Die Schweiz und der Brexit-Erfolg

Der EU-Austritt von Grossbritannien macht den miserabel ausgehandelten Entwurf des Schweizer Rahmenvertrags zur Makulatur.

Auch wenn es unsere Medien und die meisten Politiker nicht zugeben wollen: Premierminister Boris Johnson hat für sein Land kurz vor Jahresende in Brüssel einen glänzenden Erfolg errungen. Der von der Bevölkerungsmehrheit des Vereinigten Königreichs gewünschte Austritt aus der Europäischen Union vollzieht sich in guter Ordnung, vertragsmässig abgesichert. Die britische Wirtschaft hat weiterhin Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Per sofort aufgehoben ist aber die Personenfreizügigkeit, die Rechtsübernahme und die Anerkennung des EU-Gerichts.

Selbstbestimmung als Ziel 

Es besteht kein Zweifel: Dieser Brexit hat grosse Auswirkungen auf die schweizerische Diskussion rund um den Abschluss des geplanten Rahmenabkommens mit der EU. Der Erfolg der britischen Diplomatie zeigt schonungslos auf, wie schlecht unsere Verhandler die Unabhängigkeit der Schweiz und unser nationales Dasein ausserhalb der EU verteidigt haben.

Heute geht es der Economiesuisse, der Mehrheit der Freisinnigen und einigen Branchenverbänden einzig darum, keinerlei – auch noch so geringe – Einschränkungen beim Zugang zum EU-Binnenmarkt in Kauf nehmen zu müssen.  Diese Sicht ist völlig eindimensional und würde die Schweizer Selbstbestimmung, die direkte Demokratie und letztlich die hiesige Volksherrschaft beenden.  Unsere Energiestrategie zum Beispiel setzt bewusst auf Importe und begibt sich so in eine unhaltbare Abhängigkeit eines Rahmenvertrags.

Skepsis nimmt zu

In der FDP melden sich prominente Skeptiker zu Wort. Die CVP (neuerdings Die Mitte) besinnt sich vermehrt auf ihre föderalistischen Wurzeln und hat ihrer früheren EU-Begeisterung abgeschworen. Schienen die Linken bislang egoistisch einzig auf Nachverhandlungen beim Lohnschutz fixiert, äussert neuerdings Pierre-Yves Maillard als Präsident des Gewerkschaftsbunds ganz grundsätzliche Bedenken bezüglich der Rechtsübernahme. Nicht parteigebundene, bei FDP und CVP heimatlos gewordene Unternehmer gründen machtvolle, auch finanziell potente Vereinigungen, die den Kampf gegen ein Rahmenabkommen aufnehmen wollen.

Mit Grossbritannien hat nicht irgendein Mitglied der EU den Rücken gekehrt. Es handelt sich hier um die zweitwichtigste Wirtschaftsmacht Europas, um ein früheres globales Empire, das mittels Commonwealth in gewissem Sinn noch immer die ganze Welt umspannt. In England liegt hinter New York das grösste Finanzzentrum. Grossbritannien wird sich vermehrt auf die rasch wachsenden Märkte in Asien und Amerika ausrichten. Und was Bildung und Forschung betrifft, hinkt jede Institution in der EU den britischen Spitzenuniversitäten meilenweit hinterher.

Der Bundesrat wäre gut beraten, die Sackgasse Richtung immer engere EU-Integration zu verlassen. Aussenminister Cassis hat schon zu Beginn seiner Amtszeit den Reset-Knopf drücken wollen. Er muss es jetzt nur endlich tun.

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