Kein Korsett für Grossbanken

Seit mindestens einem Jahr steht die Welt auf dem Kopf. Nach einer Hypothekenkrise in den USA sind die Finanzmärkte weltweit eingebrochen, das Vertrauen in und sogar zwischen den Banken ist…

von Nationalrat Pirmin Bischof, Solothurn (CVP/SO)

Sehr geehrter Herr Parteipräsident,
Sehr geehrter Herr Bundesrat,
Geschätzte Damen und Herren Delegierte,
Liebe Gäste,

Ich danke Ihnen herzlich für die Einladung und bin mir bewusst, dass ich keinen leichten Stand habe, wenn hier eine andere Meinung vertrete als die Mehrheit der SVP-Fraktion im Nationalrat.

Worum geht es?

Seit mindestens einem Jahr steht die Welt auf dem Kopf. Nach einer Hypothekenkrise in den USA sind die Finanzmärkte weltweit eingebrochen, das Vertrauen in und sogar zwischen den Banken ist geschwunden. Staaten haben in grossem Stil Banken und Versicherungen mit Geld des Steuerzahlers gestützt und sogar reihenweise Banken verstaatlicht. Gegenwärtig greift die Finanzkrise weltweit auf die so genannte reale Wirtschaft über: Die Umsatzzahlen in vielen Branchen brechen ein, Arbeitslosigkeit droht. Auch in der Schweiz musste der Bund (mit Unterstützung aller grossen Parteien) im letzten Oktober ein gigantisches Rettungspaket für die UBS, die grösste Schweizer Bank, schnüren und ihr aus Steuermitteln 6 Milliarden Franken in Form einer Pflichtwandelanleihe zur Verfügung stellen. Zudem kauft die Nationalbank der UBS über eine so genannte Zweckgesellschaft für fast 40 Milliarden Franken faule Papiere ab.

Wir alle reagierten mit Unglauben und dann mit Wut auf dieses menschengemachte Erdbeben. Wie kann es sein, dass eine kleine Gruppe raffgieriger Banker ein tausende von Milliarden hohes Kartenhaus errichten kann, das innert Monaten zusammenbricht? Wie kann es sein, dass die Spitzen der meisten Grossbanken dies geduldet oder sogar gefördert haben? Wie kann es sein, dass ausgerechnet in der meistregulierten Branche alle Kontrollen versagt haben, alle Sicherungen durchgebrannt sind? Ich habe Vermutungen, aber ich kann Ihnen die Fragen nicht beantworten. Wahrscheinlich kann das niemand hier drin. Aber die Regierungen und Gerichte werden die Fragen in den nächsten Monaten und Jahren beantworten müssen, um Verantwortlichkeiten zu klären und ein solches Wirtschaftsdesaster für die Zukunft zu vermeiden.

Uns bleibt jetzt zu fragen, was wir für die Zukunft vorkehren müssen. Der Nationalrat hat mit den Stimmen der SVP und der SP eine Kommissionsmotion überwiesen, die unter anderem verlangt, dass der Bund für die Dauer des Engagements bei der UBS einen Sitz im UBS-Verwaltungsrat beansprucht und dass er eine gesetzliche Zerschlagung aller Grossbanken in selbständige Tochtergesellschaften prüfen soll, um das künftige Risiko für den Steuerzahler zu verringern.

Der Vorstoss würde eine tiefgreifende Änderung unserer Wirtschaftsverfassung darstellen. Er wäre aber meines Erachtens nicht nur nutzlos, sondern vor allem gefährlich. Warum?

Stichwort Trennbankensystem: Man kann schon die Grossbanken gesetzlich zwingen, sich in selbständige Tochtergesellschaft aufzuteilen. Nur: Gegenüber heute bleibt damit das Risiko für den Bund bestehen, dass das ganze Konstrukt zusammenbrechen kann. Denn das so genannte Durchgriffsrecht und die Beistandspflicht bleiben auch in einer solchen „Holding“ bestehen, einer Familie von Mutter-, Tochter- und Schwestergesellschaften. Gesetzlich ändern können wir das kaum, weil es oft in ausländischem Recht steht. Wirkungsvoll wäre wenn schon der komplette Verkauf von Firmenteilen ohne wirtschaftliche und rechtliche Bindungen. (Übrigens, im Nachhinein sind wir ja alle klüger: Wahrscheinlich hätte die Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein zur UBS gar nicht genehmigt werden dürfen.) Schlimmer noch: Mit einem erzwungenen Holdingkorsett riskieren wir, das Vertrauen der Kreditgeber, der anderen Banken und vor allem der Kunden in eine solcherart zerstückelte Grossbank noch weiter zu schwächen. Wir würden also das Risiko für den Steuerzahler, dass es zu einem weiteren Schadenfall kommt, nicht verringern, sondern erhöhen.

Stichwort Verwaltungsrat: Auf den ersten Blick macht es Sinn, wie SVP und SP fordern, für den Bund angesichts des Riesenengagements der Steuerzahler einen Verwaltungsratssitz zu verlangen und dadurch den bestimmenden Einfluss des Bundes auf die Bank zu dokumentieren und zu sichern. Nur: Die UBS hat grosse Prozessrisiken in den USA, zum Teil aus Sammelklagen. Mit einem Verwaltungsratssitz steigt das Risiko eines Durchgriffs auf den Bund. Dadurch würden Kläger geradezu zu weiteren Klagen gegen die Bank ermuntert. Auch hier würde also das Risiko für den Bund nicht sinken, sondern steigen.

Der Bundesrat hat auf eine Motion der SVP-Fraktion hin den Auftrag, eine Expertenkommission einzusetzen, die frei alle Varianten prüfen soll, um untragbare Risiken für die schweizerische Volkswirtschaft zu verhindern. Dies ist der richtige Weg. Es ist unnötig und gefährlich, jetzt nachträglich die Lösungssuche voreilig einzuschränken.

 
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