Die Renten-Initiative bringt keine gerechte Lösung

Die Volksinitiative, die wir jetzt vor uns haben, ist die Volksinitiative der Jungfreisinnigen „für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renten-Initiative)“. Sie wurde am 16. Juli 2021 in der Form eines ausformulierten Entwurfes eingereicht. Mit der Initiative wird verlangt, dass das Rentenalter für beide Geschlechter auf 66 Jahre erhöht und anschliessend an die durchschnittliche Lebenserwartung der schweizerischen Wohnbevölkerung gekoppelt wird.

Thomas de Courten
Thomas de Courten
Nationalrat Rünenberg (BL)

Damit soll die AHV langfristig finanziell gesichert werden.

Die Renteninitiative beinhaltet 3 Elemente, die wir genauer betrachten sollten:

  1. Das gleiche Rentenalter für Mann und Frau. Die Renteninitiative wurde 2021 eingereicht. Über das gleiche Rentenalter hat das Volk bereits vor anderthalb Jahren, am 22. September 2022 entschieden.  Es war eine denkwürdige, äusserst knappe Annahme im Rahmen der AHV-21-Vorlage. Diese Forderung der Initiative ist also schon erledigt.
  2. Die Erhöhung des Rentenalters auf 66: Die Frage, ob es schon wieder Zeit ist, dem Volk bereits die nächste Anpassung des Rentenalters vorzulegen, ist mehr als berechtigt. Und da noch bevor die AHV21 überhaupt umgesetzt ist. Das Rentenalter der Frauen wird erstmals 2025 um 3 Monate angehoben. Die Antwort lautet also «Nein». Der Zeitpunkt ist nicht gegeben. Auch darum, weil die Reform der beruflichen Vorsorge – sie kommt dieses Jahr auch noch zur Abstimmung – ebenfalls noch nicht abgeschlossen ist. Auch diese Vorlage hat aber einen direkten Zusammenhang mit der AHV und speziell auch mit der Frage des Rentenalters.
  3. Der Automatismus, der künftig gelten soll. Die automatische Anpassung des Rentenalters, ohne Bundesrat, ohne Parlament und vor allem ohne Volksabstimmung. Wir sollten uns dazu seitens SVP folgende Überlegungen machen.

Wir wissen, dass die nachhaltige Finanzierung der AHV nach wie vor nicht gesichert ist, oder nur auf Zeit.  Wir haben dazu schon einiges umgesetzt. Die erwähnte AHV21, die Zusatzfinanzierung der AHV über Mehrwertsteuer und die Steuervorlage STAF. Das neue Referenzalter statt des bisherigen Fixums von 64/65. Dennoch ist unbestritten: Es braucht in absehbarer Zeit eine neue Reform, um eine längerfristige Finanzierung der AHV zu sichern. Das Parlament hat dem Bundesrat diesen Auftrag dafür bereits erteilt. Bis in zwei Jahren muss er dem Parlament die Absicherung der AHV für die Jahre 2030 bis 2040 vorlegen. Da stehen diverse Eckpunkte zur Diskussion.  Beispielsweise der Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Frage der Witwen- und Witwerrente in neu zu regeln. Beispielsweise die Forderung aus dem Nationalrat, dass künftig die Beitragsjahre statt des Alters ein Kriterium bei der Definition des Rentenalters sein sollen. Oder die Neuregelung der Ehepaarrente. Ein Automatismus kann und wird nicht die richtige Lösung für alle Fragen sein können.

Überhaupt ist es grundfalsch, einen Automatismus zur Berechnung des Rentenalters in die Bundesverfassung zu schreiben. Die Initianten argumentieren zwar für eine Flexibilisierung zur langfristigen Sicherung der AHV. Sie erreichen mit ihrem Automatismus aber das Gegenteil. Bundesrat und Parlament würden in ein enges Korsett gesteckt, indem sowohl das Alter 66 neu in die Verfassung geschrieben würde, als auch die automatische Anpassung an das durchschnittliche Lebensalter nur noch über eine Bundesverfassungsänderung abänderbar wäre. Das ist für die langfristige Sicherung unserer Altersvorsorge eine ganz schlechte Ausgangslage.

Schauen wir noch kurz über den Tellerrand hinaus. Alle europäischen Staaten haben bei ihren Altersversicherungen das gleiche Demographieproblem. Jedes Land hat seine Altersversicherung etwas anders ausgerichtet. Es gibt aber nur zwei europäische Länder, die einen wirklichen Automatismus in ihrer Altersversicherung kennen. Das sind Schweden und Finnland. In diesen beiden Ländern ist der Automatismus noch gar nicht in Kraft getreten. In Schweden ist der Automatismus mit der Regelung verbunden, dass das Rentenalter zwar automatisch an die durchschnittliche Lebenszeit angepasst wird, dies aber mit einer Anstellungsgarantie bis zum Alter 68. Das ist natürlich eine Regelung, die für die Schweiz kaum möglich wäre.

Damit kommen wir zum Stichwort der Generationengerechtigkeit, welche die Initiativbefürworter ins Feld führen. Bei allem Verständnis dafür. Wir leben in der Tat länger. Wir leben nicht nur immer länger, sondern auch immer gesünder. Insofern mag eine Erhöhung des Rentenalters schlüssig und angebracht sein, wenn das bedeuten soll, dass wir immer länger arbeiten sollen. Nun müssen wir aber auch festhalten, dass es gerade die Jüngeren sind, die ihre Arbeitspensen immer mehr reduzieren. Also bleiben wir auch bei der Generationengerechtigkeit auf dem Boden der Realität. Auf der einen Seite lebt man länger, auf der anderen Seite reduziert man die Arbeitspensen immer mehr, auf 80, 70, 60 Prozent usw. Und wenn schon, dann sollten wir bei der Argumentation «Generationengerechtigkeit» auch Gewähr dafür haben, dass Menschen über 50 tatsächlich noch realistische Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.  Wir wissen alle, dass es ab einem gewissen Alter sehr schwierig sein kann, noch eine Stelle zu bekommen. Diese Initiative würde die Möglichkeiten der älteren Menschen, am Arbeitsmarkt aktiv zu sein, klar verschlechtern.

Kommen wir also nochmals zum Kern und stellen uns die Frage, ob man überhaupt auf einen Durchschnittswert als Basis für die korrekte und gerechte Berechnung des Rentenalters abstellen kann.  Was genau ist die durchschnittliche Lebenserwartung, die hier als Basis dienen soll? Der Unterschied zwischen der durchschnittlichen Lebenserwartung der Männer in Basel-Stadt (80.3) und derjenigen der Frauen im Tessin (86.6) beträgt beispielsweise über sechs Jahre. Die Lebenserwartung von Mann und Frau variiert allein im Kanton Appenzell zwischen 79.2 (Männer) und 87.3 Jahren (Frauen). Das sind sage und schreibe 8 Jahre Unterschied. Auf derart engem Raum ist die Differenz also gross.

Wenig erstaunlich ist auch, dass Dienstleistungsberufe («white collars», also Büro-Gummis) eine wesentlich höhere Lebenserwartung haben als Büezer, die harte Arbeit auf der Baustelle vollbringen müssen: Eine Studie hat ergeben, dass beispielsweise ein Schreiner knapp drei Jahre weniger lang lebt als ein Professor. Welcher Durchschnittswert soll denn nun für die Altersvorsorge gelten?  Wir stellen fest: Eine gerechte Lösung kann auf Basis der vorliegenden Initiative nicht gefunden werden.

Hinzu kommt, ganz nebenbei, dass diese Initiative die Planung erschweren würde, weil man bis zum Alter von 61 Jahren noch gar nicht wüsste, wann man schlussendlich die Rente kriegt. Die Initiative ist auch verwaltungsmässig anspruchsvoll, weil bei der Rentenberechnung viel mehr Bürokratie nötig wäre.

Ich komme zum Schluss: Die Altersvorsorge muss finanziell und nachhaltig für die Zukunft gesichert werden. Das ist klar. Solange wir aber Milliarden für EU-Kohäsionszahlungen, für Entwicklungshilfe, fürs Asylwesen, sogar für Grossbankenrettung aufwerfen können, ist es nicht richtig, die hart arbeitenden Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch länger fürs Rentenalter arbeiten zu lassen. Da muss es andere Lösungen geben. Dafür wird sich die SVP einsetzen.

Thomas de Courten
Thomas de Courten
Nationalrat Rünenberg (BL)
 
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