Referat

Wirtschaftliche und finanzpolitische Realitäten der EU

Seit ich kurz nach der historischen Wende im Januar 1991, also vor bald 17 Jahren, meinen Tätigkeitsschwerpunkt nach Deutschland in das Gebiet der neuen Bundesländer verlegt habe, frage ich mich wiede

Seit ich kurz nach der historischen Wende im Januar 1991, also vor bald 17 Jahren, meinen Tätigkeitsschwerpunkt nach Deutschland in das Gebiet der neuen Bundesländer verlegt habe, frage ich mich wiederholt, ob die EU ein für Europa sinnvolles Gebilde ist oder nicht.

Global und aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel Europas heraus betrachtet sage ich mir: ja. Es ist gut, dass die europäischen Staaten zusammengerückt, Handelshemmnisse abgebaut, eine gemeinsame Währung geschaffen und nach aussen gegenüber den Wirtschaftsräumen in Amerika, Asien oder anderen Regionen mit einer mehr oder weniger einheitlichen Stimme auftreten können. Dies gilt im Speziellen für Deutschland, welches als EU-Zugpferd nicht nur der größte Zahler, sondern aus meiner Sicht auch gleichzeitig der größte Profiteur ist.

Ich glaube auch, dass, wenn man verstehen will, wie die EU funktioniert, man Deutschland kennen sollte. Deutschland hat es geschafft, viele seiner staatlichen Mechanismen, bürokratischen Strukturen und politischen Denkweisen erfolgreich in den EU-Apparat zu implementieren.

Trotz bestehendem Föderalismus ist Deutschland im Vergleich zur Schweiz bedeutend zentralistischer organisiert. Das gilt auch für die EU, welche sich konsequent in Richtung zentralistisch geführte Staatengemeinschaft entwickelt. Dieses zentralistische Denkmuster ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht etwa verordnet worden, sondern entspricht im Kern ihrer inneren Einstellung. Mit anderen Worten: Bei auftretenden Problemen wird sehr schnell und mit Nachdruck nach einer von oben erlassenen Massnahme verlangt.

Wenn Sie die Mitglieder der EU anschauen, dann stellen Sie fest, daß dieser Zentralismus historische Wurzeln hat. Ob Deutschland, Frankreich, Italien, England, Belgien, Holland, Luxemburg: Das sind alles Länder, welche teilweise über Jahrhunderte zentralistisch geführt und geleitet worden sind. Es ist also nur normal, daß sich die EU auch in diese Richtung entwickelt hat, allen gegenteiligen Äusserungen und Zusicherungen hoher Politiker zum Trotz!

Deutschland selber verfügt über eine äusserst starke, dynamische und innovative Wirtschaftskraft. Aus meiner persönlichen Sicht ist die Wirtschaft allerdings nicht dank der eigenen innenpolitischen Rahmenbedingungen so erfolgreich, sondern trotz diesen politischen Einflüssen. Es wäre für die Schweiz daher nicht klug, sich dort die Vorbilder zu suchen.

Dies ist für mich beispielsweise auch daran erkennbar, wie Deutschland als Staat mit seinen eigenen Finanzen umgeht. Wenn in Deutschland vom Sparen die Rede ist, dann ist der „kleine“ Mann auf der Straße, der Normalbürger aufgefordert seinen berühmten Gürtel doch etwas enger zu schnallen. Und damit möchte ich überleiten zum:

Vergleich Deutschland – Schweiz
Wenn in der Schweiz Sparen angesagt ist, dann ist primär die öffentliche Hand damit gemeint. Und dies gilt auf kommunaler, kantonaler und Bundesebene. Wir haben Kantone, wie beispielsweise den Kanton St. Gallen, wo entsprechende Gesetze einen ausgeglichenen Haushalt zwingend vorschreiben. Auch gemäss Bundesverfassung Art. 126 hat der Bund seine Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht zu halten. In Deutschland wäre so etwas zurzeit undenkbar.

In Deutschland hat sich ein Schuldenberg angehäuft, welcher von der jetzigen Generation nicht mehr selber getilgt werden kann und auf die nächsten Generationen übertragen werden muss. Wenn Sie dann noch die demographische Entwicklung Deutschlands anschauen, dann wird es immer unverantwortlicher, dieses Problem auf die nächsten Generationen zu verschieben. Hier wäre wiederum aus Schweizer Sicht ein rigoroser Sparkurs des Staates angesagt. Doch dies ist mit den politischen Gegebenheiten in Deutschland faktisch nicht möglich. Dies unabhängig davon, welche Partei gerade das Sagen hat und die Regierung stellt.

Der Grad an Bürokratismus für die Wirtschaft in der Schweiz entspricht in etwa der Wunsch- und Traumvorstellung eines deutschen Mittelständlers. Dabei spielt nicht nur der administrative Aufwand für einen Klein- oder Mittelständler eine Rolle, sondern auch die Stellung und das Ansehen, welcher ein Unternehmer in der Öffentlichkeit, bei Behörden und speziell beim Finanz- und Steueramt geniesst.

Was ist es denn, was Schweizer Unternehmer und Unternehmen trotzdem nach Deutschland zieht? Nun, es werden verschiedene Gründe sein. Einer der wichtigsten ist der Zugang zu einem bedeutend grösseren Binnen-, aber auch Exportmarkt. Deutschland ist nicht zufällig mehrfacher Exportweltmeister. Sich als Schweizer Unternehmen in die bestehenden regionalen und nationalen Netzwerke und Cluster Deutschlands einzubinden kann enorme Vorteile bringen. Zudem geniesst die Exportindustrie bei der Deutschen Regierung einen sehr hohen Stellenwert. Dabei spielt das Aussenministerium eine ganz wichtige und zentrale Rolle im Sinne eines diplomatischen Türöffners und Wegbegleiters für die deutsche Wirtschaft im Ausland. In diesem Punkt könnte die Schweiz von Deutschland noch einiges lernen.

Qualitäten der Schweiz als Unternehmensstandort
Was hat die Schweiz, was Deutschland nicht hat oder was macht die Schweiz besser? Als einen wichtigen Aspekte gilt für mich etwas ganz einfaches: die Grösse der Schweiz. Diese verschafft ihr gegenüber Deutschland einige Vorteile: Der Markt ist viel transparenter. Das erleichtert den Dialog unter einander, fördert Kooperationen und gemeinsame Innovationen mit Unternehmen und Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen.

Zudem verfügt die Schweiz über eine vergleichsweise hervorragend ausgebaute Infrastruktur. Dies nicht nur im Bereich des Verkehrs, sondern auch in Bereichen wie Forschung und Entwicklung, Ausbildung, Fachkräftepotential, Telekommunikation, Wohn- und Lebensqualität, stabile politische Verhältnisse, angemessene Steuerbelastungen, relativ geringer Bürokratismus usw.

Allerdings könnten diese Vorteile noch viel besser nach aussen kommuniziert werden. Der aktive, systematische und kontinuierliche Dialog mit unseren Wirtschaftspartnern könnte auf Schweizerseite noch optimiert werden. Hier liegt ein enormes, erst teilweise genutztes Potential. Und darin sehe ich auch in Zukunft noch vermehrt mögliche Aufgaben für uns Auslandschweizer.

Jeder 10. Schweizer wohnt im Ausland. Es ist allerdings eine sehr heterogene Gemeinschaft, welche beispielsweise bestehen kann aus: der Studentin, welche für 1 Jahr im Ausland studieren will, dem Kadermitarbeiter eines Schweizer Unternehmens, welcher die ausländische Niederlassung für einige Jahre führen soll oder dem argentinisch-schweizerischen Doppelbürger, welcher das Schweizer Bürgerrecht von seinem Grossvater geerbt hat. Die Gründe können also sehr vielschichtig sein. Dementsprechend ist auch das Wissen über die Schweiz und die Bereitschaft, sich ehrenamtlich für den bilateralen Dialog einzusetzen, sehr unterschiedlich.

In meinem Fall ist es so, daß ich neben meiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zurzeit mehrere ehrenamtliche Funktionen ausübe, welche sich alle ganz zentral mit dem Informationsaustausch und dem Dialog zwischen der Schweiz und Deutschland, und da wiederum speziell mit den neuen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, befassen. Im übrigen ist es diejenige Region, welche von namhaften Fachleuten als die zukunftsträchtigste Deutschlands und der EU betrachtet wird.

Mit dem Schweizerisch-Deutschen Wirtschaftsclub, ein Mitglied der Auslandschweizer Organisation, führen wir seit Jahren regelmässig Wirtschaftsanlässe durch, um mit Unternehmern, Wirtschaftorganisationen, Politikern und Behörden in den Dialog zu treten, Informationen auszutauschen, Türen zu öffnen, Hemmnisse und Vorurteile zwischen den Ländern zu beseitigen und die Schweizer Unternehmen vor Ort zu unterstützen.

Wie gesagt, handelt es sich um ehrenamtliche Funktionen. Wir haben aber begonnen, vermehrt auch politische Verantwortungsträger aus der Schweiz zu Veranstaltungen in unsere Region einzuladen.

Diese Besuche nutzen wir möglichst auch dazu, um die Kontakte zu den Wirtschaftsministerien, den Staatskanzleien, den Industrie- und Handelskammern, Regierungspräsidien, Landratsämter, etc. in unserer Region weiter aufzubauen und zu pflegen. Diese Form, uns für die Schweizer Interessen im Ausland einzusetzen, hat sich aus meiner Sicht sehr bewährt.

Ein direkter Vertreter von uns Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern im National- oder Ständerat wäre sehr sinnvoll und für die Schweiz in vieler Hinsicht nützlich: Seine Aufgabe könnte zum Beispiel sein, den Informationsaustausch und Dialog zwischen den Schweizerinnen und Schweizern im In- und Ausland zu verbessern. Es müsste daher jemand sein, der das Auslandschweizersein selber lebt, und den berühmten Blick von aussen einbringen könnte. Denn wichtig für die Schweiz ist nicht nur wie sie sich selber sieht, sondern auch, wie sie von Dritten gesehen wird. Und damit komme ich zu meinem letzten Punkt:

Die Schweiz als international konkurrenzfähiger Wirtschaftplatz
Die internationale Konkurrenzfähigkeit der Schweiz ist nach wie vor sehr gut. Allerdings laufen wir Gefahr, diese Vorteile zu verlieren. Die Angriffe der EU auf unser Bankkundengeheimnis oder das föderale Steuersystem sind nur Beispiele dafür. Weitere werden mit Sicherheit folgen. Dabei interessiert es die EU sehr wenig, dass damit unsere direkte, föderale Demokratie auf dem Spiel stehen könnte. Der EU geht es ausschliesslich um Eigeninteressen. Das ist etwas, was die Schweiz etwas stärker berücksichtigen sollte.

Ob das Bankkundengeheimnis, moderate Steuern, ein relativ geringer Bürokratismus, usw., all das ist Ausdruck unseres politischen Systems, der direkten Demokratie. Dieses System der direkten Demokratie gilt es zu erhalten, weiterzuentwickeln aber auch zu verteidigen. Es ist der beste Garant, dass die Schweiz auch weiterhin international konkurrenzfähig bleibt. Allerdings ist dies innerhalb der EU nicht möglich. Somit bleibt der Schweiz die einzige Alternative, ihren Weg selbständig, unabhängig und neutral zu gehen.

Dabei ist ein aktiver, zielgerichteter und systematischer Dialog speziell mit der EU, aber auch mit den anderen Staaten dieser Welt sehr wichtig und für die Zukunft und die weitere Entwicklung der Schweiz entscheidend. Dabei können wir Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer noch optimaler eingebunden werden, zum Beispiel durch Einsitznahme in den National- und Ständerat.

 
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