Die Bedrohungslage ist ernst – die Schweiz braucht jetzt eine Gesamtverteidigungsstrategie

Die Bedrohungslage auf der Welt und in Europa hat sich massiv verschlechtert und es ist keine Besserung in Sicht, eher im Gegenteil. Es ist höchste Zeit, dass die Schweiz nun endlich die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte korrigiert. Die Gefahr für unsere Bevölkerung ist gewachsen und wir dürfen die Schutzmassnahmen nicht länger vernachlässigen. Wir müssen als bewaffnete neutrale Schweiz eine auf die aktuellen Entwicklungen ausgerichtete Gesamtverteidigungsstrategie entwickeln, um den Schutz der Menschen in unserem Land gewährleisten zu können.

Werner Salzmann
Werner Salzmann
Ständerat Mülchi (BE)

Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der Sowjetunion hofften viele auf eine friedliche Welt. Man glaubte, dass überall Demokratie und freie Märkte entstehen würden – angeführt von den USA. Diese hoffnungsvolle Vorstellung von dauerhaftem Frieden und weltweiter Zusammenarbeit hat sich als trügerisch erwiesen. Die Machtpolitik ist auch in der westlichen Welt zurück – mit voller Wucht. Wandel durch Handel sowie Glasnost und Perestroika sind Geschichte. Stärke, nationale Interessen, Ideologien und militärisches Potenzial bestimmen wieder das Weltgeschehen. Die grossen Mächte stehen wieder klar im Wettbewerb zueinander.

China ist längst mehr als eine Regionalmacht. Es wird wirtschaftlich und militärisch immer stärker und stellt die bisherige Weltordnung, die von den USA geprägt ist, in Frage. China will die Spielregeln ändern und eigene Interessen durchsetzen – mit Projekten wie der Neuen Seidenstrasse und neuen Bündnissen mit anderen Ländern. Bei der künstlichen Intelligenz und der Rüstung ist China schon heute ganz vorn.

Russland hat den Zerfall der Sowjetunion nie ganz akzeptiert. Es will seinen Einfluss zurück und den Westen, vor allem die NATO, bremsen. Trotz Problemen mit der Armee bleibt Russland ein wichtiger Machtfaktor – durch Rohstoffe, Verbindungen in Asien, Afrika und internationale Organisationen.

Die USA sehen ihre Führungsrolle bedroht, besonders durch China. Sie wollen ihre Vormacht behalten und setzen auf Stärke – wirtschaftlich, technologisch, militärisch und politisch. Seit 2017 gilt offiziell: Der Wettbewerb der Grossmächte ist zurück.

Die EU ist keine eigene Grossmacht. Sie ist nur verteidigungsfähig, wenn andere – vor allem die USA – sie unterstützen. Allein ist die EU kaum in der Lage, in einem bewaffneten Konflikt die Grenzen wirksam zu verteidigen.

Dies ist besonders verheerend, weil der Migrationsdruck an den europäischen Grenzen ohnehin schon auf Grund des Wohlstandsgefälles massiv ist. Mit der Verschärfung der Bedrohungslage nimmt dieser Druck noch zu. Weltweit gibt es über 100 Konflikte ober- und unterhalb der Kriegsschwelle, die namentlich in Afrika und Asien zu zusätzlichen Migrationsströmen führen. Diese führen auch zu zusätzlichen Bewegungen in Richtung Europa. Nicht nur kriminelle Schlepper nutzen die Weltlage für ihr Geschäftsmodell, auch Drittstaaten und Terrorgruppierungen instrumentalisieren die Migranten für ihre Zwecke. Migration ist längst zum machtpolitischen Mittel und zum Instrument der hybriden Kriegsführung geworden.
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die EU nicht nur überrascht, sondern mit einem Schlag klargemacht, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist. Neben den gravierenden wirtschaftlichen Folgen für Europa und die ganze Welt offenbart der Krieg in der Ukraine auch die grossen Mängel in der Verteidigungsfähigkeit Europas und der Schweiz.

Was die veränderte Bedrohungslage für die Schweiz bedeutet
Für die Schweiz hat die Verschärfung der Bedrohungslage ernste Folgen. Der Druck von aussen nimmt zu, die Schweiz auf die eine oder andere Seite zu ziehen. Unsere Neutralität gerät zunehmend unter Druck. Die Selbstversorgung ist ungenügend, dies bei wachsenden Ansprüchen der Bevölkerung an die Versorgung. Damit sind wir wirtschaftlich in hohem Masse verletzlich im Falle von unterbrochenen Lieferketten, Abhängigkeiten und Handelsbeschränkungen. Die Gefahr, in fremde Konflikte hineingezogen zu werden, nimmt zu.

Deshalb muss die Schweiz ihre Unabhängigkeit und Verteidigungsfähigkeit stärken, um die innere und äussere Sicherheit gewährleisten zu können. An alten Hoffnungen festzuhalten, ist gefährlich. Es braucht jetzt Klarheit, Mut zur eigenen Stärke und Selbstverteidigung sowie den Schutz der Neutralität.

Dabei ist zu bedenken, dass auch hohe Asyl-Zuwanderung unser Land sehr direkt belastet. Der einfache Zugang zum Asylverfahren öffnet Tür und Tor für die Gefährdung durch Terror und ideologische Unterwanderung. Die lasche Asylpolitik gefährdet zudem den sozialen Frieden und wird auch deshalb gezielt von anderen Staaten oder Banden genutzt, um Druck auszuüben. Es führt kein Weg mehr an einer restriktiveren Asyl- und Zuwanderungspolitik vorbei.

Die Problematik der Asyl- und Zuwanderungspolitik gehört deshalb mit in das dringend benötigte Gesamtverteidigungskonzept. Die Basis dieses Konzepts ist die Neutralität der Schweiz als strategische und sicherheitspolitische Notwendigkeit.

Weiter in das Konzept gehört die Ausrichtung der Sicherheitselemente wie Nachrichtendienst, Armee, Bevölkerungsschutz, usw. auf die gefährlichste Möglichkeit, auf den worst case! Der Bundesrat muss in der aktuellen Weltlage die Sicherheitspolitik als Hauptaufgabe des Bundes wahrnehmen und bei der Finanzierung entsprechend priorisieren. Denn ohne Sicherheit sind alle anderen Staatsaufgaben gar nicht mehr zu erbringen. Sicherheit ist nicht alles – aber alles ist nichts ohne Sicherheit.

Werner Salzmann
Werner Salzmann
Ständerat Mülchi (BE)
 
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