Die SVP hat heute ihre Vernehmlassungsantwort eingereicht. Auf 200 Seiten deckt sie die Fehler und Folgen des EU-Unterwerfungsvertrags auf. Fraktionspräsident Thomas Aeschi erklärt in einem offenen Brief an Bundesrat Cassis, was die Schweiz ausmacht und warum wir keine Demokratie von Brüssels Gnaden wollen.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Cassis
Es geht um die Schweiz.
Es geht darum, was unser Land ausmacht.
Es geht um die politische Seele der Schweiz, die mehr ist als die Summe von Gesetzen, Paragraphen und Verordnungen.
Und es geht darum, dass dieser geplante EU-Vertrag das politische, historische und geistige Fundament der Schweiz zerstört.
Die Schweiz ist ein wundersames Gebilde. Es beginnt mit der Bezeichnung. Offiziell heisst die Schweiz nicht Schweiz, sondern Schweizerische Eidgenossenschaft – und weil die Schweiz vielsprachig ist und darauf bedacht, keine Sprachgruppe zu übergehen, hat man sich auf die gemeinsame lateinische Formel Confoederatio Helvetica verständigt. Täglich sichtbar an den CH-Klebern an Schweizer Fahrzeugen. Die Autokennzeichen wiederum markieren die kantonale Zugehörigkeit des Fahrzeughalters.
Damit sind wir mitten im Sonderfall Schweiz. Wir sind Schweizerinnen und Schweizer, aber immer auch Tessiner oder Genferin oder Zürcher oder sonst ein Kantonsangehöriger. Die Bezeichnung Schweizerische Eidgenossenschaft verweist auf die historischen Wurzeln unseres Landes und sie definiert uns als Staat und als föderalistisches Gemeinwesen.
Der erste Artikel der Bundesverfassung trägt den Titel «Schweizerische Eidgenossenschaft» und löst anschliessend auf, was darunter zu verstehen ist: «Das Schweizervolk und die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft.»
Der oberste Souverän ist das Schweizervolk
Volk und Stände (Kantone) bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft. Sie ergeben zusammen die gesetzgebende Kraft in unserem Land: In Form der direkten Demokratie – mit Initiativen und Referenden – wie auch in Gestalt der repräsentativen Demokratie. National- und Ständerat sind die Vertretung des Schweizer Volkes beziehungsweise der Kantone. Jedes Gesetz braucht die Zustimmung beider Kammern – und die Zustimmung der Bevölkerung: entweder stillschweigend oder an der Urne durch ein Referendum. Diese demokratische Mischung ist weltweit einzigartig.
Kurz: Der oberste Souverän und Gesetzgeber ist das Schweizervolk.
Das vorliegende EU-Vertragspaket steht im totalen Widerspruch zu den Grundlagen der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Mehr noch: Dieser Vertrag zerstört das Wesen der Schweiz. Warum?
Im Gegensatz zu den bisherigen bilateralen Verträgen handelt es sich beim geplanten EU-Vertragspaket um ein institutionelles Abkommen. Konkret heisst das: Die schweizerischen Institutionen haben sich den EU-Institutionen unterzuordnen. Das Schweizer Volk als oberster Souverän und Gesetzgeber wird entmachtet – und die Kantone werden degradiert.
Fremdes Recht und fremde Richter
Das Hauptproblem dieses EU-Vertragspakets ist die zwingende Übernahme von fremdem Recht und fremden Richtern. Bei der Inkraftsetzung übernimmt die Schweiz auf einen Schlag 20’000 Seiten EU-Erlasse. Zudem verpflichtet sich die Schweiz, in Zukunft alles zu übernehmen, was die EU beschliessen wird. Und zwar in unseren fundamentalen Lebensbereichen Zuwanderung, Landverkehr, Lebensmittel, Strom, Gesundheit, etc.
Nicht mehr der Schweizer Souverän (Volk und Stände) wäre unser oberster Gesetzgeber, sondern die EU. Für die Rechtsauslegung wäre künftig der EU-Gerichtshof zuständig. Bei Streitfällen ist das Urteil des EuGH «bindend». Widersetzt sich die Schweiz dem EuGH drohen sogenannte «Ausgleichsmassnahmen» seitens der EU. Die EU bekommt mit diesem Vertrag die rechtliche Hoheit, nicht-genehme Entscheidungen der Schweiz – ob Parlament oder Volk – zu bestrafen.
Das zu übernehmende Recht gilt nicht nur für Exporte in die EU, sondern für alle Personen und Unternehmen in der Schweiz – in unserem Alltag! Selbst die in der Schweiz hergestellte und verkaufte Erdbeerkonfitüre müsste die EU-Vorgaben im Lebensmittelrecht erfüllen. Mit diesem Vertragspaket und seinen institutionellen Verpflichtungen sind wir der EU ausgeliefert und verlieren unsere Selbstbestimmung, unsere Demokratie und unseren Föderalismus.
Das EU-Vertragspaket bedeutet: Fremdes Recht, fremde Richter, willkürliche Strafen und regelmässige Tributzahlungen, deren Höhe die EU festlegt. Das sind kolonialstaatliche Verhältnisse. Die SVP Schweiz lehnt diesen EU-Unterwerfungsvertrag entschieden ab.
Schwur auf die Bundesverfassung
Artikel 1 der Bundesverfassung definiert die Schweizerische Eidgenossenschaft, Artikel 2 den Zweck: «Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.»
Es geht ums nichts weniger als die Wahrung der Freiheit, Sicherheit und Unabhängigkeit, um den Schutz der demokratischen Volksrechte. Auf diese Bundesverfassung haben Sie und Ihre Bundesratskolleginnen und -kollegen geschworen: «Ich schwöre vor Gott dem Allmächtigen, die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes gewissenhaft zu erfüllen.»
Das vorliegende EU-Vertragspaket steht im Widerspruch zur Bundesverfassung und zu Ihrem Schwur. Die Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz werden preisgegeben und die demokratischen Volksrechte ausgehöhlt. Unsere einzigartige Schweizer Demokratie soll zu einer Alibi-Demokratie von Brüssels Gnaden verkommen.
Der absolute Tiefpunkt ist der Vorentscheid des Bundesrates, dieses EU-Vertragspaket nicht einer obligatorischen Volksabstimmung zu unterstellen. Die Schweizerische Eidgenossenschaft soll ihre gesetzgeberische Souveränität verlieren, ohne dass sich die Schweizerische Eidgenossenschaft – also Volk und Stände – dazu äussern kann. Dieses Vorgehen missachtet alle demokratischen Gepflogenheiten unseres Landes.
«Lappi, tue d’Augen uf»
Als Mitglied des Bundesrates bewegen Sie sich fast täglich im Bundeshaus. Machen Sie die Augen auf, Herr Bundesrat.
Unser Parlamentsgebäude ist die architektonische Umsetzung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Im Zentrum steht die Kuppel. Im Inneren ist sie geschmückt durch ein Glasgewölbe. In der Mitte befindet sich das Schweizer Kreuz, drumherum sind die Kantonswappen wie ein Kranz angeordnet. Das ist Artikel 1 der Bundesverfassung in Stein und Glas: Das Schweizer Volk und die Kantone bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft.
Das Schweizer Kreuz trägt die Kuppel des Bundeshauses – und nicht zwölf gelbe Sterne auf blauem Grund. Im Ständerat verweist das Bild der Nidwaldner Landsgemeinde auf die urdemokratischen Wurzeln der Schweiz: Das Volk als direkter, unmittelbarer Gesetzgeber – und nicht Brüssel und seine Richter.
Im Nationalratssaal ist die «Wiege der Eidgenossenschaft» dargestellt: Rütliwiese, Brunnen, Schwyz. Wer ins Bundeshaus kommt, wird von den drei alten Eidgenossen empfangen. Ihre Hände sind zum Schwur ausgestreckt, darunter ist der Bundesbrief von 1291 mit seinen drei Siegeln zu erkennen.
Hier kommt alles zusammen: Vor über 700 Jahren haben sich die drei Talschaften von Uri, Schwyz und Unterwalden zusammengeschlossen mit einem klaren Ziel: Sie wollten selber bestimmen und einander beistehen. Der gleiche Geist findet sich im (Zweck-)Artikel 2 der Bundesverfassung wieder, in dem es um die Wahrung der Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit der Schweiz geht.
Freiheit oder Unterwerfung?
Der Kerngehalt des Bundesbriefes von 1291 lautet Freiheit statt Knechtschaft: Es ist ein Bündnis von gleichberechtigten Eidgenossen statt das bisherige und weiterhin drohende Untertanenverhältnis gegenüber den Habsburger Grafen. Das EU-Vertragspaket atmet den Untertanen-Geist, den unsere Vorfahren abgelegt haben.
Der Bundesbrief umfasst nur eine Seite Pergament. Aber alles Wesentliche ist drin. Die zentrale Botschaft lautet:
Wir wollen keine fremden Richter
Wir wollen keine fremden Herren
Wir wollen selber bestimmen!
Eine Seite – eine Botschaft. Die Wahrhaftigkeit braucht wenig Worte.
Der EU-Unterwerfungsvertrag ist das Gegenteil: Er umfasst mit allen Erklärungen 2’228 Seiten. Dazu kommen über 20'000 Seiten EU-Erlasse.
Wer etwas verbergen will, braucht viele Worte.
Wer etwas am Volk vorbeischummeln will, braucht Tausende Seiten EU-Gesetze, EU-Paragrafen, EU-Richtlinien, EU-Verordnungen.
Das EU-Vertragspaket ist in Wahrheit ein Unterwerfungsvertrag:
Wir bekommen fremde EU-Richter
Wir bekommen fremde EU-Gesetze
Wir verlieren unsere Freiheit
Wir verlieren unsere Schweizer Demokratie und Selbstbestimmung
Die zentrale Frage dieser Vernehmlassung lautet: Freiheit oder Unterwerfung?
Für die SVP ist die Antwort klar: Wir sagen Nein zum EU-Unterwerfungsvertrag und Ja zu einer freien und demokratischen Schweiz.
Sehr geehrter Herr Bundesrat Cassis, denken Sie an Ihren Schwur, an die Bundesverfassung und an die gemeinsame historische Verantwortung gegenüber unserem Vaterland.
Mit freundlichen Grüssen
Thomas Aeschi
Fraktionspräsident SVP Schweiz

Dienstag, 11. November 2025
 
         
         
        