Referat

Die direkte Demokratie und ihre Wurzeln

Unsere Bundesverfassung enthält eine Reihe von Bestimmungen, welche den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, welche über das Stimmrecht verfügen, eine fast umfassende Teilnahme an…

Roberta Soldati, RA, Mitglied des Zentralvorstandes SVP, Losone (TI)

Unsere Bundesverfassung enthält eine Reihe von Bestimmungen, welche den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, welche über das Stimmrecht verfügen, eine fast umfassende Teilnahme an Staatsangelegenheiten garantieren. Ich unterstreiche das Wort „fast“ und Sie werden anschliessend verstehen warum.

Die Volkssouveränität geht von der Idee aus, dass die gesamte Macht auf dem Willen der Bürger basiert. In der Schweiz kann das Volk seinen Willen einerseits bei politischen Wahlen, andererseits bei Abstimmungen über konkrete politische Fragen äussern.

Unsere direkte Demokratie ist auch heute noch einzigartig und weltweit beispielhaft.

Seit seiner Gründung im 13. Jahrhundert hat sich die Schweizerische Eidgenossenschaft stets vom etatistischen Denken, welches im übrigen Europa verankert ist, unterschieden. Aus diesem Grund ist die Schweiz schon immer als die Wiege der Demokratie angesehen worden.

Im 19. Jahrhundert ist die moderne rechtsstaatliche Ordnung der Schweiz entstanden, deren Bundesverfassung von 1848 ein mässigendes Werk darstellt, welches die Macht der zentralistischen Regierung und die Rechte der Kantone im Gleichgewicht hält. Unsere Demokratie ist jedoch seither nicht stehen geblieben. In den auf 1848 folgenden Jahren hat sie sich im Sinne einer Verbesserung der demokratischen Mitbestimmungsrechte entwickelt. 1874 wurde das fakultative Gesetzesreferendum eingeführt, 1891 die Volksinitiative und 1921 das fakultative Staatsvertragsreferendum, welches 1977 erweitert wurde.

Parallel zu diesen Entwicklungen hat sich in den Kantonen zwischen 1947 und 1921 (im Tessin 1982) die Wahl der Kantonsregierungen durch das Volk durchgesetzt. Dort, wo es Sprachminderheiten gab, wurden Sonderregeln eingeführt.
Diese Evolution des Rechtes hat es später erlaubt, die Prinzipien der Demokratie, auf welchen die Souveränität unserer Schweizer Gemeinschaft gemäss dem Volkswillen basieren, zu konkretisieren.

Auf eidgenössischer Ebene ist die Realisierung der direkten Demokratie bis heute unvollständig geblieben. Aus diesem Grund habe ich zu Beginn meines Referates das Wort „fast“ hervorgehoben. Der Artikel 168 unserer Verfassung sieht vor, dass der Bundesrat vom Parlament und nicht vom Volk gewählt wird.
Die SVP möchte diese Lücke im demokratischen System der Schweiz mit einer Volksinitiative zur Volkswahl des Bundesrates schliessen.

In der Vergangenheit wurde über dieses Thema schon vehement debattiert. Es gab zahlreiche Vorstösse und Initiative, welche die Schliessung dieser Lücke forderten.
Bereits 1847 hat die für die Vorbereitung der neuen Bundesverfassung zuständige Kommission die Möglichkeit der Volkswahl des Bundesrates geprüft. Leider wurde diese Idee mit 10 zu 9 Stimmen verworfen. Ein Grund für die damalige Ablehnung war die Schwierigkeit, eine solche Wahl zu organisieren. Die Gegner betonten, dass die Eidgenossenschaft verpflichtet wäre, mehrere Wahlen zu organisieren und dass dies das Prozedere zu schwerfällig machen würde. Der heute von der SVP vorgeschlagene Initiativtext sieht ein einfaches und transparentes Verfahren vor, welches auch die sprachlichen Minderheiten berücksichtigt.

Ein weiterer Ablehnungsgrund war, dass es zu jener Zeit schwer war, passende Personen zu finden. Heute gilt dies nicht mehr: In der Schweiz gibt es starke und fähige Persönlichkeiten, in welche die Bürger Vertrauen haben können.
Eine letzte Begründung für die Ablehnung war die Schwierigkeit, die Kandidaten in der gesamten Schweiz bekannt zu machen. Heute hat sich dieses Argument dank der Stärke der Medien erübrigt. Das Fernsehen, die Zeitungen und das Internet haben die Kommunikation verbessert.

In den auf 1848 folgenden Jahren haben verschiedene Gruppierungen die Volkswahl des Bundesrates weiter propagiert.

Am 4. November 1900 wurden die Schweizer Bürger aufgerufen, über eine Volksinitiative zur Wahl der Regierung durch das Volk und die gleichzeitige Erhöhung der Anzahl Bundesräte abzustimmen. Eine gleiche Initiative wurde dem Volk auch am 24. Januar 1942 vorgelegt. Beide Initiativen fanden keine Mehrheit aufgrund der Tatsache, dass sie gleichzeitig die Erhöhung der Anzahl Bundesräte vorsahen. Viele Bürger befürchteten, dass damit die Staatsmacht zunehmen würde. Dies war das Motiv des Scheiterns der beiden Initiativen.

Die Initiative, welche die SVP heute lanciert, erlaubt es die direkte Demokratie und insbesondere auch das Prinzip der Gewaltentrennung zu vervollständigen.
Indem der Bundesrat vom Schweizer Volk gewählt wird, ist er diesem auch direkt Rechenschaft schuldig. Die Bundesratswahl wäre kein parlamentarisches Intrigenspielchen mehr.

Die Volksinitiative der SVP sieht nicht vor, dass die Macht der Regierung zunimmt, aber sie möchte, dass diese Macht besser kontrolliert wird.

Ich schliesse mit dem Wunsch, dass die Schweiz in Zukunft über keine Regierung verfügt, die dem Bürger verkündet: „L’Etat c’est moi“, die bekannte Aussage des Sonnenkönigs Louis XIV. Im Gegenteil! Ich hoffe, dass das Schweizer Volk den Stolz hat, sich souverän zu fühlen und sich bewusst zu sein, dass es selber über seine Zukunft entscheidet.

Es ist der Zeitpunkt gekommen, um für die Verbesserung unserer direkten Demokratie zu kämpfen, indem dem Schweizer Volk erlaubt wird, frei über seine Vertreter in der Regierung zu bestimmen.

 
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