. Dies ist anschliessend durch entsprechende Leistungsreduktionen bzw. -anrechnungen zu korrigieren. Die beispielsweise in Artikel 69 Absätze 2 und 3 ATSG formulierten Vorkehrungen gegen Überentschädigungen genügen nicht bzw. wären durch eine klarere Regelungen in den einzelnen Gesetzen weitgehend vermeidbar.

VI. Nicht berücksichtigte Massnahmen
Die SVP stellt fest, dass eine ganze Reihe sinnvoller und möglicher Massnahmen zur Sanierung und Konsolidierung der IV auch im Rahmen des zweiten Massnahmenpaketes nicht ergriffen wurde. Sie fordert bei der Überarbeitung dieses Entwurfes folgende Entlastungsmöglichkeiten vertieft zu prüfen und ebenfalls aufzunehmen:

  • Hilfsmittel: In dieser Vorlage wurde klar versäumt, den Wettbewerb im Bereich der Hilfsmittel zu stärken. Die Beschaffung von Hilfsmitteln geschieht oftmals zu stark überhöhten Preisen. Es wäre beispielsweise zu prüfen, wie durch Fall- bzw. Hilfsmittelpauschalen und freien Wahl des Anbieters die Kosten für Hilfsmittel gesenkt werden könnten.
  • ­Berufliche Massnahmen: Wie bereits am Beispiel der Kostenübernahme für Reisen, Verpflegung und Unterkunft dargelegt, schöpft diese Vorlage die Entlastungsmöglichkeiten auch im Bereich der beruflichen Massnahmen nicht aus. Es sollte wesentlich stärker dem Normalisierungsprinzip gefolgt werden, wonach viele der in Betracht kommenden Kosten durchaus auch bei nicht von Invalidität betroffenen Personen anfallen würden. Es sind demnach auch hier lediglich die behinderungsbedingten Mehrkosten bzw. Zusatzkosten rück zu erstatten.
  • Wirkungsüberprüfung der Beiträge: Über die Dachorganisationen der Behindertenorganisationen erhalten rund 1200 Organisationen Beiträge in der Höhe von rund 160 Millionen Franken von der IV. Bei diesen Organisationen ist eine Aufgabenüberprüfung der Leistungsvereinbarungen vorzunehmen. Dabei ist auf das Normalisierungsprinzip (z. B. bei Kursen und Lagern) abzustellen und behinderungsbedingte Mehrkosten sind transparent darzulegen. Nur die behindertenbedingten Mehrkosten sind von der IV zu übernehmen. Ferner sind die Betriebsbeiträge der IV an die Organisationen der Behindertenhilfe mit der Auflage zu verbinden, dass diese IV-Leistungsbezüger anstellen.
  • Höhe der Taggelder: Mit 80 Prozent des bisherigen Erwerbseinkommens übersteigen die Taggelder der IV im Falle von beruflichen Massnahmen die Höhe einer entsprechenden IV-Rente deutlich. Deshalb sollte eine Angleichung der Taggeldhöhe an jene der Renten geprüft werden.
  • ­Kaufkraftanpassung der exportierten Renten: Renten, welche ins Ausland exportiert werden, sind wo immer möglich an die örtlichen Gegebenheiten (d.h. die lokalen Lebenshaltungskosten) anzupassen. Dies gilt selbstredend auch für allfällige Kinderrenten oder -zulagen.

VII. Schlussbemerkungen
Im vorliegenden Entwurf werden mit der Verstetigung bzw. Linearisierung der Renten und mit den Konsolidierungsschritten im Bereich der Kinderrenten begrüssenswerte Schritte in Richtung einer Sanierung und Entschuldung der IV getan. Die Gesamtheit der Massnahmen dürfte aber nicht genügen, dieses Ziel zu erreichen. Insbesondere jene Neuerungen im Entwurf, welche eine Ausweitung der Tätigkeiten und der Angebote der IV und somit höhere Ausgaben mit sich bringen, überzeugen bezüglich Messbarkeit und Wahrscheinlichkeit des Erfolges eindeutig zu wenig und sind zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen. Die SVP fordert den Bundesrat auf, das zweite Massnahmenpaket noch einmal zu überarbeiten, dabei eine Auswertung der Wirksamkeit und Erfolge der 5. IV-Revision vorzunehmen und einfliessen zu lassen und schliesslich die oben er-wähnten, noch nicht erfassten Massnahmen und ausgeschöpften Entlastungspotenziale zu berücksichtigen.

 
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