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Die Neutralität gehört in die Bundesverfassung

Die immerwährende bewaffnete Neutralität der Schweiz ist im Volk tief verankert. Dies belegen regelmässige Umfragen. Trotzdem ist höchste Wachsamkeit nötig. Einige Exponenten aus Wissenschaft und…

Pirmin Schwander
Pirmin Schwander
Nationalrat Lachen (SZ)

Die immerwährende bewaffnete Neutralität der Schweiz ist im Volk tief verankert. Dies belegen regelmässige Umfragen. Trotzdem ist höchste Wachsamkeit nötig. Einige Exponenten aus Wissenschaft und Kunst versuchen seit Jahrzehnten, die Neutralität als unmoralisches Verhalten darzustellen. Diese Kritiker haben bis jetzt bei der Neutralitätsabschaffung wenig ausgerichtet. Gefährlicher ist die permanente Aushöhlung des Kerninhalts der Neutralität durch die politischen Behörden.

Ähnlich wie die Politik des schleichenden EU-Beitritts wird der Neutralität schleichend ihre Substanz entzogen. Der Bundesrat reduziert die Neutralität auf die Erfüllung der völkerrechtlichen Pflichten eines neutralen Staates (u.a. keinen Krieg führen). Aus diesem Grund vertritt das Eidgenössische Aussendepartement EDA die Ansicht: „Die Neutralität ist grundsätzlich weder ein Hindernis zur Teilnahme an wirtschaftlichen Sanktionen noch zur Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen (UNO) oder der Europäischen Union (EU). Sogar ein militärischer Einsatz bei Friedensoperationen, der durch die UNO oder die Konfliktparteien autorisiert wurde, ist mit der Neutralität vereinbar.“ (Quelle: eda.admin.ch).

Die Neutralitätspolitik wird vorsätzlich vernachlässigt. Gerade dies bedroht die Glaubwürdigkeit der immerwährenden bewaffneten Neutralität. Denn die Neutralitätspolitik zeigt, mit welcher Zuverlässigkeit die Schweiz gegenüber allen Staaten ihre Aufgaben wahrnehmen will. In unserer Bundesverfassung finden wir keine Definition der Neutralität. Die Artikel 173 und 185 weisen lediglich die Behörden an, die Neutralität zu wahren.

Realitätsverlust
Der Uno-Sicherheitsrat hat die „Völkergemeinschaft“ ermächtigt, alle nötigen Massnahmen zu ergreifen, um Zivilisten in Libyen, die von Gaddafi angegriffen werden, zu schützen. Die Uno-Resolution Nr. 1973 sagt, jedes militärische Eingreifen müsse dem Schutz von Zivilisten dienen. In der Zwischenzeit lässt auch das neutrale (!) Schweden seine Kampfflugzeuge mitfliegen. Derweil erklärte Frau Bundesrätin Calmy-Rey: „Ich würde das nicht als Krieg bezeichnen.“ Da stellt sich natürlich die Frage, was Krieg für unsere Landesregierung bedeutet: eine humanitäre Waffenschau? Da tobt ein Bürgerkrieg, dank Uno-Bomben rücken Rebellen gegen Gaddafi vor. Es werden Zivilisten getötet, Regierungseinrichtungen und Infrastruktur zerstört. Bereits wird zugegeben, dass Bodentruppen im Einsatz seien. Dient das dem Schutz der Zivilbevölkerung? Ist das kein Krieg? Keine Parteinahme? Der Bundesrat erlaubt die Durchfahrt von britischen Militärfahrzeugen und den Überflug ausländischer Kampfflugzeuge. Und das sei mit der Neutralität vereinbar, weil zehn Staaten im Uno-Sicherheitsrat beschlossen haben, humanitär zu sein.

Verankerung in der Bundesverfassung
Es ist höchste Zeit, die Neutralität in der Bundesverfassung inhaltlich zu verankern. Die AUNS hat diese Forderung kürzlich gestellt. Dies ist umso dringender, weil behauptet wird, eine EU-Mitgliedschaft sei mit der Neutralität vereinbar. Wer die Diskussion in Österreich verfolgt, wird zugeben müssen, eine ehrliche Neutralität hat in der EU keinen Platz. Wer eine gemeinsame Sicherheits-, Verteidigungs-, Handels- und Visapolitik (Schengen!) übernehmen muss, wird von Dritten nicht mehr als Neutraler identifiziert.
Die Schweiz hat eine andere Rolle zu übernehmen. Sie hat sich der humanitären Hilfe – ohne Kriegseinsatz – und einer aktiven Friedensdiplomatie auf der Grundlage einer gelebten Neutralität zu verpflichten. Deshalb ist der EU-Beitritt kompromisslos abzulehnen und die Neutralitätserklärung gegenüber der Uno muss neu und präzis erfolgen.

 

Pirmin Schwander
Pirmin Schwander
Nationalrat Lachen (SZ)
 
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