Der Wirtschaftsplatz Schweiz im Jahr 2005

Caspar Baader
Caspar Baader
Nationalrat Gelterkinden (BL)

In drei Monaten ist Halbzeit der Legislatur 2003 – 2007: Zeit kurz eine Zwischenbilanz zu ziehen und sich zu fragen, wie steht es eigentlich um die Schweiz und den Wirtschaftsplatz Schweiz. Ist es der Politik gelungen, die Fehlentwicklungen der letzten 15 Jahre seit 1990 zu korrigieren und Voraussetzung für ein stabiles Wirtschaftswachstum zu schaffen? Was bleibt in der zweiten Hälfte der Legislatur zu tun?

Patient Schweiz

Staatshaushalt und Wirtschaftswachstum stehen in engem Zusammenhang. Ein teurer Staatshaushalt belastet die Wirtschaft. Daher zuerst ein Blick auf den Staatshaushalt. Die Schulden der öffentlichen Haushalte von Bund, Kantonen und Gemeinden belaufen sich heute total auf rund 250 Milliarden Franken. Allein beim Bund haben sie sich von 40 Milliarden im Jahr 1990 auf fast 130 Milliarden Ende 2004 verdreifacht. Diese Entwicklung ist nicht etwa darauf zurückzuführen, dass die Einnahmen abgenommen hätten. Nein, im Gegenteil – die Steuern und Abgaben, welche die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger dem Staat entrichten müssen, sind seit 1990 stärker gestiegen als in jedem anderen Industrieland der Welt. Die Krux ist, dass im gleichen Zeitraum die Ausgaben noch stärker angestiegen sind, d.h. es wird eine unverantwortbare Defizitwirtschaft betrieben. Unternehmerisch betrachtet leben wir von den Reserven, ja sogar auf Kredit. Wir türmen Schulden auf und leben so auf Kosten der nächsten Generation. Wir nehmen unseren Kindern jeden Handlungsspielraum für spätere eigene Investitionen.

Die Politik marschiert munter in diese Richtung weiter: Ab 01. Juli dieses Jahres wird mit dem Segen der Wirtschaftsverbände und der anderen Parteien ein staatlicher Mutterschaftsurlaub garantiert, der jährlich 500 Millionen Franken kostet. Geplant sind weiter eine Übergangsrente zur AHV zum Preis von 400 Millionen pro Jahr und – um die defizitäre Invalidenversicherung etwas auszugleichen – soll die Mehrwertsteuer um 0,8 % (also 1,9 Milliarden Franken) angehoben werden, statt die Missstände zu beheben und die Rentnerzahlen ernsthaft zu reduzieren – und dies alles zulasten der Wirtschaft und der Steuerzahler. Der Sozialstaat „Schweiz“ boomt, die Staats- und Fiskalquote wächst von Jahr zu Jahr – und niemand wird zur Verantwortung gezogen. Unternehmer haften, wenn sie einen Betrieb in den Ruin treiben, in der Politik haftet niemand.

Und wo bleibt die Wirtschaft? Wieso verbandelt sie sich mit dem Parlament, dem Bundesrat und den Medien, statt aufzustehen? Wo sind die Unternehmer geblieben, die sich gegenüber der Politik kostenbewusst für ihre Betriebe und damit für die Arbeitsplätze in diesem Land wehren? Denn letztlich sind es die Arbeitsplätze, die uns Wachstum und Wohlstand garantieren.

Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld

Betrachten wir die Analysen und Zahlen zum Wirtschaftsstandort Schweiz für die letzten Jahre, so dürfen wir nicht zufrieden sein. Im von der OECD erstellten Vergleich sinkt unser Land auf der Skala der Standortattraktivität immer mehr ab. Längst haben wir unseren Spitzenplatz punkto tiefer Steuerbelastung und niedrigem Reglementierungsgrad verloren. Das hat dramatische Folgen. Die Arbeitslosenquote liegt zwar saisonbedingt noch bei rund 3,5 %, aber die Zahl der Ausgesteuerten, der IV- und Sozialhilfebezüger steigt von Monat zu Monat. Im August waren es wieder 2’549 Personen, die ausgesteuert wurden. Erfreulich ist, dass die exportorientierten Grosskonzerne gute Zwischenbilanzen präsentieren, doch die Binnenwirtschaft stagniert. Über 200 Unternehmen betreiben derzeit Kurzarbeit. Die noch im Frühjahr prognostizierten Wachstumsraten müssen vom Staatssekretariat für Wirtschaft laufend nach unten korrigiert werden und es ist fraglich, ob übers ganze Jahr gerechnet überhaupt ein Wachstum von 0,5 % erreicht wird. Tatsache ist, dass wir seit Jahren fast kein Wachstum haben. Kein Wunder, sinkt die Konsumentenstimmung!

Und das Schlimmste ist, dass wir diese Situation zu einem guten Teil selbst verschuldet haben. Wir leiden zwar unter der Wachstumsschwäche der EU und dem zögernden Anziehen der Konjunktur in den USA – aber die grössten Fehler machen wir selbst. Wir haben die Staatsquote laufend erhöht, haben die Sozialwerke fast bis zum Kollaps ausgebaut, schalten durch ständige Harmonisierung und Reglementierung den Wettbewerb aus und schröpfen unter dem Vorwand „Solidarität“ und „sozialem Handeln“ immer mehr jene, die noch bereit sind, etwas zu leisten. Leistung und Eigenverantwortung müssen sich wieder lohnen; nur das stärkt den Wettbewerb und die Wirtschaft.

Vergleicht man die Situation der Schweiz mit jener in Deutschland, dann ist die unsrige zwar noch nicht so schlimm, aber es ist erschreckend zu sehen, wie wir blindlings in dieselbe Richtung weiter eilen, während andere Staaten längst Gegensteuer geben. Ich denke dabei nicht nur an England und die USA, sondern auch an ehemals sozialistische und kommunistische Staaten im Osten Europas und an China.

Was ist zu tun?

Die Schwierigkeit liegt darin, dass viele Menschen in diesem Land den ausufernden Sozialstaat als angenehm empfinden und sich eine regelrechte Anspruchshaltung eingeschlichen hat. Wegen der tiefen Zinssätze spüren sie die Kosten dieser Entwicklung noch gar nicht. Sie haben deshalb die Problematik noch gar nicht erkannt – noch schlimmer: vor allem die Politiker verdrängen diese Problematik, weil man sich damit keine Lorbeeren holen kann.

Stattdessen beschönigt man die Situation mit Sätzen: Es geht uns ja noch gut, wir gehören zu den reichsten Ländern der Welt und haben noch die höchsten Löhne, die höchste Kaufkraft und eine der tiefsten Arbeitslosenrate. Doch der Schein trügt! Es braucht in der Politik endlich die Einsicht und den ehrlichen Willen, etwas zu ändern, auch wenn es unpopulär und schmerzlich ist.

Der Staat muss wieder schlanker werden. Statt ihm dauernd neue Aufgaben zuzuweisen, angefangen von den Kinderkrippen bis hin zu neuen Nationalparks, sind die Ausgaben für die Erfüllung der bestehenden Aufgaben durch Verkleinerung der Verwaltungen und Abbau der Bürokratie zu reduzieren, wie dies im EJPD und VBS vorgelebt wird. Gleichzeitig ist vom Bundesrat über alle Departemente eine echte Aufgabenverzichtsplanung an die Hand zu nehmen, um wieder Handlungsspielraum zu gewinnen. Und wohlgemerkt: Wir sprechen hier namentlich von Handlungsspielraum für das Gewerbe und die Unternehmungen, und nicht primär von Handlungsspielraum für den Staat! Als sichtbares Zeichen zur Förderung der Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ist auf Bundesebene die Gewinnsteuer für Unternehmen abzuschaffen, ähnlich wie dies Estland und Irland vorgemacht haben. Diese Massnahme führt zwar kurzfristig zu Steuerausfällen, wäre aber eine echte Vorleistung, eine Investition, die durch die Ansiedlung neuer Unternehmen und Schaffung neuer Arbeitsplätze aus reinvestierten Gewinnen sehr bald mehr als kompensiert würde. Unser Land braucht endlich ernsthafte Impulse.

Zur Umsetzung einer solchen Politik braucht die SVP bürgerliche Partner, um im Parlament Mehrheiten zu gewinnen. Daher betrübt es mich, wenn die FDP in ihrem neuen Positionspapier eine Harmonisierung der Steuersysteme der Kantone fordert und damit den interkantonalen Wettbewerb ausschalten will, statt diesen zu stärken, oder dass sie nach sozialistischem Vorbild gar bereit ist, punktuelle Steuererhöhungen zuzulassen, um die Hauhaltsdefizite durch Mehreinnahmen – also stärkere Belastung der Wirtschaft und Steuerzahler – zu sanieren.

Wer die Schweiz wieder zu Wirtschaftswachstum führen will, muss bereit sein, die geschilderten Missstände offen und ehrlich anzugehen. Wir brauchen wieder einen massvolleren Staat und eine freiere Wirtschaft. Helfen Sie uns dabei!

Caspar Baader
Caspar Baader
Nationalrat Gelterkinden (BL)
 
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