Aus Wohlstandsverblendung die Schweiz preisgeben?

Liebe Parteifreunde! Nein, nein und nochmals nein! Unsere Schweiz ist kein Auslaufmodell. Unsere Schweiz muss auch nicht neu erfunden werden. Wenn ich Präsident der FDP oder der CVP, der SP, der Grünliberalen oder der Grünen – oder: ich halte mir die Nase zu – sogar der BDP wäre (zum Glück bin ich es nicht!), dann, meine Damen und Herren, würde ich mir mehr überlegen, diese Parteien neu zu erfinden, als dass die Schweiz neu erfunden werden muss.

Roger Köppel
Roger Köppel
Nationalrat Küsnacht (ZH)

Unsere Schweiz ist in vieler Hinsicht die Verwirklichung dessen, was so gut wie alle Menschen auf dieser Welt ersehnen, aber nicht haben: Frieden, Freiheit, Demokratie, Wohlfahrt, auch in sozialer Hinsicht, eine intakte Umwelt und Volksrechte, die den Bürgerinnen und Bürgern mehr Macht in die Hand geben als in jedem anderen Land der Welt.

Die Schweizer seien, schrieb Jean-Jacques Rousseau in seinem Klassiker «Gesellschaftsvertrag» bereits 1762, aufgrund ihrer Volksrechte «le peuple le plus heureux du monde», das glücklichste Volk der Welt.  Auf diesen Grundlagen hat sich die Schweiz, von Natur aus mausarm, ohne Bodenschätze, Kolonien und Meeranstoss, zu einem globalen, weithin bewunderten Sehnsuchtsort entwickelt. Die drei Staatssäulen der direkten Demokratie, des machtzertrümmernden Föderalismus und der immerwährenden bewaffneten Neutralität haben die Schweiz stark, reich und erfolgreich gemacht. Solange die Schweiz die Schweiz bleibt, hat sie nichts zu befürchten. Sie ist für die Zukunft bestens aufgestellt.

Stichwort Digitalisierung: Sie bringt mehr Transparenz und Macht für Konsumenten und Bürger. Mit der direkten Demokratie hat die Schweiz diese Entwicklung institutionell vorweggenommen.

Stichwort Bürgernähe: In vielen repräsentativen Demokratien beklagen die Leute die Abgehobenheit der Politik. Das schweizerische Modell sichert die weltweit grösste Nähe zwischen Staat und Bürger. Die Bürger sind die Chefs. Der Staat ist für die Menschen da, nicht umgekehrt.

Stichwort Realpolitik: Nach dem Ende des Kalten Kriegs kehrt die multipolare Machtpolitik zurück. Alle gegen alle. Die neutrale Schweiz bleibt in einem aufgepeitschten Ozean eine Insel relativer Ruhe und Vernunft. Neutralität heisst: Weltoffenheit, mit allen im Gespräch bleiben.

Stichwort Fehlkonstruktion: Der Glaube an möglichst grossräumige politische Gebilde zerfällt. Die Leute lechzen nach der Überschaubarkeit begrenzter staatlicher Gebiete. Grenzen begrenzen Macht. Ohne Grenzen gibt es keine Demokratie und keinen Rechtsstaat. Die Schweiz macht vor, wie es funktioniert.

Stichwort Multikulti: Die Schweiz ist ein Musterbeispiel gelebter, nicht verkopfter, am Reissbrett konstruierter, aufgezwungener Multikulturalität. Unterschiedliche Sprachgruppen, Mentalitäten und Konfessionen leben hier seit Jahrhunderten einvernehmlich miteinander. Warum? Weil man sich gegenseitig in Ruhe lässt. Die Schweiz ist auch eine Mahnung gegen den Integrations- und Identitätsfimmel im Gefolge der Völkerwanderung. Leben und leben lassen.

Stichwort Ökologie: Die Schweiz hat eine vielbewunderte schöne Naturlandschaft, weil die Schweizerinnen und Schweizer selber Sorge dazu tragen und die Umwelt pflegen, aber ohne Massenpanik, Sektierertum und pseudoreligiöse Weltbeglückungstheorien. Die Bauern, unter Beschuss von Ökomoralisten, sind Umweltpraktiker seit Jahrhunderten. Die Aktivisten, die selbstbetrunken den radikalen Systemumbau fordern, sollten emissionsarme Produkte der lokalen Landwirtschaft einkaufen. Das brächte mehr als fruchtlose Appelle des Verzichts, an die sie sich nicht mal selber halten.

Jede Generation hat die Aufgabe, diese Schweiz zu verteidigen, die Grundlagen des Wohlstands zu hegen in einem Land, in dem der Wohlstand nie selbstverständlich, nie naturgegeben war. Daraus folgt logisch zwingend: Weder die EU noch Trump, weder die Chinesen noch Putin können der Schweiz gefährlich werden.

Gefährlich werden können der Schweiz nur die Schweizer. Wenn sie die Schweiz preisgeben, fallenlassen. Leichtsinn und Grössenrausch sind Gift. Die Schweizer sind nicht die besseren Menschen, sie haben nur das bessere System. Wohlstandsverblendung, Dekadenz, das Fieber des Übermuts, aus der kleinen Schweiz heraus die Welt retten zu wollen: Das «Unbehagen im Kleinstaat» greift immer dann um sich, wenn es den Schweizern zu gut geht, wenn sie sich den Luxus glauben erlauben zu können, nicht mehr über die Wurzeln ihres fragilen Wohlstands nachzudenken.

Im Hochgefühl der planetarischen Mission, zusammen mit einer Greta Thunberg den Weltuntergang abzuwenden, kommt vielen Schweizern, nicht nur in der Politik, das Augenmass abhanden. Man sonnt sich in der eigenen Vorzüglichkeit, der eigenen Gutmenschlichkeit, die einen moralisch emporhebt. Was es kostet, was es bringt, wer es zahlt – who cares?

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sagte: «Wir schaffen das.» Viele Schweizer Politiker scheinen im Wahljahr zu sagen: «Wir schaffen alles», immer mehr Steuern und Abgaben, Staatsaufblähung, Weltklimarettung, Stimmabstinenz, Massenzuwanderung, steigende Erwerbslosigkeit, Nichtumsetzung von Volksentscheiden, immer mehr Asylanten, ein EU-Rahmenvertrag, der die Schweiz zu einem Untertanengebiet der EU machen würde.

Wer keine Sorgen hat, muss sich Katastrophen einbilden. Der bittere Ernst der Klima-Einpeitscher spiegelt den Unernst der Zeit. Noch nie gingen in der Schweiz so viele Menschen auf die Strasse fürs Klima. Noch nie sind in der Schweiz so viele Menschen in die Ferien geflogen.

Die gleichen Leute, die Vaterschaftsurlaub fordern, weil die Kleinkinder angeblich die Nähe ihrer Eltern brauchen, fordern immer mehr und immer frühere Krippen, um die Kinder möglichst rasch von ihren Eltern zu trennen.

Wer glaubt, sich alles leisten zu können, wird verarmen. Die schlechtesten Entscheidungen fallen im scheinbaren Überfluss.

Die Schweiz, über Generationen aufgebaut, ist ein grossartiges, aber verwundbares Land. Wann merken es die Schweizer? Wir von der SVP haben es gemerkt. Die SVP hat es schon vor hundert Jahren gemerkt. Ich bin überzeugt: Früher oder später merken es auch die Wählerinnen und Wähler. Wir müssen nur durchhalten. Und uns mit aller Macht stemmen gegen jene, die der Schweiz gefährlich werden.

Roger Köppel
Roger Köppel
Nationalrat Küsnacht (ZH)
 
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