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Der Bundesrat muss nun die Öffnung konkret planen

Magdalena Martullo-Blocher
Magdalena Martullo-Blocher
Nationalrätin Lenzerheide (GR)

Die Schäden der staatlichen Massnahmen sind für die Wirtschaft enorm, Sie haben es bereits gehört, sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer. Wir dürfen nie vergessen, dass mit Kurzarbeit nur 80 Prozent des Lohnes der Arbeitnehmer entschädigt wird und dass Kurzarbeit also mit bedeutenden Lohneinbussen verbunden ist. Ich erinnere daran, dass Bundesrat Ueli Maurer gesagt hat, der Bund würde für die Abbezahlung des gesprochenen Überbrückungskredites ganze 25 Jahre benötigt! (Im Fall, dass sich die Wirtschaft wieder erholt und auf den Stand vor der Corona-Krise zurückkehrt.) Ich möchte hier noch ergänzen, dass auch die Export¬industrie betroffen ist, und zwar vom Ausland her, haben doch inzwischen sehr viele Länder in Europa, aber auch in Amerika und auf dem amerikanischen Kontinent eine Rezession, die sich natürlich über den Export ebenfalls in der Schweiz wirtschaftlich negativ auswirkt. Es ist deshalb wichtig, dass der Bundesrat – und wir fordern ihn explizit dazu auf – jetzt ein konkretes Vorgehen vorbereitet, die Wirtschaft zu öffnen. Er muss diese Öffnung nun konkret planen, sowie bei den Massnahmen definieren, unter welchen Schutzvorschriften die Betriebe wieder öffnen können und die Bevölkerung sich wieder bewegen kann.

China ist das Land, das uns punkto Corona zeitlich vorangegangen ist. Das Land hat Erfahrungen gesammelt und hat heute grösstenteils die Betriebe und die Wirtschaft wieder geöffnet und gleichzeitig die Ausbreitung im Inland unter Kontrolle gebracht. China hat nur noch ganz wenige, seltene Fälle der Ansteckung im Inland. China hat auch eine strenge Kontrolle und eine Quarantäne für Einreisende in Kraft. Wenn wir China anschauen, dann ist die Öffnung – und wir sind mit fünf Werken selber bei der Öffnung vor Ort dabei gewesen – branchenweise erfolgt und immer mit individuell definierten Schutz- und Hygienemassnahmen.

Wie immer die einzelnen Branchen geöffnet wurden, eines war überall gemeinsam: In allen Betrieben herrscht die Pflicht, Schutzmasken zu tragen. Da der Schutz von „Schutzmasken“ in den letzten Wochen vom BAG – unter dem Druck, zu wenig Masken zur Verfügung zu haben – immer wieder in Frage gestellt wurde, möchte ich mich hier etwas detaillierter dazu äussern:
Im Pandemieplan ist klar vorgeschrieben, dass die Spitäler über einen Schutzmaskenvorrat für 4,5 Monate verfügen und Privatpersonen 50 Stück zuhause haben müssen. Aufgrund der Erfahrungen mit SARS und mit der Grippe in Genf 2012 kam man zum Schluss, dass Schutzmasken wahrscheinlich einen Schutz bieten. Bei Corona hat nun das BAG zuerst argumentiert, Masken würden nur nützen, dass man andere nicht anstecke – nicht umgekehrt. Später hat das BAG argumentiert, es gäbe keine Studien, die den Nutzen von Schutzmasken beweisen würden. Jetzt argumentieren sie, die Bürger seien – auf Deutsch gesagt – zu dumm, um Schutzmasken richtig zu benutzen und nähmen dann weniger Abstand, beachteten die Hygieneregeln weniger. Alles in allem sei das Maskentragen für die Übertragung des Virus noch schädlicher, als wenn man keine Masken trage …

Man darf aber nicht vergessen: Schutzmasken werden heute nicht nur im Gesundheitswesen, sondern zum Beispiel auch in der Lebensmittelindustrie, in der Chemie, im Bau etc. seit Jahrzehnten eingesetzt. Nicht zuletzt, um die Übertragung von Grippeviren mit Tröpfchen beispielsweise in der Lebensmittelindustrie zu unterbinden. Weltweit haben heute zehn Länder Schutzmasken im ganzen Land oder in Teilen des Landes vorgeschrieben oder mindestens ausdrücklich empfohlen. In der Lombardei gab man heute offiziell bekannt, dass man sich darauf einstellen müsse, sich auch längerfristig nur mit Schutzmasken ausser Haus aufhalten zu können. Wie Sie wissen, hat Österreich gestern verfügt, die Schutzmaskenpflicht auf das ganze Land und die ganze Bevölkerung auszuweiten, sobald genügend Schutzmasken vorhanden seien.

Es stimmt auch nicht, dass es keine Studien zum Nutzen von Schutzmasken gibt. Wie bei anderen sicherheitskritischen Arbeitsmitteln, sind auch Hygienemasken genau spezifiziert. Nicht speziell auf Corona-Viren, aber auf Viren, die sich mittels Tröpfchen verbreiten – beispielsweise Grippeviren. Sie wurden auch ausgiebig darauf getestet. So hat in Amerika die Infection Disease Society über 4 Jahre in 280 Gesundheitseinrichtungen Tests durchgeführt mit dem Ergebnis, dass die Masken (je nach Typ) 95 bis 98 Prozent der Tröpfchenübertragungen von Viren verhindern. In anderen Worten: Zwischen 95 und 98 Prozent der Viren, die sich über Tröpfchen verbreiten, werden aufgefangen. Nicht umsonst werden diese Hygienemasken ja auch in den Spitälern, zwar nicht im Intensivbereich, wo anspruchsvollere Masken eingesetzt werden, aber in der Pflege von Corona-Patienten eingesetzt. Mit diesen Masken wird das Gesundheitspersonal vor Ansteckung geschützt.

Wie soll man diese Masken richtig benutzen? Braucht man dafür wirklich eine „jahrelange Ausbildung“ wie das BAG einen glauben machen will? Wie meine Kollegin Verena Herzog schon erläutert hat, gibt es für die korrekte Anwendung eine einfache Anleitung, die man auch bildlich auf den Packungen findet. Fast 1.5 Milliarden Chinesen haben den richtigen Umgang mit den Masken auch gelernt. Auch unsere Mitarbeiter in der Industrie lernen das schnell. Ich behaupte, die korrekte Anwendung der Schutzmaske ist weniger anspruchsvoll, als die zwei Meter Abstand-Regelung, die man immer einhalten soll. Viele Schweizer haben aber sogar diese zwischenzeitlich verinnerlicht. Auch in anderen Branchen ausserhalb des Gesundheitswesens lernen die Menschen laufend den korrekten Umgang mit den Masken – ohne jahrelanges Training. Deshalb ist dieses Argument, das Tragen einer Maske sei zu schwierig, für mich nicht stichhaltig.

Natürlich müssen wir in den Unternehmen neben der Maskentragpflicht auch noch die anderen Schutzmassnahmen Pflicht bleiben. Die Masken jedoch sind ein grundsätzlicher und ein hoher Schutz in allen Lagen und gerade auch in Situationen, wo der Abstand nicht möglich ist – 95 bis 98 Prozent der Viren werden abgehalten! Der Bund und das BAG sagen heute, sie hätten nun (endlich!) genügend Masken für das Gesundheitswesen. Wir hoffen es! Der Bund sieht seine Pflicht jedoch klar nur darin, das Gesundheitswesen, die Bundesverwaltung und die Armee mit Masken auszurüsten. Er sieht es nicht als seine Pflicht, auch für die Wirtschaft und die Bevölkerung Masken zu beschaffen. Beim Bund ist die Armeeapotheke (unter Frau Bundesrätin Viola Amherd) für die Beschaffung des Schutzmaterials verantwortlich. Sie müssten für ein genügend grosses Sicherheitslager sorgen und frühzeitig und geschickt beschaffen, was im Land nötig ist. Leider hat sich die Armeeapotheke als nicht durchsetzungsstark, zögerlich und als nicht entscheidungsfreudig und vor allem auch als sehr ungenügend ausgerüstet gezeigt. Erst nach rund drei Wochen sind jetzt endlich grössere Mengen an Masken für das Gesundheitswesen vorhanden. Nach wie vor sieht die Armeeapotheke ihren Auftrag nicht, auch Masken für die Wirtschaft und die Bevölkerung zu beschaffen. Dies obwohl die Privaten der eingestellten Flüge wegen kaum mehr Masken in die Schweiz bringen können.

Hygienemasken sind zurzeit weltweit verfügbar. China produziert 90 Prozent der Masken der Welt, deshalb sind Masken vor allem in China zu beschaffen. China braucht selber nicht mehr so viele Masken, weil ihre Notspitäler wieder geschlossen worden sind. China produziert inzwischen 185 Millionen Masken pro Tag! Auch
Taiwan hat soeben eine Produktion von 13 Millionen Masken pro Tag bekanntgegeben. Fast alle Länder auf der Welt wollen nun Masken kaufen, aber ich weiss aus eigener Erfahrung, weil ich in China für meine Betriebe auch Masken brauche zum Arbeiten, dass man jeden Tag grössere Mengen an Masken kaufen und auch grössere Verträge für die nächsten Wochen abschliessen kann. Der Bund platziert aber einfach keine Aufträge für Masken dort! Wir von der SVP fordern den Bund jetzt klar auf, sofort Schutzmasken für die Wirtschaft und die Bevölkerung zu beschaffen. Er muss den Einkauf jetzt tätigen, damit am 20. April die Masken zur Verfügung stehen. Wenn sich der Bund kompetent genug sieht, 42 Milliarden zu sprechen, ist er sicher auch kompetent genug, die notwendigen Masken zu beschaffen. Selbstverständlich könnten auch Unternehmen oder Privaten diese Masken einkaufen, aber die logistischen Probleme erschweren das stark. Es gibt kaum mehr Flugverbindungen von China in die Schweiz oder über andere Länder. Die Swiss ist inzwischen bereit, Spezialtransporte mit Hilfsmaterialen zu fliegen und hat nun auch schon damit begonnen. Der Bund hat bei dieser Beschaffung auch die Verantwortung für die Logistik. Er muss die Masken in die Schweiz bringen, so dass die Wirtschaft geschützt wieder arbeiten kann und die Arbeitsplätze und Löhne wieder gesichert sind!

Noch eine kleine Information am Rande: Die Schweiz hat schon seit Jahrzehnten gute Beziehungen zu China und auch zu Taiwan, die sie geltend machen müsste, auch politisch, um uns die Masken beschaffen zu können.

Wie hat denn eigentlich China die Wirtschaft wieder geöffnet? China kennt für alle Branchen spezielle Anforderungen zum Schutz vor Ansteckungen. Für alle Branchen gilt jedoch: Die Mitarbeiter müssen Masken tragen. Zusätzlich gibt es Regelungen, wie oft pro Tag welche Bereiche – zum Beispiel Hotelzimmer, Türgriffe – desinfiziert werden müssen. Grossen Wert wird auch auf die Essensregelungen gelegt – dass also das Personal oder die Gäste Abstand beim Essen einhalten. Jeder Betrieb muss der Behörde eine Person nennen, die für die Einhaltung der Schutzregelungen im Betrieb verantwortlich sein muss. Die Betriebe werden von der Behörde auch darauf auditiert, die branchenspezifischen Schutzregelungen einzuhalten.

China hat also als erstes wieder alle Läden geöffnet, Lebensmittelläden und Apotheken waren zwar immer geöffnet, aber auch alle anderen Geschäfte konnten mit reduzierten Öffnungszeiten schnell wieder arbeiten. So konnten Kleider, Schuhe, Blumen und weitere Artikel aus Gärtnereien oder Baumärkten wieder gekauft werden. Die Kunden werden wie jetzt bei uns im „Tröpfchensystem“ in die Geschäfte gelassen. Auch Coiffeure konnten wieder arbeiten, mussten aber den Sicherheitsabstand zwischen den Stühlen einhalten und es durfte nur geschnitten und keine aufwändigeren Dienstleistungen durchgeführt werden. Danach folgte die Bewilligung für Kosmetikerinnen und Zahnärzte. Anschliessend für Restaurants und Bars, ebenfalls mit genügend Abstand – über einen Meter – zwischen den Tischen. Schulen und Theater und der öffentliche Verkehr folgten, wobei in Bussen nur 50 Prozent der Sitze belegt werden durften, um den Abstand sicherzustellen. Konzerte und Anlässe sind heute in China noch nicht erlaubt.

Jetzt muss auch der Bundesrat für die Schweiz einen konkreten Öffnungsplan erstellen. Dieser muss eng mit den jeweiligen Branchen abgestimmt werden. Dabei soll der Bundesrat die Erfahrungen aus China studieren und für die Schweiz konkret prüfen. Schliesslich hat China mit seiner Öffnung (zusammen mit der strengen QuarantäneRegel für Einreisende) Erfolg! Der Bundesrat muss den Öffnungsplan und die Schutzvorschriften genau jetzt festlegen, damit die Unternehmen sich einrichten und möglichst viele von ihnen möglichst sicher am 20. April wieder öffnen können. Die Unternehmen brauchen die Vorlaufszeit, um sich neu zu organisieren und auf die Öffnung einstellen zu können! Ich danke Ihnen.

Magdalena Martullo-Blocher
Magdalena Martullo-Blocher
Nationalrätin Lenzerheide (GR)
 
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