Vernehmlassung

Änderung des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (Prämienverbilligung) als indirekter Gegenvorschlag zur eidgenössischen Volksinitiative «Maximal 10 % des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)»

Die SVP Schweiz lehnt die unterbreitete Änderung des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung ab. Sie schiesst wie die Prämien-Entlastungs-Initiative weit über das Ziel hinaus. Bund und Kantone stellen bereits heute ausreichende Mittel zur Verfügung. Allein im Jahr 2019 richteten Bund und Kantone individuelle Prämienverbilligung (IPV) im Umfang von 4’973 Mio. Franken aus. Ein weiterer Ausbau der IPV, wie ihn sowohl die Prämien-Entlastungs-Initiative als auch der indirekte Gegenentwurf vorsieht, ist abzulehnen.

Die SVP Schweiz teilt die Ansicht, dass der allgemeine Kostenanstieg im Gesundheitswesen langfristig finanziell nicht tragfähig ist und Massnahmen ergriffen werden müssen, um den steigenden Kosten im Gesundheitswesen entgegenzuwirken. Unbestritten ist ausserdem, dass die OKP-Prämien seit rund zwanzig Jahren stark angestiegen sind und der Anstieg die Haushalte mit tiefen Einkommen stark belastet. In Anbetracht dessen anerkennt die SVP, dass Haushalte mit tiefen Einkommen staatliche Unterstützung in Form der IPV benötigen. Dem Kostenanstieg im Gesundheitswesen kann nur Einhalt geboten werden, indem Qualität, Transparenz, Kostenwahrheit und Eigenverantwortung gestärkt werden. Dies setzt voraus, dass die Leistungsempfänger ihren Anteil an den Kosten tragen müssen. Ansonsten droht eine Übernutzung des Gesundheitswesens. Ein Ausbau der IPV ist unter diesem Aspekt kritisch zu beurteilen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die SVP die Prämien-Entlastungs-Initiative ablehnt. Sie schiesst weit über das Ziel hinaus. Die Volksinitiative setzt die Mittel weder gezielt ein, noch ist sie langfristig finanziell tragbar. Die einmaligen und wiederkehrenden Mehrkosten auf Bundesebene (3,6 Mrd. bzw. 500 Mio.) sind in der aktuellen finanziell angespannten Situation nicht zu verantworten. Die Prämien-Entlastungs-Initiative basiert auf der fälschlichen Annahme, dass mehr Geld für die IPV zur Verfügung gestellt werden müsse, weil die bisherigen Mittel nicht ausreichend seien. Dieses Verdikt entspricht nicht der Realität. Bund und Kantone stellen bereits heute genügend finanzielle Mittel zur Verfügung. Allein im Jahr 2019 richteten Bund und Kantone IPV im Umfang von 4’973 Mio. Franken aus. Die ausbezahlten Beträge haben sich seit 1996 (1’467,2 Mio. Franken) mehr als verdreifacht. Die Bezügerquote beträgt seit der Einführung im Jahr 1996 konstant über 25 Prozent. Die ausgewiesenen Kantonsanteile lagen zwischen 10,9 und 65,6 Prozent, im Durchschnitt bei 43,1 Prozent. Seit 1996 hat sich der durchschnittliche Kantonsanteil von 19,6 Prozent auf 43,1 Prozent mehr als verdoppelt. Der Bundesanteil ist in jedem Kanton substanziell erhöht worden. Zudem geben verschiedene Kantone heute deutlich mehr für die IPV aus. Andere Kantone haben die Ausgaben gesenkt. Insofern besteht kein einheitliches Bild zwischen den Kantonen, das ein Einschreiten des Bundes unbedingt notwendig machen würde. Ein weiterer Ausbau der IPV, wie ihn sowohl die Prämien-Entlastungs-Initiative als auch der indirekte Gegenentwurf vorsieht, ist abzulehnen.

 

Bestehende Instrumente reichen aus

Bereits nach geltendem Recht richten die Kantone Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen aus. Ausserdem verpflichtet Art. 65 Abs. 1bis KVG die Kantone, für untere und mittlere Einkommen die Prämien der Kinder und jungen Erwachsenen in Ausbildung um 80 Prozent bzw. 50 Prozent zu verbilligen. Zudem werden die Ausgaben für OKP-Prämie gemäss Art. 10 Abs. 3 Bst. d ELG bei der Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen angerechnet. Hinzu kommt, dass die Sozialhilfe den Teil der Prämie übernimmt, der nicht mit der Prämienverbilligung bezahlt wird. Die Haushalte mit tiefen Einkommen bezahlen somit bereits heute sehr tiefe OKP-Prämien.

 

Kein taugliches Mittel zur Entlastung des Mittelstandes

Die ursprüngliche Aufgabe der IPV bestand darin, Personen mit geringer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit finanziell zu unterstützen. Mittlerweile wird die IPV rund 27 Prozent der Versicherten (2019) ausbezahlt. Der durchschnittliche Betrag pro Haushalt betrug im Jahr 2019 rund 1’300 Franken.[1] Die IPV hat somit ein Ausmass erreicht, dass nicht mehr nur «die Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen», sondern immer weitere Kreise der Bevölkerung in den Genuss der IPV kommen. In rund der Hälfte aller Kantone profitiert auch der Mittelstand von der IPV. Vereinzelt unterstützt die IPV sogar den oberen Mittelstand. Dies ist nicht Sinn und Zweck der Prämienverbilligung. Die Umverteilung ist zudem nicht zwingend zielkonform.

Eine Entlastung des Mittelstandes hat aus Sicht der SVP nicht über die IPV, sondern über die Steuern zu erfolgen – etwa durch den vollständigen Abzug der geleisteten Krankenkassenprämien. Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass der Mittelstand die IPV mit seinen Steuern und Abgaben mitfinanziert. Eine Erhöhung der IPV würde zugleich den Finanzbedarf ansteigen lassen, so dass dem Mittelstand von der Erhöhung wenig übrigbleibt. Die Last würde sich somit nur von den OKP-Prämien zu den Steuern und Abgaben verschieben.

 

Subsidiaritätsprinzip beachten

Auch staatspolitische Gründe sprechen dagegen, dass sich der Bund zusätzlich in die Ausrichtung der IPV einmischt. Die Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben haben sich am Subsidiaritätsprinzip (Art. 5a BV) und dem Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz (Art. 43a BV) auszurichten. Der Bund soll nur Aufgaben übernehmen, welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung bedürfen. Eine einheitliche Regelung der IPV ist nicht erforderlich. Die Kantone sind grundsätzlich besser geeignet als der Bund, bedarfsgerecht die IPV auszurichten, da sie besser über die Bedürfnisse der eigenen Wohnbevölkerung Bescheid wissen. Die Kantone sollten aus staatspolitischen Gründen mehr und nicht weniger Mitsprache bei der Ausrichtung der IPV haben. Der indirekte Gegenentwurf würde die Kantone hingegen einschränken und verpflichten, einen Mindestbeitrag zu leisten.

Die Aufgabenverflechtung im Bereich der IPV bewirkt, dass weder Bund noch Kantone die volle finanzielle Last ihrer Entscheidungen tragen müssen. Solange sich der Kreis der Nutzniesser nicht mit dem Kreis der Kosten- und Entscheidungsträger deckt, wird die ausgerichtete IPV ineffizient sein. Um die IPV möglichst effizient auszurichten, wären die Möglichkeiten der Entflechtung hin zu den Kantonen zu prüfen.

 

Gestatten Sie uns ausserdem die folgenden Anmerkungen zu den Artikeln des vorliegenden Entwurfs:

 

Art. 65 Abs. 1ter:

Der indirekte Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative sieht vor, dass jeder Kanton die Prämienverbilligung so regelt, dass diese pro Kalenderjahr gesamthaft einem bestimmten Mindestanteil der Bruttokosten der OKP der Versicherten entspricht, die ihren Wohnsitz im Kanton haben. Die vorgeschlagene Abstufung des Mindestanteils bewirkt, dass Kantone mit einer einkommensschwachen Wohnbevölkerung einen höheren Prozentsatz der Bruttokosten übernehmen müssen als Kantone, die über eine wohlhabende Wohnbevölkerung verfügen. Die Abstufung des Mindestanteils löst das Problem der hohen OKP-Prämien nicht, sondern verlagert lediglich die Problematik. Jene Kantone, die aufgrund der höheren Kosten mehr IPV ausrichten müssen, haben aufgrund des höheren Mindestanteils Mehrausgaben, die sie an anderer Stelle kompensieren müssen. Ihr finanzpolitischer Gestaltungsspielraum nimmt dadurch ab. Sofern nicht andere Ausgaben zurückgestellt werden, müssen jene Kantone die Steuern erhöhen, was wiederum zu einer Mehrbelastung der Bevölkerung führt und die Attraktivität im Steuerwettbewerb senkt.

 

Art. 65 Abs. 1quater:

Art. 65 Abs. 1quater sieht eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat vor. Er soll die massgebenden Prämien bestimmen und regeln, wie die Bruttokosten, das verfügbare Einkommen, die Prämien und der Durchschnitt nach Absatz 1ter von den Kantonen zu ermitteln sind. Wesentliche Parameter des indirekten Gegenentwurfs würden damit der unmittelbaren Kontrolle durch das Parlament entzogen. Aus Sicht der SVP muss die Mitsprache des Parlaments in politisch derart heiklen Fragen stets gewahrt bleiben.

[1] Ende 2019 gab es in der Schweiz rund 3.8 Mio. Privathaushalte.

 
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