Das Bundesparlament hat im Juni knapp die Einführung der Individualbesteuerung angenommen. Neu soll jeder Ehegatte einzeln eingeschätzt werden und eine eigene Steuerrechnung erhalten. Die grosse Mehrheit der Kantone möchte diese Verkomplizierung für Ehepaare und Behörden vermeiden und bei der gemeinsamen Veranlagung bleiben. Die Referendumsfrist läuft. Das Stimmvolk sollte über diese einschneidende Vorlage entscheiden können.
Die Abschaffung der Heiratsstrafe bei der direkten Bundessteuer ist ein nachvollziehbares Anliegen. Doch die grosse Mehrheit der Kantone unterstützt den vom Bundesparlament eingeschlagenen Weg nicht und will die Ehegatten nicht auseinanderzudividieren. Die Individualbesteuerung erhöht die Komplexität für Steuerpflichtige und Behörden, führt zu neuen Ungleichheiten zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren und bewirkt eine hohe Belastung der öffentlichen Haushalte. Die gemeinsame Veranlagung der Ehegatten, wie wir sie heute kennen, ist vorzuziehen.
In der abstrakten Diskussion um die Individualbesteuerung geht manchmal vergessen, wie einschneidend der Systemwechsel konkret wäre. Es geht nicht nur um die rund 1.7 Millionen zusätzlichen Steuererklärungen, die die Kantone zu verarbeiten hätten. Die Individualbesteuerung erfordert, dass neben dem Bund auch sämtliche 26 Kantone die gemeinsame Besteuerung der Ehegatten abschaffen, und dass sie ihre eigenen Steuertarife und die Sozialabzüge neu festgelegen müssen. Würden die Kantone für die einzelnen Ehegatten einfach ihre Steuertarife für Alleinstehende anwenden, wären die Verwerfungen wegen der Steuerprogression im Vergleich zu heute massiv. Je ungleicher die Einkommen zwischen den Ehegatten verteilt sind, desto grösser wäre die Mehrbelastung für das Paar. Für viele Steuerpflichtige ist die direkte Bundessteuer nur die Spitze des Eisbergs der eigenen Steuerrechnung.
Noch kaum im Blickfeld der Öffentlichkeit ist zudem, dass sich die Kantone auch für die Bemessung von staatlichen Beiträgen wie den Prämienverbilligungen auf das gemeinsame Einkommen der Ehegatten stützen. Ein Wechsel auf die Methode «Individuell» hätte gerade bei diesen staatlichen Beiträgen ungeahnte Folgen. Soll zum Beispiel eine nicht erwerbstätige Millionärsgattin die maximale Prämienverbilligung erhalten? Das wäre kaum erwünscht. Anpassungen drängten sich also bei diesen Beiträgen auf. Somit sind die finanziellen Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die einzelnen Kantone insgesamt noch völlig offen.
Die finanzpolitische Ausgangslage ist derzeit für den Bund und auch für viele Kantone nicht rosig. Das Preisschild für den Wechsel zur Individualbesteuerung beträgt rund 600 Mio. Franken allein beim Bund. Aus all diesen Gründen empfahl die Finanzdirektorenkonferenz ihren Mitgliedern, das Kantonsreferendum zu ergreifen. Die Reform ist von so grosser Tragweite, dass die Stimmbevölkerung das letzte Wort haben sollte.