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Energie
Editorial

Ganzheitliche Betrachtung der schweizerischen Energiepolitik

Die Ereignisse im japanischen Kernkraftwerk Fukushima haben innenpolitisch zu einer veritablen Kakophonie geführt. Zahlreiche Politiker aus fast allen Parteien überbieten sich derzeit mit…

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)

Die Ereignisse im japanischen Kernkraftwerk Fukushima haben innenpolitisch zu einer veritablen Kakophonie geführt. Zahlreiche Politiker aus fast allen Parteien überbieten sich derzeit mit Ausstiegsszenarien aus der Kernenergie. Kaum jemand stellt indes neben der Frage der technischen Sicherheit die ebenfalls wichtigen Fragen nach der Versorgungssicherheit und den künftigen Energiekosten, obwohl für die Bevölkerung und die Wirtschaft diese Fragen letztlich von entscheidender Bedeutung sein dürften. Die SVP ist sich ihrer diesbezüglichen Verantwortung für das Land bewusst und mahnt deshalb zur Besonnenheit.

Ältere AKW sofort abschalten, Wasserkraft ausbauen, den Widerstand gegen Windkraftwerke aufgeben, neue erneuerbare Energien massiv fördern, Solarpanels auf jedes Dach, die gesetzlichen Grundlagen für den Bau von Gaskraftwerken anpassen, ein neues AKW bauen, dafür alle alten abschalten und so weiter und so fort. Das Angebot an Ideen zum Ersatz von Kernkraftwerken in der Schweiz ist schier grenzenlos. Fast alle Parteien sind nun getrieben von kurzfristigem Aktivismus als Folge der Ereignisse in Japan. Kaum jemand behält einen kühlen Kopf. Dass die Strombranche in dieser Frage eine mehr oder weniger indifferente Haltung einnimmt, überrascht nicht weiter. Sie kann es letztlich der Politik überlassen, zu entscheiden, woher der Strom in Zukunft kommen soll. Der Markt sichert auch bei höheren Stromkosten entsprechende Erträge.

Bezahlbarer Strom für alle
Alle laufenden Diskussionen blenden zwei zentrale Faktoren aus. Zum einen sind die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft auf genügend Strom angewiesen. Zum anderen muss dieser Strom auch in Zukunft bezahlbar sein und darf nicht zum Luxusgut für Reiche werden. Dass dies nicht selbstverständlich ist, ergibt sich schon aus dem komplexen Versorgungssystem, das wir in der Schweiz haben. Die kurz- und mittelfristige Verfügbarkeit der einzelnen Träger des Strommix‘ ist bereits heute weitgehend ausgeschöpft. Die Ausbaumöglichkeiten der Wasserkraft sind beschränkt und werden zurzeit durch restriktive Forderungen aus dem links-grünen Lager blockiert. Zusätzliche Stromimporte werden immer unrealistischer, da auch andere Länder einen steigenden Strombedarf aufweisen und neue Kapazitäten erschliessen müssen. Importe brauchen zudem entsprechende Leitungsnetze, stammen häufig selbst aus nuklearer Produktion der Nachbarländer und werden in der Tendenz auf dem internationalen Markt immer teurer. Neue erneuerbare Energien werden erst in einigen Jahrzehnten bezahlbaren Strom in grösserer Menge zur Energieversorgung beisteuern können. Gas schliesslich kommt häufig aus Ländern mit instabilen politischen Perspektiven. Die Versorgungssicherheit ist damit also nicht vollumfänglich gewährleistet. Kommt hinzu, dass die zunehmende Ausrichtung der Energiepolitik auf die Klimafrage zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Strom als Ersatz für fossile Energieträger führt. Auch hier existiert also ein offensichtlicher Zielkonflikt. Wer sich von der Kernenergie verabschieden will, muss konsequenterweise auch die Diskussion über Klimamassnahmen im Inland auf Eis legen. Die gleichen Kreise, welche jetzt vehement und unverzüglich aus der Kernenergie aussteigen möchten, propagieren die radikalsten CO2-Reduktionen. Die ambitiösen Ziele sind ohne die CO2 freie Kernenergieproduktion nicht zu erreichen, schon gar nicht vor dem Hintergrund fossiler Grosskraftwerke als Ersatz für die bestehenden Kernkraftwerke. Und bei fast allen Alternativen zur Kernenergie stellen sich letztlich ebenfalls Fragen zur technischen Sicherheit. Einen Strommix ohne Risiken wird es wohl nie geben.

Gravierende Folgen für die Wirtschaft und die Bevölkerung
Die Folgen einer Verknappung von Strom und einer Erhöhung der Preise wären gravierend. Die produzierende Industrie ist auf kostengünstige Energie angewiesen, ansonsten ist die Konkurrenzfähigkeit nicht mehr gegeben. Ironischerweise wäre die erste Industrie, die von weiter steigenden Strompreisen betroffen wäre, die energieintensive Recycling-Industrie in der Schweiz. Sekundärrohstoffe würden also in Zukunft vollumfänglich exportiert und nicht mehr in der Schweiz verarbeitet. Bezüglich Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit wäre dies ein weiteres fatales Eigentor. Aber auch für alle anderen Branchen wären die Folgen schwerwiegend. Der zunehmende Stromhunger in der Schweiz ist nicht zuletzt auch eine Folge der Zuwanderung der letzten Jahre. Der öffentliche Verkehr, die Infrastrukturen im Dienstleistungsbereich und viele andere Anwendungen sind auf grosse Mengen von Strom angewiesen. Davon hängen letztlich Hunderttausende von Arbeitsplätzen ab. Aber auch im privaten Bereich wären die Folgen einer mangelnden Verfügbarkeit und weiteren Verteuerung von Strom dramatisch. Einschränkungen im täglichen Leben, die Gefahr von Stromausfällen und eine massive Verteuerung der Lebenshaltungskosten wären die Konsequenz. Welcher Politiker wird dafür die Verantwortung tragen?

Besonnenheit statt Überreaktionen
All jene, die nun einen Ausstieg aus der Kernenergie fordern, müssen auf die skizzierten Fragestellungen realistische Antworten liefern. Bisher blieb der Tatbeweis aus. Die SVP hält auch künftig an einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der schweizerischen Energiepolitik fest. Dabei spielen sichere Technologien, Versorgungssicherheit, Umweltfreundlichkeit und bezahlbarer Strom eine gleichwertige Rolle. Für die SVP ist deshalb klar, dass es nun ein seriöses Abwägen einzelner Handlungsoptionen braucht. Einseitige Schnellschüsse mit gravierenden Folgeschäden für unser Land, die Bevölkerung und den Wirtschaftsstandort sind das letzte, was wir brauchen. Mehr Besonnenheit in der politischen Debatte wäre hingegen wünschenswert.

Martin Baltisser
Martin Baltisser
Bern (BE)
 
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