Die Pamir-Schule

Die Volksschule ist ein beliebtes Tummelfeld für Reformen und Experimente geworden. Frontalunterricht mit dem Klassenlehrer vor seiner Klasse ist passé. Heute gilt selbstverantwortetes Lernen…

Toni Brunner
Toni Brunner
Nationalrat Ebnat-Kappel (SG)

Die Volksschule ist ein beliebtes Tummelfeld für Reformen und Experimente geworden. Frontalunterricht mit dem Klassenlehrer vor seiner Klasse ist passé. Heute gilt selbstverantwortetes Lernen, Gruppenarbeiten, ein Filmchen auf dem I-Pad erstellen, Projektkonzepte erstellen, viel Geschwätz und Herumlaufen im Schulzimmer. Die Lehrerperson unterrichtet nicht, sondern ist voll beschäftigt mit dem Classroom- Management.

Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich im Durcheinander und Chaos nicht konzentrieren können, denen wird – ja ich weiss, Sie meinen ich scherze -empfohlen sich ganz einfach einen Pamir (ein Militär-Hörschutzgerät) aufzusetzen. Damit ist man auch auf die Bedürfnisse dieser Schülergruppe eingegangen. Denn schlussendlich ist der Lehrer nur ein Coach, der zur Verfügung steht, um den Schülerinnen und Schülern beizustehen im eigenverantwortlichen Bestimmen der Lerninhalte und natürlich auch der entsprechenden Lernmethode. Kein Drill, kein Vollstopfen von Vorne, die Kinder sollen kreativ arbeiten und gestalten, ihren Bedürfnissen entsprechend. Der Lehrer als Zeitablaufmanager im Class-Room hat aber weder Zeit noch ist es seine Überzeugung das Gelernte einzuüben, denn hier ist das selbständige Entdecken wichtig. Das Einüben indessen kann zu Hause bei stundenlangen Hausaufgaben erledigt werden, sofern erwünscht natürlich.

Es gibt Schulen und Schulzimmer wo das eben beschriebene tatsächlich zum Alltag geworden ist. Seien Sie Willkommen im Zeitalter der Pamir-Schule. Was wie ein Witz tönt, ist heute aber leider bitterer Alltag. Das gute alte Militär-Hörschutzgerät findet reissenden Absatz, allerdings nicht für die Ausrüstung breiter Panzerverbände, sondern zur Aufrüstung der Schulzimmer.

Die Folgen solcher Bildungsideale werden langsam aber sicher spürbar. Die Schule und das Elternhaus bereiten nicht mehr auf das reale Berufsleben vor. Bei einfachsten Kopfrechnungen oder beim Verstehen eines gelesenen Textes (Benutzermanual) stehen heute schon viele an. Noch schlimmer sind die grossen Lücken beim konzentrierten, vorsichtigen und sauberen Arbeiten.

Aber wohin bewegt sich unsere Schule: Darüber werden wir am heutigen Tag viel hören und auch aufzeigen, was wir von Seiten der SVP fordern.

Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass noch eine Klammerbemerkung machen. Nächste Woche wird der Nationalrat das UNO-Übereinkommen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen behandeln, die sogenannte Behindertenkonvention. Die Zielsetzung dieses Übereinkommens ist, die Diskriminierung der weltweit über eine Milliarde Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu bekämpfen und ihre selbstständige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu fördern. Wer könnte schon etwas gegen solch hehren Ziele haben.

Doch aufgepasst. Es lohnt sich genauer hinzusehen, auch wenn die zuständige Kommission mit Ausnahme der SVP im Eilzugtempo und auf Empfehlung des Bundesrates diese Konvention genehmigen möchte.

Nicht nur uns, auch den Kantonen und Arbeitgeberverbänden macht dieses Geschäft grosse Sorgen, insbesondere der Art. 24 des Übereinkommens im Bereich der Bildung. In den umliegenden Ländern, die dieses Übereinkommen bereits ratifiziert haben, führt dies zu grossen Problemen, da das Übereinkommen eine sog. Inklusion fordert. Dies bedeutet, dass alle Kinder das Anrecht auf eine Beschulung in der „Regelschule“ haben, Sonderschulen würden abgeschafft. In der Vernehmlassung an den Bundesrat haben über 20 Kantone verlangt, dass zu Art. 24 ein Vorbehalt gemacht werden soll. Der Bundesrat hat in seiner Botschaft dieses Anliegen der Kantone überhaupt nicht aufgenommen.

Dieses Übereinkommen fordert also die Integration – auch Schwerstbehinderter – in unser Regelschul- und Arbeitssystem. Mit Verlaub meine Damen und Herren, ich habe selber einen behinderten Bruder und kann hier immerhin aus meinem eigenen Erfahrungen schöpfen. Mein Bruder hat das Down-Syndrom und damals eine für ihn passende Schule besucht, eine sogenannte Heilpädagogische Schule. Nicht die Regel-Klasse. Man hätte nämlich weder ihm noch den Gleichaltrigen einen Gefallen getan, hätte er denselben Schulstoff lernen müssen, wie alle anderen Kinder. Er hätte keine Lernerfolge erzielen können und sowohl Lehrer und Klasse hätten trotzdem viel Zeit und Aufmerksamkeit in ihn investieren müssen. Verlierer wären am Schluss alle gewesen.

Sie können sich vorstellen, bereits haben viele Länder dieses UNO-Übereinkommen unterschrieben. Papier ist geduldig. Aber wir alle wissen, wie es in der Schweiz laufen wird. Nach der Ratifikation wird sich die Schweiz sofort an die buchstabengetreue Umsetzung machen. Auch für unseren Werkplatz wäre diese Konvention ein massiver Eingriff. Mit dieser Hintertüre soll für Behinderte indirekt ein „Recht auf Arbeit“ eingeführt werden. Die bereits mehrmals im Parlament abgelehnten – Arbeitsplatzquoten für Behinderte würden so zur Realität.

Werte Delegierte und Gäste, unser heutiger Sonderparteitag zum Thema Berufswelt und Volksschule kommt zum richtigen Zeitpunkt. Es ist wichtig und richtig, wenn die SVP einen Contra-Punkt zum herrschenden Zeitgeist setzt. Wir skizzieren und diskutieren heute unsere Haltung mit jenen Lösungsansätzen, die aus unserer Sicht die Volksschule und die Berufsbildung wieder stärken.

Toni Brunner
Toni Brunner
Nationalrat Ebnat-Kappel (SG)
 
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