Indirekter Gegenvorschlag (Bundesgesetz über die Inklusion von Menschen mit Behinderungen und Änderung des Invalidenversicherungsgesetzes) zur Volksinitiative «Für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Inklusions-Initiative)»

Die SVP anerkennt die Wichtigkeit der Selbstbestimmung von beeinträchtigten Menschen, wobei zu betonen ist, dass diese bereits ein hohes Mass an Selbständigkeit und Autonomie in der Schweiz erleben. Auch ohne weitergehende Leistungen unternehmen der Bund wie auch die Kantone und Gemeinden bereits viel, um Menschen mit Beeinträchtigungen finanziell, logistisch und durch personelle Unterstützung zu helfen. Die Leistungen der Sozialversicherungen wurden ebenfalls stetig ausgebaut. Überbordende staatliche Eingriffe, neue Verpflichtungen für die Kantone ohne saubere Kostenfolgenabschätzung lehnen wir jedoch in aller Deutlichkeit ab. Die vorgeschlagenen Massnahmen führen zu einer erheblichen Ausweitung staatlicher Aufgaben, obwohl die Notwendigkeit, Wirksamkeit und Finanzierbarkeit nicht belegt werden können.

Der vom EDI ausgearbeitete Gegenvorschlag umfasst zum einen ein neues Rahmengesetz mit Fokus auf den Wohnbereich und zum zweiten eine Teilrevision des IVG mit Anpassungen in den Bereichen Hilfsmittel und Assistenzbeitrag für Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit. Die Revision soll dabei die internationalen Verpflichtungen aus der UN-Behindertenkonvention berücksichtigen. Die Schweiz muss sich hier nicht weiter in vorauseilendem Gehorsam gegenüber anderen Staaten üben, zumal Behinderte in der Schweiz bereits über weitreichende Rechte verfügen und sozial abgesichert sind.
In diesem Kontext gilt es zu beachten, dass die Entwicklung der IV-Renten insbesondere bei Jungen besorgniserregend ist. Die Auswirkungen auf die bereits desolate Finanzlage der Invalidenversicherung (IV) sind dabei massiv. Die Zahl der IV-Neurenten für junge Erwachsene hat sich beispielsweise in Zürich seit 2015 nahezu verdoppelt, wobei die psychischen Erkrankungen den Hauptanteil ausmachen. Die nunmehr geplante Leistungsausweitung ist auch unter diesem Aspekt nicht nachhaltig.

Absolut stossend ist die Erläuterung, wonach die Kantone angehalten werden sollen, eine Reihe von Unterstützungsmassnahmen anzubieten, ohne dabei neue Leistungen auf Bundesebene – gemeint Kosten – zu schaffen. Der Bund schaut also nur in die eigene Kasse ohne Rücksicht auf die teils desolate Situation auf kantonaler sowie kommunaler Ebene nicht zuletzt aufgrund der enormen Bestände im Asylbereich. Sehr wohl lässt es sich der Bund jedoch nicht nehmen, die Kantone in der Umsetzung zu überprüfen. Ohne Kostenbeteiligung ist das eine völlige Anmassung und führt ohnehin zu mehr Kosten beim Bund im Sinne von Personalressourcen. Sollte der Bund das kostenneutral versuchen wollen, so muss er sich die – längst überfällige – Frage gefallen lassen, ob seine Angestellten denn heute nicht ausgelastet sind.

Bereits nach geltendem Recht setzt das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) die Rahmenbedingungen, wonach es Menschen mit Beeinträchtigungen erleichtert wird, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, selbständig Kontakte zu knüpfen, sich aus- und weiterzubilden etc. Erst am 20. Dezember 2024 hat der Bundesrat die Botschaft zur Teilrevision des BehiG verabschiedet. Darin werden weitergehende Rechte und Pflichten auch für Arbeitgeber sowie Anbieter von Dienstleistungen vorgesehen. Den Kantonen steht es zudem frei, eigene Gesetz in diesem Bereich zu erlassen.

Begrüsst wird der Ansatz, wonach der Auftraggeber, hier die Invalidenversicherung (IV) die Wirtschaftlichkeit von Leistungen nicht nur besser überprüfen, sondern auch mehr Einfluss darauf nehmen kann. Da Sozialversicherungen einen öffentlichen Auftrag haben und deren Leistungen einerseits vom Versicherungskollektiv, aber auch der öffentlichen Hand getragen werden, ist es nur angebracht, dass sie auch wirksame Mittel erhalten, um die Finanzen effizient und wirtschaftlich einsetzen zu können. Der Vorentwurf sieht vor, dass der IV nicht nur subsidiär, sondern gleichermassen wie andere Vergütungsarten, das Vergabeverfahren zur Verfügung gestellt wird. Zudem ist ein Einsichtsrecht in die Kalkulationsgrundlagen der Leistungserbringer vorgesehen sowie eine Pflicht der Letzteren, Vergünstigungen, die der Leistungserbringer vom Lieferanten erhält, im Bereich Hilfsmittel an die IV (und aufgrund der Verweisnorm auch an die AHV) weiterzugeben. Wenn sich die SVP auch für den grösstmöglichen Wettbewerb ausspricht, so muss festgestellt werden, dass es sich im Gesundheitsbereich ohnehin nicht um einen freien Wettbewerb handelt, sondern dass aufgrund vieler Faktoren zwangsläufig eine Wettbewerbsverzerrung stattfindet. Aufgrund der stetig steigenden öffentlichen Ausgaben, gerade bei der Invalidenversicherung, erachten wir diesen erweiterten Handlungsspielraum für die Kostenträger für zielführend und angemessen.

Damit die Massnahmen ihr Ziel nicht verfehlen, ist es unabdingbar, dass die zweckdienliche Zusammenarbeit sowie Kommunikation zwischen Invalidenversicherung und Arbeitgeber gewährleistet sind. Eine punktuelle arbeitsplatzbezogene Ausnahme von der Schweigepflicht resp. von dem Amtsgeheimnis ist dabei unumgänglich. Die Berufung auf den Datenschutz im Kontext der Resterwerbsfähigkeit darf nicht zu einer Ohnmacht betreffend Wiedereingliederung führen. Die notwendigen Informationen müssen gezielt fliessen, damit der Arbeitgeber die richtigen Massnahmen wie beispielsweise eine Funktions- oder Tätigkeitsveränderung prüfen kann. Alles andere bremst Fortschritte in Richtung Erwerb und damit die Verringerung der Kosten unnötig aus.

Die Vorlage möchte des Weiteren den Zugang zu Hilfsmitteln und Assistenzbeiträgen für Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit ausweiten. Der Bundesrat schlägt vor, die spezifischen Anspruchsvoraussetzungen für diese Personen aufzuheben. Dieser Vorschlag führt jedoch viel zu weit, da diese Einschränkung u.U. gut durch persönliche Umstellungen und Anpassung überwunden werden kann, weshalb es nicht zielführend ist, staatliche Leistungen von Anbeginn an flächendeckend zu gewähren. An erster Stelle sollte in Fällen nur teilweiser oder geringer Einschränkungen die Hilfe zur Selbsthilfe stehen, um keine Chronifizierung der Hilflosigkeit herzustellen.

Die Anzahl an Assistenzbeiträgen sowie die Kosten steigen bereits stetig. Wenn nun eine Ausweitung bei Personen mit Einschränkungen vorgenommen wird, die nur in gewissen Bereichen Hilfe benötigen, so verlagern wir die Zuständigkeiten und Kosten immer weiter an den Staat. Wo früher Familie, Freunde, Vereine, Kirchen zur Seite standen, soll nun für alles die öffentliche Hand herhalten. Damit besteht zudem die Gefahr, dass ein Überangebot an Leistungen von den Steuerzahlern zu finanzieren ist, was nicht statthaft ist.

Angesichts der steigenden Pflege- und Krankheitskosten spricht sich die SVP für ein Konzept von sog. Zeitgutschriften für Betreuungshilfen aus. Ein Anteil der Entschädigung soll zur Abfederung der Kosten durch Zeit im Bereich der Freiwilligenarbeit entgolten werden. Wenn also die helfende Person später selbst Unterstützung benötigt, kann sie diese Gutschrift für sich einlösen. Die steigenden Bedürfnisse und Begehrlichkeiten können nicht bis ins letzte Detail dem Staat aufgebürdet werden, es braucht hier innovative Lösungen.

Weiter ist vorgesehen, dass die in der Krankenversicherung bereits etablierten Auslandpreisvergleiche zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit analog für die Hilfsmittel auf die IV übertragen wird. Dieser Ansatz kommt dem Ansatz der Kostenwahrheit entgegen. Wir sprechen uns unter der Bedingung dafür aus, dass bei der Preisverhandlung den vergleichsweise erhöhten Herstellungskosten in der Schweiz gebührend Rechnung getragen wird. Achtsamer Umgang mit den Kosten im IV-Bereich und Respektierung der Herausforderung für die lokalen Hersteller dürfen sich nicht ausschliessen.

Arbeitgeber sollen die Möglichkeit erhalten, ein Gesuch für ein Hilfsmittel einzugeben, wenn dies für die berufliche Tätigkeit für notwendig erachtet wird. Wir begrüssen diese zweckmässige Regelung, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Gleichzeitig sollen damit keine weiteren Untersuchungen Richtung Rente verbunden sein.

Die Regelung, wonach Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Organisationen einbezogen werden müssen, beispielsweise in strategisch und operativ verantwortliche Organe von Bund und Kantonen, aber auch in privatrechtliche Organisationen, welche öffentliche Aufgaben wahrnehmen, halten wir für viel zu weit führend. Behindertenlobbys sind bereits bestens vernetzt und verschaffen sich erheblich Gehör, sie können sich auch jederzeit (ungefragt) einbringen. Ein derartiger struktureller Eingriff in die Organfunktionen und – noch schlimmer – in private Organisationen kann nicht akzeptiert werden. Es sollen die fachlich geeignetsten Personen Einsitz in Gremien jeglicher Art haben und keine «Quotenbehinderten». Im Bereich privater Organisationsformen ist dieses Vorhaben zudem ein völlig unangemessener Eingriff in die Privatwirtschaft, welcher strikt abgelehnt werden muss.

Der Bund möchte Mittel aus dem Fonds der Invalidenversicherung für Pilotversuche zur Verfügung stellen. Dies wäre nur akzeptabel, wenn tatsächlich andere Leistungen wegfallen würden. Zudem spricht sich die SVP für eine Kostenbeteiligung der potentiellen Begünstigtenkreise an den sog. Pilotprojekten aus, um die Ausgaben gerechter zu verteilen und den Staatshaushalt nicht konstant über Gebühr zu belasten. Auch hier gilt es, um effektive Lösungen zu erarbeiten, mit der Wirtschaft zusammen zu arbeiten. Ziel muss eine Erwerbstätigkeit auf dem ersten und nicht auf dem zweiten Arbeitsmarkt sein; damit wäre den Betroffenen wie auch den Bürgern am meisten gedient. Wir müssen endlich von der lebenslangen Rente weg und hin zu einer Hilfe zur Selbsthilfe gelangen. Jede Förderung der kontraproduktiven Opferhaltung führt zu einer in der Praxis unumkehrbaren Chronifizierungen der subjektiven oder objektiven Leiden.

Schliesslich werden die Kantone zu einer Erstellung eines Aktionsplans verpflichtet, obwohl die Kantone in ihrem Zuständigkeitsbereich in dieser Sache bereits sehr aktiv sind.

Zum Schluss muss beanstandet werden, dass der Bund ein Gesetzesvorhaben vorlegt, ohne zu wissen, wie viele Personen davon betroffen sein könnten. Diese Annäherung hätte erhebliche Relevanz für die Folgekostenabschätzung und ist unabdingbar. Selbst wenn die – von ihm selbst in Frage gestellte – Schätzung des Bundes von bis zu 13,2 Millionen Mehrausgaben pro Jahr annähernd korrekt wäre, so ist diese Mehrverschuldung, insbesondere bei der IV, gänzlich unverantwortlich. Es scheint, als sei der Bund blind, was die Entwicklung in der IV und damit deren Kostenexplosion anbelangt. Wir sind es der Bevölkerung jedoch schuldig, Klartext betreffend die marode IV zu sprechen und deren finanzielle Situation nicht auf dem Buckel der jungen Generation laufend zu verschlimmbessern. Es ist nun dringend angezeigt, dass der Bund die IV-Kosten in den Griff bekommt und Varianten aufzeigt, um das Kostenwachstum markant und nachhaltig zu bremsen sowie die Ausgaben langfristig erheblich zu senken.

Die SVP spricht sich entschieden gegen die weitere vorgeschlagene Mengen- und erheblichen Kostenausweitung im Bereich der IV-Leistungen aus. Die laufenden Gesetzgebungsarbeiten der vergangenen Jahre sollten zuerst abgewartet werden, bevor wieder neue Projekte und Ansprüche geplant werden. Die neuen Vorgaben für die Kantone stellen einen unnötigen Eingriff in die föderalen Strukturen dar. Die Kantone sollen selbständig über Unterstützungsangebote entscheiden können, die sie bezahlen. Es besteht zudem die Gefahr, dass weitere, einklagbare Ansprüche entstehen in einer Zeit, in welcher wichtige Finanzierungslösungen beispielsweise im Bereich der AHV noch ausstehen. Auf die Änderungen ist deshalb zu verzichten, die bewährten föderalen Strukturen sind beizubehalten und es ist auf gezielte Massnahmen im bestehenden Rechtsrahmen zu setzen.

 
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