Sicherung und nicht Ausbau der Rente als Ziel

Das seit 1972 in der Schweiz bestehende Rentensystem hat sich in der Vergangenheit bewährt und gilt weltweit als Beispiel einer guten Sozialversicherungspolitik. Aufgebaut auf drei Säulen, war es in der Vergangenheit solid und stabil. Wie in jedem System müssen aber von Zeit zu Zeit Anpassungen vorgenommen werden.

Alex Kuprecht
Alex Kuprecht
Ständerat Pfäffikon (SZ)

Gesellschaftliche und demografische Änderungen sind zur Kenntnis zu nehmen. Die langfristige finanzielle Stabilität der AHV und des BVG verlangt deren Berücksichtigung und erfordert die notwendigen Anpassungen. Die Treiber in der 1. und 2. Säule sind jedoch unterschiedlich. Während in der AHV vor allem die demografische Entwicklung im Zentrum der notwendigen Reformen steht, so sind es in der beruflichen Vorsorge vor allem die immer höhere Lebenserwartung und die tieferen Kapitalerträge. Seit der Inkraftsetzung des BVG 1985 ist die Lebenserwartung für Frauen von 80 auf 85 und von Männern auf knapp 81 Jahre angestiegen. Die medizinische Entwicklung schreitet weiter voran und es ist davon auszugehen, dass die Lebenserwartung weiter zunehmen wird. Das angesparte Kapital beim Eintritt ins Rentenalter muss also für eine längere Lebenszeit ausreichen.

Es besteht Einigkeit, dass eine Reform ohne den Erhalt des Leistungsniveaus bei einer Volksabstimmung vor dem Souverän keine Gnaden finden wird. Die Ablehnung der Reduktion des Rentenumwandlungssatzes ohne Ausgleichsmassnahmen vom 7. März 2010 hat dies eindrücklich aufgezeigt. Mit 73% der NEIN-Stimmen wurde diese Revisionsvorlage klar verworfen. Die Aufforderung der Bürgerinnen und Bürger für die Stabilität der Einkommenserhaltung zu sorgen, konnte wohl kaum deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Das ist verständlich und war Massstab für die nun vorliegende Reform. Das Parlament hat diesen Fingerzeig verstanden und in der beruflichen Vorsorge mit den vorgesehenen Ausgleichsmassnahmen diesem Umstand Rechnung getragen. Während 20 Jahren werden deshalb die BVG-Renten trotz Umwandlungssatzreduktion von 6,8% auf 6% durch Zuschüsse aus dem Sicherheitsfonds ausgeglichen. Der Fonds wird jährlich mit 300 Mio. Franken zusätzlich belastet. Die Rente in Franken bleibt aber für den obligatorischen Teil gleich hoch und stabil. Die Rentenhöhe ist somit gesichert. Es wird keinen Rentenverlust im Obligatorium geben.

Eine andere Ausgangslage hat die AHV. Die Stabilität dieser Grundversicherung ist vor allem geprägt durch die Demografie. Die geburtenstarken Jahrgänge treten jetzt ins Rentenalter ein. Jährlich werden rund 100‘000 Menschen in diesen Ruhestandsstatus kommen und ihren Rentenanspruch geltend machen. Bis ins Jahr 2030 werden 2,2 Mio. und bis ins Jahr 2040 sogar 2,6 Mio. auf der Zahlliste der AHV sein. Das bedeutet eine Zunahme von 76% gegenüber heute! Während der gleichen Zeit wird die Zunahme der unter 19-Jährigen lediglich 14% betragen. Das sind Fakten und keine Hirngespinste. Kamen 1948 noch 6,5 Erwerbstätige auf einen Rentner oder eine Rentnerin, so waren es 2015 noch 3,4 und im Jahre 2035 werden es noch 2,3 Erwerbstätige sein. Der Finanzhaushalt der AHV kippte bereits 2015 mit einem Verlust von 558 Mio. ins Minus. Diese Defizite haben zugenommen und werden sich zwischen 2021 bis 2025 von 1,4 Mia auf über 3,5 Mia. Franken erhöhen und im Jahre 2030 auf den Stand von rund 7 Mia. Umlageverluste pro Jahr anwachsen. Eine Reform ist und bleibt dringend. Die Herausforderung für diese umlagefinanzierte 1. Säule ist also enorm. Was gilt es nun zu tun, um das bundesrätliche Ziel der Stabilität in der AHV für die nächsten 10 bis 20 Jahre erreichen zu können? Die zu treffenden Massnahmen können mit einem Betrieb verglichen werden, der Verluste schreibt und saniert werden muss. Die AHV ist nämlich ein Sanierungsfall und keinesfalls so stabil wie es die Linken immer wieder vorgaukeln.

Zum Ersten gilt es zu respektieren, dass eine Rentenerhöhung mit der Abstimmung über die AHVplus Initiative klar verworfen wurde. Ein Rentenausbau ist so obsolet geworden. Zum Zweiten hat jeder, der das ordentliche Rentenalter erreicht, einen Rechtsanspruch auf seine Rente. Sie ist garantiert und dient gemäss Verfassung zur Existenzsicherung. In Aussicht der gewaltigen Zunahme von Rentnerinnen und Rentner in den kommenden Jahren gilt es jetzt das heutige Rentenniveau zu halten und zu sichern. Das alleine ist schon eine Herkulesaufgabe. Die ganze Kraft muss also dem Ziel des Erhaltens des heutigen Rentenniveaus untergeordnet werden.

Dazu gibt es grundsätzlich vier mögliche Handlungsoptionen: tiefere Leistungen, mehr einzahlen, länger arbeiten oder ein Mix dieser Möglichkeiten. Tiefere Leistungen, also weniger Renten, würden wohl kaum akzeptiert. Auch die Diskussion um eine generell längere Lebensarbeitszeit in Richtung 66/67 Jahre ist sehr schwierig und könnte ein Killerkriterium sein. Sie muss aber geführt werden. Bleiben also noch zusätzliche finanzielle Mittel und ein Mix. Die nun vorliegende Vorlage überdeckt in der AHV in krasser Weise das Problem des demographischen Wandels. Unter dem Diktat der SP und der CVP im Ständerat und der gütigen Mithilfe des Bundesamtes für Sozialversicherung werden die Renten um Fr. 70.— und der Ehepaarplafond von 150% auf 155% erhöht. Alle diejenigen, die schon eine AHV-Rente beziehen, müssen sich die Augen reiben! Sie gehören zu den Verlierern und erhalten nichts von diesem Geldsegen. Kosten wird dieser AHV-Ausbau für Neurentner zusätzliche 1,4 Mia. Franken und soll durch die Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,3% finanziert werden. Zusammen mit der zusätzlichen Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,6% wird dem System mehr Mittel zufliessen.

Trotz dieser massiven Zusatzfinanzierung müssen aber ab dem Jahr 2027 neue Massnah-men greifen. Die Umlagerechnung wird dann bereits wieder Defizite von 1 Mia. und mehr einfahren. Dieser Ausbau ist deshalb unverantwortlich und katastrophal. Besonders betroffen werden die Jungen der nachfolgenden Generationen sein. Sie werden die Lasten der Erhöhungssünden zu tragen haben. Die geburtenstarken Jahrgänge sind ab 2032 in Rente und werden keine Beiträge zur Finanzierung dieser Rentenerhöhung mehr einzahlen. Die Lastenträger der Jahrgänge 1974 und jünger werden bei dieser Vorlage die Dummen im Umzug sein. Sie haben höhere Mehrwertsteuerbeiträge zu leisten, ihnen werden höhere Lohnabzüge verrechnet und sie werden die Ausgleichsmassnahmen im BVG zu berappen haben.

Abschliessend erlaube ich mir noch eine Bemerkung zur Vorgehensweise im Parlament. Es wird so getan, als sei diese Reform ein Kompromiss und eine Ablehnung werde die Vorsorgewerke in den Abgrund stürzen. Die Macht der SP und der CVP im Ständerat haben die Ergebnisse bis zur Einigungskonferenz zementiert. Mehrere Versuche zu Kompromissen seitens der SVP und der FDP ohne eine allgemeine Rentenerhöhung für Neurentner aber zur wirkungsorientierten Verbesserungen bei den Minimalrenten wurde allesamt durch diese sich sozial nennenden Parteien abgelehnt. Bundesrat Berset hat schon früh sich von der Vorlage des Bundesrates verabschiedet und unterstützte den Rentenausbau als Ersatz für die von seiner Partei verlorene AHVplus-Initiative. Wer einen Rentenausbau in dieser Form unterstützt, schwächt seine eigene Stellung und wird wohl für eine Neuauflage nicht mehr die notwendige Glaubwürdigkeit haben.

Wir als grösste Partei der Schweiz müssen heute den Mut aufbringen für eine zukunftsgerichtete Lösung zu kämpfen. Zukunftsgerichtet kann eine Lösung nur dann sein, wenn die Renten gesichert und die demografischen Veränderungen der Zukunft berücksichtigt werden. Eine Zweiklassen-Rentnergesellschaft und ein Rentenausbau sind inakzeptabel und müssen durch ein zweifaches NEIN verhindert werden.

Alex Kuprecht
Alex Kuprecht
Ständerat Pfäffikon (SZ)
 
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