Editorial

Die „fremden Richter“ hocken bereits im Bundesgericht

Höchste Zeit, dass wir sie an die Kandare nehmen und mit der Selbstbestimmungsinitiative daran erinnern, dass in der Schweiz die Bundesverfassung das oberste Recht darstellt.

Thomas de Courten
Thomas de Courten
Nationalrat Rünenberg (BL)

Im politischen Alltag mehren sich die Ereignisse in immer kürzerer Kadenz, bei denen man mindestens einmal leer schlucken muss. So habe auch ich Ende November leer geschluckt – sogar dreimal – beim Lesen einer Kolumne von Katharina Fontana in der NZZ, die in der Einleitung treffend als "dicke Luft im Bundesgericht" umschrieben war. Das Bundesgericht scheint mit Bezug auf das internationale Recht bewusst über Volksentscheide, die eigene Verfassung, das eigene Recht und das Parlament hinwegzugehen, was einem Staatsstreich gleichkommt.

Worum geht’s? Eine chinesische Staatsbürgerin war 2004 für eine Geburt nach Irland gereist und hat so für ihr Kind (und in der Praxis wohl auch für sich selbst) die dortige Staatsbürgerschaft und damit auch die Unionsbürgerschaft erlangt – also dauerhaftes Aufenthaltsrecht in der EU und den Anspruch auf volle Personenfreizügigkeit (auch für die Schweiz). Eine clevere Masche, um den Drittland-Status zu umgehen. Selbstverständlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg diesen Status in einem Urteil geschützt. Gemäss einem Urteil unseres Bundesgerichts (BG) ist diese Ausweitung des Aufenthaltsrechts grundsätzlich auch von der Schweiz zu übernehmen – ungeachtet der von Volk und Ständen kürzlich klar gutgeheissenen Masseneinwanderungsinitiative, welche eine Beschränkung und eigenständige Steuerung der Zuwanderung verlangt.

Fremdes Recht oder eigene Verfassung?
Ich missgönne der chinesischen Mutter und ihrem Baby die Unionsbürgerschaft  nicht, solange damit für das Nicht-EU-Mitglied Schweiz keine Nachahmungspflicht eingefordert  wird. Mein wachsendes Problem ist dabei allerdings die gerade am Bundesgericht zunehmend zutage tretende Haltung: "Uns doch wurscht, was der Souverän an der Abstimmungsurne entschieden hat: Für uns gelten unbesehen die EU-Praxis und die Urteile des EuGH." Eine unhaltbare Einstellung – und geradezu eine Verhöhnung der direkten Demokratie und der Stimmbevölkerung in unserem Land! Fremdes, internationales Recht wird höher gewichtet als die eigene Bundesverfassung.

Richter stellen sich über Volk und Parlament
In der Medienmitteilung des Bundesgerichtes zum besagten Fall kommen noch viel tieferschürfendere demokratische Missstände zum Vorschein: „Die neue Verfassungsbestimmung zur Steuerung der Zuwanderung (Art. 121a BV) stellt keinen triftigen Grund dar, um von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes abzuweichen.“ Das Bundesgericht missachtet willentlich einen legitimen Volksentscheid und stellt sich selber und den Europäischen Gerichtshof über die direkte Demokratie. Die Richter gehen aber noch weiter. Sie stellen sich nicht nur über das Volk, sondern auch über das Parlament als Gesetzgeber: „Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit dem FZA bereits entschieden, dass diesem gegenüber nationalem Recht Vorrang zukommt, selbst wenn das Gesetz vom FZA bewusst abweichen würde (BGE 133 V 367).“ Das heisst konkret: Selbst wenn der Bundesrat und das Parlament gestützt auf einen Volksentscheid die Zuwanderungsinitiative umsetzen würden, würde das Gericht sich darum foutieren. Die internationale Sphäre steht für die Bundesrichter autoritär über allem. Die Selbstbestimmung von Volk und Parlament wird mit Füssen getreten. Dies kommt einem regelrechten Staatsstreich gleich.

Direkte Demokratie wird missachtet
Zur Ehrenrettung des Bundesgerichts sei erwähnt, dass – gemäss NZZ-Artikel –  die einzelnen Abteilungen in Lausanne im Hinblick auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative recht unterschiedlich urteilen. Während in Lausanne einzelne Kammern im Hinblick auf diese Umsetzung grosse Zurückhaltung oder gar Abwarten üben, prescht die zweite öffentlichrechtliche Abteilung – nicht zum ersten Mal – unter Missachtung demokratischer Volksentscheide wie ein Elefant durch den direktdemokratischen Porzellanladen. So hat denn auch der EuGH-hörige Entscheid dieser Abteilung für die besagte "dicke Luft" im BG gesorgt.

Besorgnis über das Bundesgericht ist dennoch angesagt, denn ausgerechnet unser oberstes Gericht setzt sich immer mehr arrogant über unsere Verfassung und das Parlament hinweg. Die "fremden Richter" hocken also bereits in Lausanne. Höchste Zeit, dass wir sie an die Kandare nehmen und mit der Selbstbestimmungsinitiative daran erinnern, dass in der Schweiz die Bundesverfassung das oberste Recht darstellt.

Thomas de Courten
Thomas de Courten
Nationalrat Rünenberg (BL)
 
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