Landesverweis und Ausschaffungen: eine historische und juristische Perspektive

Es ist die älteste und wohl auch natürlichste Sache der Welt, dass Gruppen selbst darüber entscheiden, wen sie aufnehmen wollen und wen nicht. Selbst die Familie, in die man ja natürlicherweise…

Caspar Baader
Caspar Baader
Nationalrat Gelterkinden (BL)

Es ist die älteste und wohl auch natürlichste Sache der Welt, dass Gruppen selbst darüber entscheiden, wen sie aufnehmen wollen und wen nicht. Selbst die Familie, in die man ja natürlicherweise hineingeboren wird, muss unter Umständen ein Mitglied aus ihrem Kreis entfernen können, wenn dieses unkontrolliert gewalttätig wird und die Angehörigen in Gefahr bringt. Auch Vereine sind nicht verpflichtet, jedermann aufzunehmen. Vereine bestimmen selbständig in ihren Statuten die Kriterien für die Aufnahme, aber auch für den Ausschluss ihrer Mitglieder. So geht das hinauf bis zu den politischen Gemeinwesen. Noch bis in die 1960er Jahre gab es auch in den Kantonen den sogenannten Kantonsverweis. Und der Landesverweis war bis zur letzten Revision, das heisst bis zum 31.12.2006 als sichernde Massnahme im schweizerischen Strafgesetzbuch enthalten (Art. 55 StGB).

Nun waren aber diese Landes- bzw. Kantonsverweise in früheren Jahrhunderten nicht immer frei von Willkür. So wurden zum Beispiel im 16. Jahrhundert Angehörige der Täufer oder anderer religiöser Minderheiten einzig aufgrund leichter Abweichungen in der Glaubensüberzeugung regelrecht davon gejagt. Aber auch Querköpfe und sonstige politisch Unangepasste mussten immer wieder das Weite suchen, wurden des Landes verwiesen und meist auf immer verbannt. Wer einer Mehrheit nicht mehr passte, musste gehen; egal, ob er vor Ort geboren oder zugewandert war. Wenn jemand die Obrigkeit störte, ihr zu aufsässig und unbequem wurde, sie kritisierte, musste sein Bündel packen und das Land verlassen; egal, ob er und seine Familie über Generationen Einheimische waren oder gerade vor kurzem zugezogen waren. Gegen diese Willkür auch gegenüber Einheimischen half erst die Einführung des Bürgerrechts. Dieses entstand erst mit der Entwicklung der modernen Nationalstaaten in Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und erst mit der Einführung des Bürgerrechts wurde eine klare Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern möglich, wobei einheimische Bürger – also Inländer – generell nicht mehr aus dem eigenen Land fortgewiesen werden konnten.

Darüber, liebe Parteimitglieder, sind wir ja alle froh, gibt es doch – glücklicherweise – gerade bei uns immer wieder Leute, die den Mut haben, gegen den elitären Konsens der Classe politique das Wort zu ergreifen. Nicht auszudenken, wo die Schweiz heute stünde, wenn alle, die gegen den politischen Mainstream schwimmen, einfach ausgeschafft werden könnten.

Die Unterscheidung zwischen Inländer und Ausländer ist also untrennbar mit einem modernen Staatsverständnis verbunden. Und kein anderer Staat auf dieser Welt lässt sich das Recht bestreiten, Ausländer, welche klar definierte Vorgaben dieses Staates nicht einhalten, wieder vor die Tür zu setzen. Dass Ausschaffungen aber heute nicht mehr einfach nach Belieben der Obrigkeit vollzogen werden können, sondern aufgrund von bestimmten Kriterien erfolgen müssen, ist eine Errungenschaft der modernen Rechtsstaaten, die niemand ernsthaft in Frage stellt. Auch wir tun das nicht. Ganz im Gegenteil: Ausschaffungen müssen auf einer klaren gesetzlichen Grundlage abgestützt sein; sie müssen aufgrund von klaren Kriterien erfolgen, die für jedermann im Voraus einsichtig sind, damit auch die Ausländer erkennen können, wann sie mit einer Ausschaffung rechnen müssen und wann nicht. Das ist eine Grundvoraussetzung für die Einhaltung des verfassungsmässigen Gebots der Rechtssicherheit, meine Damen und Herren, und Rechtssicherheit schulden wir allen Einwohnern unseres Landes.

Mit unserer Initiative wollen wir an die Adresse der Ausländer in unserem Land die Ausschaffungskriterien viel deutlicher fassen, als das bisher der Fall war. Deshalb erteilen wir mit unserer Initiative dem Gesetzgeber den Auftrag, im Rahmen der Initiativvorgaben eine Reihe von Straftatbeständen als Ausschaffungsgründe festzulegen. Wer als Ausländer diese Tatbestände – Mord, Vergewaltigung, Drogenhandel und andere – erfüllt, hat das Gastrecht in der Schweiz verwirkt und muss unser Land verlassen.

Wenn nun erzählt wird, dass diese Ausschaffungspraxis evtl. in Widerspruch treten könnte mit der Ausschaffungspraxis der EU-Staaten und wir deswegen mit der Umsetzung des Personenfreizügigkeitsabkommens Probleme bekämen, so ist das reine Einschüchterungspropaganda der Initiativgegner. Verlangt wird nur, dass neben dem begangenen Delikt auch die vom Täter ausgehende Gefahr und die Verhältnismässigkeit der Ausweisung geprüft werden. Bei einem begangenen Mord ist die Verhältnismässigkeit so gut wie immer gegeben. Und wenn die einschlägige EU-Richtlinie für die Ausschaffung eines EU-Ausländers verlangt, dass von ihm eine „tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr“ ausgehen muss, so lässt das den Ländern einen genug grossen Spielraum, um auch eine relativ scharfe Praxis zu entwickeln. Auch die EU-Staaten haben ja kein Interesse daran, gefährliche Ausländer nicht mehr loswerden zu können.

Auch wenn die künftige schweizerische Ausschaffungspraxis entgegen der heutigen Einschätzung im Vergleich zur Handhabung der Ausschaffungspraxis unter den EU-Staaten dereinst als zu streng beurteilt werden sollte, so kann der EU-Gerichtshof in Luxemburg unsere Wegweisungsentscheide trotzdem nicht kassieren. Mit der Unterzeichnung der bilateralen Verträge zur Personenfreizügigkeit haben wir uns nämlich in keiner Weise der Jurisdiktion des EU-Gerichtshofs unterworfen. Über allfällige Konflikte müsste schliesslich in paritätisch besetzten gemischten Ausschüssen entschieden werden, in denen die Schweiz gleich stark vertreten ist wie die EU. Heute könnte uns kein fremdes Gericht eine fremde Rechtspraxis aufzwingen. Folgerichtig bestätigte auch Prof. Thomas Cottier von der Uni Bern in der Sonntagszeitung vom 15. August 2010, dass die Ausschaffungsinitiative mit dem EU-Recht durchaus kompatibel ist.

Und nun zum Gegenentwurf des Parlaments – dieser verhindert Ausschaffungen
Meine Damen und Herren – die Gegner unserer Initiative versuchen diese zu diskreditieren. Sie wollen den Leuten einreden, dass die Initiative uns zusätzliche Probleme mit der EU bzw. generell mit dem internationalen Recht bringen wird. Sie wollen die Stimmbevölkerung einschüchtern, weil sie den Erfolg der Initiative fürchten – und dies zu Recht. Nur unsere Initiative ist nämlich tauglich, um gefährliche kriminelle Ausländer wirklich ausschaffen zu können. Der Gegenvorschlag unserer politischen Gegner würde Ausschaffungen schlicht verhindern. Daher sagt die SVP:

• Nein zur richterlichen und bürokratischen Verhinderung von Ausschaffungen
Mit dem Verweis auf die Grundrechtskonformität würde den zuständigen Behörden und Gerichten mit dem Gegenvorschlag ein immenser Ermessensspielraum eröffnet. Sie könnten in einem konkreten Fall etwa die Rechte des Verurteilten höher gewichten als das Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit und damit die Ausweisung verhindern. Auch der Hinweis auf das Völkerrecht ist viel zu allgemein. Er verzichtet auf die klare Unterscheidung zwischen zwingendem und allgemeinem Völkerrecht, welches mittlerweile eine Unzahl von Normen enthält, die eine Auslegung gegen eine Ausschaffung ermöglichen würden. Würde der Gegenvorschlag angenommen, wären fast keine Ausschaffungen mehr möglich und zudem würden diese zumindest in Folge von Rekursen über Jahre blockiert.

• Nein zur Verankerung der Integrationsförderung in der Verfassung
Der Gegenvorschlag verknüpft zudem die Ausschaffungsproblematik mit kostspieligen Integrationsmassnahmen. So wird in einem „Integrationsartikel“ festgehalten, dass Bund, Kantone und Gemeinden „bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Anliegen der Integration“ zu berücksichtigen hätten. Integration soll also neu zur staatlichen Aufgabe werden. Dabei ist Integration primär die Aufgabe der Ausländer, die in unser Land einwandern. Ohne den Integrationswillen der Ausländer kann es auch zu keiner Integration kommen. Die Verankerungen der Integration als Aufgabe von Bund, Kantonen und Gemeinden in der Verfassung ist daher sinnlos und kontraproduktiv.

• Nein zur schnellen Rückkehr in die Schweiz
Der Gegenvorschlag beinhaltet im Gegensatz zur Initiative kein Mindestmass für die Einreisesperre von ausgewiesenen Ausländern. Gemäss der Initiative darf eine ausgewiesene Person frühestens nach Ablauf von 5 Jahren wieder in die Schweiz einreisen. Somit könnte gemäss dem Gegenvorschlag auch nur eine Einreisesperre von einem Jahr ausgesprochen werden, die der straffällige Ausländer als ausgedehnten Heimatbesuch nutzen kann.

Die Gegner unserer Initiative haben den Ernst der Lage nicht erkannt. Sie verharmlosen die Situation. Anders kann man sich nicht erklären, weshalb sie unserer Initiative die Zähne ziehen wollen.

Meine Damen und Herren, es gibt nur eine wirklich taugliche Lösung – und das ist ein JA zur Ausschaffungsinitiative der SVP und ein klares NEIN zum Verhinderungs-Gegenvorschlag!

 

 

 

Caspar Baader
Caspar Baader
Nationalrat Gelterkinden (BL)
 
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