Editorial

Die EU-Entwaffnungsrichtlinie: Von wegen pragmatisch und unbürokratisch…

Unser noch ziemlich freiheitliches Waffenrecht ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Letztmals in einem grösseren Rahmen, als das Stimmvolk im Jahr 2011 über die Volksinitiative „Für den Schutz vor Waffengewalt“ an die Urnen gerufen wurde. Verlangt wurde damals u.a. eine Registrierungspflicht für Feuerwaffen. Milizsoldaten, die im Kriegsfall bereit wären für unser Land zu sterben, hätten entwaffnet werden sollen. Gottlob wurde die Initiative mit 56.3% abgelehnt. Nun ist unser Waffenrecht erneut in Gefahr. Diesmal kommt die Bedrohung, wie könnte es anders sein, von der EU.

David Zuberbühler
David Zuberbühler
Nationalrat Herisau (AR)

Für etliche Gefühlswallungen sorgt aktuell die Verschärfung der EU-Waffenrichtlinie, die der EU-Ministerrat im April letzten Jahres beschlossen hat. Die Verschärfung ist zur Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen beschlossen worden. Dieses Ziel kann jedoch mit dieser Gesetzesgrundlage nicht erreicht werden. Weil aber die Änderung der EU-Waffenrichtlinie eine Erweiterung des Schengen-Besitzstandes darstellt, ist die Schweiz mehr oder weniger an die Beschlüsse der EU gebunden. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass der Bundesrat einen sehr grossen Handlungsspielraum gehabt hätte. Dies zeigt sich auch daran, dass nach der Vernehmlassung einige wesentliche Punkte entschärft wurden. Dennoch hat der Bundesrat am 2. März die Botschaft zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie in der Schweiz verabschiedet. Er will damit unser bewährtes Waffenrecht völlig grundlos in vielen Punkten verschärfen.

Mehr Bürokratie, weniger Sicherheit
Es erstaunt deshalb nicht, wenn u.a. auch eine grosse Mehrheit der Kantone bezweifelt, dass der Bundesrat den bestehenden Spielraum ausgeschöpft hat. Mit seiner sturen und wenig durchsetzungswilligen Grundhaltung gibt der Bundesrat „Forfait“ gegenüber der Europäischen Union. Unsere Landesregierung spricht gar von pragmatischer und unbürokratischer Umsetzung. Davon kann aber in keiner Weise die Rede sein. Im Gegenteil: Der Bundesrat hat einmal mehr einen sog. «Swiss Finish» daraufgesetzt. Er geht mit seinem Umsetzungsvorschlag also sogar noch über das EU-Diktat hinaus. Die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie – passender wäre „Entwaffnungsrichtlinie“ – in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Form hätte einen immensen Bürokratieausbau (Nachregistrierung, Bedürfnisnachweise, Schiesspflicht, Bestandteilmarkierung, Kontroll- und allgemeine Bearbeitungsaufgaben usw.) zur Folge. Polizistinnen und Polizisten, die bereits heute einen Grossteil ihrer Arbeit am Bürotisch aufbringen, würden praktisch an ihre Bürostühle gefesselt. Mit fatalen Folgen: Die öffentliche Sicherheit und Ordnung würde massiv darunter leiden. Die EU-Waffenrichtlinie und die Änderungen im eidgenössischen Waffengesetz wären nach dem aktuellen Vorschlag des Bundesrates für die Kantone nur mit der Schaffung eines grossen Kontroll- und Verwaltungsapparates umsetzbar. Mit grossen finanziellen Verpflichtungen wäre also zu rechnen.

Zur Terrorbekämpfung gänzlich ungeeignet
Die Schweiz war zum Glück schon seit Jahrzehnten kein Schauplatz eines Terrorattentats mehr. Und selbst die wenigen hierzulande verübten Attentate hätten mit keinem geltenden oder denkbaren Waffenrecht verhindert werden können. Auch wenn wir die Attentate von Paris, Brüssel oder Nizza betrachten, stellen wir fest, dass die Attentäter zwar auf dem Radar der Nachrichtendienste waren, sie konnten aber wegen Gesetzeslücken im Straf – bzw. Terrorgesetz nicht dingfest gemacht werden. Also ist hier Handlungsbedarf angezeigt! Was es sicher nicht geben darf, ist eine Schikanierung von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürger, indem diese alle unter General- bzw. Terrorverdacht gestellt werden. Wenn man das Vertrauen des Staates daran messen würde, wie freiheitlich das Waffenrecht ausgestaltet ist, wäre das Misstrauen unseres Staates gegenüber seinen Bürgern riesig.

Die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie wird nicht zur Verhinderung von Straftaten beitragen. Insbesondere terroristische Anschläge mit Feuerwaffen, die oftmals minutiös geplant werden, können durch das angestrebte Regelwerk auch in Zukunft nicht verhindert werden. Einer Person, die einen terroristischen Anschlag plant, würde es nämlich niemals in den Sinn kommen, ihre Waffe auf dem legalen Weg zu kaufen. Ihre Waffe würde sie auf dem Schwarzmarkt beschaffen. Und gegen diesen illegalen Handel hat die Polizei praktisch keine Handhabe. Die EU-Waffenrichtlinie ist deshalb nichts anderes als eine Scheinlösung.

Eine Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates ist am letzten Montag und Dienstag – gegen den Widerstand der SVP – mit 15 zu 9 Stimmen auf die Bundesratsvorlage zur Genehmigung und Umsetzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie eingetreten. Anträge auf Sistierung der Vorlage und auf Rückweisung an den Bundesrat wurden im gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Die Kommission beabsichtigt, am 14. und 15. Mai die Detailberatung abzuschliessen. Die SVP ihrerseits hat diverse Entschärfungsanträge eingereicht. Sollte die Kommission oder im Anschluss das Parlament den Handlungsspielraum nicht besser ausnutzen, ist die Unterstützung eines allfälligen Referendums aus Sicht der SVP in Betracht zu ziehen.

David Zuberbühler
David Zuberbühler
Nationalrat Herisau (AR)
 
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