Referat

Schweizerisch – unschweizerisch

Eine Vorlage stand bis jetzt ganz und gar nicht im Fokus der öffentlichen Debatte. Viele Leute wissen gar nicht, dass wir am 3. März über einen sogenannten Familienartikel in der Bundesverfassung…

Toni Brunner
Toni Brunner
Nationalrat Ebnat-Kappel (SG)

Eine Vorlage stand bis jetzt ganz und gar nicht im Fokus der öffentlichen Debatte. Viele Leute wissen gar nicht, dass wir am 3. März über einen sogenannten Familienartikel in der Bundesverfassung abstimmen werden. Mit der heutigen Delegiertenversammlung der SVP Schweiz soll sich dies nun ändern.

So sehr die Medien auf den Schlagabtausch zwischen Christoph Blocher und Thomas Minder in der „Abzocker-Debatte“ fixiert sind, so wichtig ist es, dass die SVP beim Familienartikel klar und unmissverständlich Stellung bezieht. Es geht um Grundlegendes. Es geht um das Erfolgsmodell Schweiz.

Erfolgsmodell Schweiz
Die Schweiz hat es zu Wohlstand und Ansehen gebracht. Nicht wegen der Politiker, sondern trotz den Politikern. Die eigentliche Macht – und davon unterscheiden wir uns von den anderen Staaten – liegt beim Bürger. Nicht nur, dass in der Schweiz der Eigenverantwortung und damit dem individuellen Gestaltungsspielraum höchste Beachtung geschenkt wird, der Bürger hat ein eigentliches Veto-Recht und kann Fehlentwicklungen der Politik stoppen. Er ist der Gesetzgeber der Schweiz und hat das letzte Wort.

Das Erfolgsmodell Schweiz basiert auf einem denkbar einfachen Grundsatz. Wir lassen die Probleme nicht vom Zentralstaat lösen, sondern belassen die Macht und Kompetenzen auf der kleinstmöglichen Ebene. So wird in der kleinsten Gemeinschaft geregelt, was zu regeln ist. Das ist nicht der Staat, das ist die Familie.

Wenn die Familie Hilfe braucht, dann kommt die Gemeinde ins Spiel. Kann die Gemeinde ein Problem nicht lösen, kommt der Kanton ins Spiel. Und nur wenn der Kanton eine Aufgabe nicht selber lösen kann, kommt der Bund ins Spiel. Der Föderalismus ist ein bewährtes System und hat die Schweiz zu dem gemacht, was sie heute ist.

Unschweizerisch
So gesehen ist die Festschreibung eines neuen Artikels zur Familienpolitik in der Bundesverfassung ein Angriff auf die bewährte Kompetenzverteilung in unserem Land und zutiefst unschweizerisch.

Die Familien waren in der Schweiz über lange Zeit weitgehend unbehelligt von staatlichen Vorgaben und übermässigen Eingriffen. Die Eigenverantwortung bei der Wahl des Familienmodells, der Form der Partnerschaft oder der Erziehung der Kinder wurde bisher gross geschrieben.

Jede Familie sollte auf ihre Art und Weise glücklich werden. Getreu dem föderalistischen Modell, sprang der Staat insbesondere dort ein, wo Not herrschte.

Gegebenenfalls wurden auf Stufe der Gemeinden und allenfalls der Kantone massgeschneiderte Angebote für bestehende Bedürfnisse von Familien in Ergänzung zu privater Initiative definiert.

Wer die Kinder selber erziehen wollte, konnte das tun. Ergänzend dazu sind an verschiedenen Orten Kinderkrippen oder Einrichtungen entstanden, welche private Strukturen von Elternvereinen, Mittagstischen oder Angebote von Firmen für ihre Mitarbeitenden ergänzen. Die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern in den Gemeinden und Kantonen stellt dabei sicher, dass diese Aufgaben der Nachfrage entsprechend und vor allem finanzierbar erbracht werden.

In den letzten Jahren hat nun, vorangetrieben durch die Politik und Einflüsse aus dem Ausland, auch in der Schweiz eine neue Haltung Einzug gehalten. Der Staat soll die Entwicklung der Familien möglichst zentral lenken und sicherstellen, dass alle überall die gleichen Voraussetzungen vorfinden, dass die Kinderbetreuung und Erziehung standardisiert wird, dass bereits für Kleinkinder ein Bildungsauftrag umgesetzt werden kann, dass schon im Vorschulalter über flächendeckende Angebote an Kindertagesstätten und Tagesstrukturen eine Integration von fremdsprachigen oder benachteiligten Kindern stattfindet. Sicherstellen soll dies in Zukunft der Bund. Finanzieren sollen es die Steuerzahler.

Der neue Verfassungsartikel zur Familienpolitik ist Ausdruck dieser Gesinnung und passierte das eidgenössische Parlament fast unbemerkt. Die SVP war die einzige geschlossene Partei, die im Parlament diese neue Verfassungsbestimmung ablehnte. Eine öffentliche Diskussion gab es bisher fast nicht.

Woher kommen die Ideen?
Die zentrale Frage lautet: Soll der Bürger weniger Macht haben und der Staat mehr bekommen? Mischt sich der Zentralstaat jetzt auch noch in die Familien ein? Wer hat zukünftig welche Kompetenzen?

Wüsste man es nicht besser, müsste man annehmen, dass diese grundlegende gesellschaftspolitische Weichenstellung, welche Auswirkungen auf unser ganzes Staatsverständnis und auf die öffentlichen Finanzen hat von linken, staatsgläubigen oder sozialistischen Kreisen herrühren müsste.

Aber weit gefehlt. Ausgerechnet die selbsternannte „Familienpartei“ CVP ist der Ursprung dieses neuen Verfassungsartikels zur Familienpolitik. Eine Partei die sich per Selbstdeklaration der bürgerlichen Mitte zurechnet. Leider muss man es in dieser Deutlichkeit sagen. Mit dieser Politik übernimmt die CVP die Verantwortung für die Zerstörung schweizerischer Werte und der Selbstbestimmung der Familien. So macht die CVP die Familien kaputt.

Die CVP wird überhaupt zunehmend zu einem Problem. Einige Beispiele:

Vollmundig versprechen CVP-Exponenten steuerliche Entlastung auch für jene Familien die ihre Kinder selber erziehen. Wenn es aber darum geht, Farbe zu bekennen, dann kneifen dieselben CVP-Politiker. So beispielsweise, wenn es um die Unterstützung unserer Familieninitiative geht.

Die Reformitis auf Volksschulebene wurde massgeblich vom ehemaligen Zürcher CVP-Bildungsdirektor Buschor, dem Vater von HarmoS angestossen. Die Schulreform sah unter anderem eine Grundstufe vor, also das Vermischen von Kindergarten und erster Klasse. Das flächendeckende Einführen eines solchen Systems hätte das Verschwinden des Kindergartens zur Folge gehabt.

Im letzten November nun, hat das Zürcher Stimmvolk die definitive Einführung des Modells Grundstufe klar abgelehnt. Dieser Entscheid ist wegweisend und hat Auswirkungen auf die gesamtschweizerische Bildungslandschaft. Er könnte sogar eine Trendwende in der Bildungspolitik einleiten.

Nach jahrelangen Schulexperimenten ist die jüngste Verkündung der Zürcher Bildungsdirektorin Aeppli geradezu bemerkenswert. Sie liess nämlich diese Woche verlauten, man werde nun Schulversuche mit dem Klassenlehrersystem durchführen. Klassenlehrer? Man wird stutzig, wenn man das hört. Hatten wir das nicht schon einmal? Wurde mit der „Reformitis“ nicht genau dieses Modell zerstört? Sie sehen, der Kreis schliesst sich.

Die Schulexperimente der letzten Jahre wurden von der politischen Mitte verordnet und von den Linken dankbar mitgetragen. Das Parlament ist nach links gerutscht, weil linke Ideen aus der Mitte kommen. Damit wird die CVP zur Mehrheitsbeschafferin für die Linke. Und darum blühen linke Ideen, der Umverteilungsstaat und die Zentralisierung. Nicht nur in der Familien- und Bildungspolitik.
Die CVP gibt sich als Partei der Randregionen, befürwortet aber das revidierte, zentralistisch ausgerichtete Raumplanungsgesetz.

Die CVP gibt sich als Partei der ländlichen Regionen. Sie propagiert eine Energiewende und verschweigt, dass die abgelegen Regionen dieses Abenteuer über massive Mehrbelastungen zu berappen haben.

Die CVP gibt sich als Partei der Bauern. Und trägt mit ihrem Abstimmungsverhalten bei der AP 2014/17 dazu bei, dass der Selbstversorgungsgrad weiter abgebaut wird.

Die CVP spricht von Verantwortung gegenüber künftigen Generationen und produziert in der IV-Revision einen Reformstau ohne die versprochenen strukturellen Anpassungen und Einsparungen. 

Die Schweiz krankt oben. Bei den politischen Entscheidungsträgern. In den Verwaltungsstuben. Dort regieren die Machtbesessenen und Pfründenjäger. Sie gehören zum regierenden Mitte-Links-Kuchen und ihre Mehrheiten bringen fast monatlich neue giftige Rezepte unters Volk.

Zum Glück ist die Schweiz unten – also in der Bevölkerung – noch in Ordnung. Bauen wir auf das Volk. Stärken wir seine Rechte und schwächen wir sie nicht. Vertrauen wir der Bevölkerung, dass es die richtigen Korrekturen vornehmen wird. Der Bürger muss jetzt sein Veto-Recht wahrnehmen und die gravierenden Fehlentwicklungen der Politik stoppen. Wir helfen dabei!

Toni Brunner
Toni Brunner
Nationalrat Ebnat-Kappel (SG)
 
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