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„Schadenfall“ Demokratie?

Früher Sonntagnachmittag, 29. November 2009. Die Gesichter von Politologen, Kommentatoren, Moderatoren und Politikern zur Minarettverbots-Abstimmung werden immer länger, je mehr sich das Ja…

Hans Fehr
Hans Fehr
Nationalrat Eglisau (ZH)

Früher Sonntagnachmittag, 29. November 2009. Die Gesichter von Politologen, Kommentatoren, Moderatoren und Politikern zur Minarettverbots-Abstimmung werden immer länger, je mehr sich das Ja abzeichnet. Anfänglich klammern sie sich noch an den Rettungsanker „verpasstes Ständemehr". Als auch diese Hürde problemlos genommen ist, bleibt kaum verdeckte Ratlosigkeit.
Umso mehr reagiert die offizielle Schweiz: Vor allem die Bundesrätinnen Widmer-Schlumpf und Calmy-Rey telefonieren und reisen umher und starten eine hektische Entschuldigungsdiplomatie – notabene für einen demokratischen Volksentscheid! – um den „Schaden zu begrenzen".

Schadensbegrenzung? Im Grunde genommen heisst das doch nichts anderes, als dass unsere direkte Demokratie in den Augen der sogenannten „Elite" Schaden angerichtet habe und somit ein Schadenfall sei. Sind nicht eher die betreffenden Bundesrätinnen der Schadenfall?

Es kommt noch dicker. Die Justizministerin, die Aussenministerin, der scheidende Bundespräsident, Rechtsprofessoren, Linke und nette Politiker(innen), Theologen, Gutmenschen und kopflose Internationalisten bezweifeln, dass die Minarett-Initiative umsetzbar sei, weil sie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beziehungsweise dem Völkerrecht widerspreche. Einige meinen, der „Fehlentscheid" müsse rasch rückgängig gemacht werden. Der Europäische Gerichtshof in Strassburg müsse ein Machtwort sprechen. Mit abenteuerlichen Argumenten wird Totengräberei an unserer Demokratie betrieben.

Das ist ein ausgekochter Skandal. Denn der schweizerische Souverän (laut Verfassung das Volk und die Kantone) hat mehr als deutlich entschieden. In unserer direkten Demokratie haben das Volk und die Kantone das letzte Wort.
Es gibt eine einzige Ausnahme: Zwingendes Völkerrecht darf nicht verletzt werden. Sonst würde eine Volksinitiative von der Bundesversammlung als ungültig erklärt. Das zwingende Völkerrecht beinhaltet das Verbot der Folter, der Sklaverei, des Angriffskrieges und des Völkermords. Das Minarettverbot hat damit selbstverständlich nichts zu tun; auch die Glaubensfreiheit ist nicht tangiert.

Die erwähnten Totengräber der Demokratie versuchen, möglichst alles, was unter dem Begriff Völkerrecht, internationales Recht, internationale Konventionen (Beispiel Europäische Menschenrechtskonvention) figuriert, als „zwingend" zu erklären. Hand in Hand damit wollen sie die Gültigkeit von Volksinitiativen massiv einschränken und die Volksrechte aushebeln. Sie wollen die ihnen lästigen Hürden zum EU-Beitritt beseitigen.

Was ist zu tun? Das Volk hat entschieden. Die Amtsträger der Schweiz – Bundesrat, Parlament, Gerichte, Verwaltung – haben den Volkswillen zu vollziehen und zu respektieren. Sie müssen gegenüber heuchlerischen Vorwürfen und Angriffen aus dem In- und Ausland standfest bleiben, statt sich für Volksentscheide zu entschuldigen und „Schadensbegrenzung" zu betreiben. Falls sie damit Mühe haben, sind sie definitiv am falschen Platz. Und was „Strassburg" betrifft, ist Gelassenheit angesagt. Nötigenfalls ist in letzter Konsequenz die EMRK zu kündigen, und wir treten unter Vorbehalten wieder bei.

Hans Fehr
Hans Fehr
Nationalrat Eglisau (ZH)
 
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