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Sozialwerke

Verfehlte Bildungspolitik – Funktionäre verdrängen Qualität

Die in der Öffentlichkeit zunehmend kritisierte, von hektischer Reformitis umgetriebene Bildungspolitik von heute visiert bestenfalls zum Schein bessere Bildungsqualität an. Wichtiger ist ihren…

Ulrich Schlüer
Ulrich Schlüer
Nationalrat Flaach (ZH)

Die in der Öffentlichkeit zunehmend kritisierte, von hektischer Reformitis umgetriebene Bildungspolitik von heute visiert bestenfalls zum Schein bessere Bildungsqualität an. Wichtiger ist ihren Antriebskräften die Vermehrung der Funktionäre.

Untersucht man die bildungspolitischen Aktivitäten von heute systematisch, dann findet man den Roten Faden rasch: Das Volk, die Stimmbürger, aber auch die Parlamente werden entscheidend zurückgestuft, in ihren Mitspracherechten beschnitten.

Reglementierung statt Demokratie
Die Gleichschaltung und Reglementierung entsteht in den Küchen von Funktionären. Die Volksschule, früher vom Volk auf allen Staatsebenen mitgestaltet, wird heute auf Konkordats-Ebene «reformiert» – ohne Volk, ohne Kantonsparlamente, ohne Bundesparlament, nur noch von Funktionären und ihnen zumeist folgenden Regierungen bestimmt und durchgesetzt.

Über fünfzig Funktionäre, von keinem Parlament keiner politischen Ebene der Schweiz kontrolliert, haben das Monopol, die weitere Ausgestaltung der Volksschule am Volk vorbei zu planen und durchzusetzen, an sich gerissen. Von diesem Monopol geht das Ansinnen aus, die ausnahmslose Schulpflicht für Vierjährige zu dekretieren, zu erfüllen ab erster Schulstunde in einer Basisstufe mit Hochdeutschpflicht. Weil nur mit dem Schuleintritt der Vierjährigen die – vom Volk nie beschlossene – Schulpflicht-Dauer von elf Jahren umgesetzt werden kann.

Eltern, welche zur Schulreife ihrer Nachkommen auch etwas sagen wollen, werden bestenfalls angehört. Entschieden aber wird von Therapeuten. Definitiv. Wer sich nicht fügt, muss allenfalls gar mit Busse rechnen – bis zum Betrag von viertausend Franken.

Tagesstrukturen ohne Verfassungsgrundlage
Völlig eigenmächtig, ohne jede Grundlage im eidgenössischen Bildungs-Rahmenartikel dekretieren die Konkordatsfunktionäre «flächendeckend» zu schaffende «Tagesstrukturen» als neuen Sozialapparat. Montags bis freitags von 07:00 bis 18:00 Uhr sollen staatliche Funktionäre die Kinder betreuen und erziehen. Den Eltern – versuchte ein Kanton im Rahmen von HarmoS als Lockvogel zu verkaufen – bliebe damit nur noch reiner «Genuss» an ihren Kindern: Wochenende, Freizeit und Ferien – kein Frust mehr bei der Aufsicht der korrekten Erledigung von Schulaufgaben. Sun, fun and nothing to do für die Eltern, Erziehungsarbeit im Rahmen der Tagesstrukturen durch staatliche Funktionäre.

«Integrativer Unterricht» – Eldorado für Funktionäre
Sodann verordnen die Reformfunktionäre schweizweit den «integrativen» Unterricht. Also Schluss mit Sonderklassen für schwächer Begabte. Schluss mit Kleinklassen für schwierige, renitente, verhaltensauffällige Schüler. Alle sollen künftig in die Regelklasse eingeteilt werden, wo Heerscharen von Heilpädagogen dann Einzelassistenz zu leisten haben. Das erübrigt die Funktion des Klassenlehrers. «Team-Teaching» von Fachlehrern und Heilpädagogen sollen ihn ersetzen. Wobei zu förderndes Job-Sharing die Unterrichtsgestaltung weiter kompliziert, also nach noch mehr Absprache- und Koordinationssitzungen, Protokollen und Reglementen ruft. Bürokratisch reglementierte Kollektivverantwortung eines Teams ersetzt die persönliche Verantwortung des Klassenlehrers – womit, wenn’s einmal ernsthaft schiefgeht, niemand mehr eine konkrete, persönliche Verantwortung wahrnehmen muss.

Die Einweisung schwächerer Schüler in Sonderklassen, wo sie ihren Begabungen gemäss speziell gefördert werden, sei «diskriminierend» und «ausgrenzend», argumentieren die Funktionäre. Welch unsinniges, an den Haaren herbeigezogenes Schein-Argument: Als wäre ein Schüler, der ständig, vor der gesamten Klasse Sonderassistenz durch eine Zusatz-Heilpädagogin über sich ergehen lassen muss, seinen Kameraden gegenüber nicht viel stärker, spottanfälliger aus- und blossgestellt als jener schwächere Schüler, auf den in der Sonderklasse seinen Fähigkeiten gemäss besonders eingegangen werden kann.

Integrativer Unterricht verlangt nach Heilpädagogen, Kontroll- und Reglementierfunktionären. Indem sie solche Stellen zuhauf schafft und begünstigt, glaubt die Linke ihre Klientel beim Staat komfortabel unterbringen zu können – jene jungen Menschen, die von der gleichen Linken dazu verführt worden sind, Studienrichtungen an den Hochschulen zu belegen, für die in der produktiven Wirtschaft schlicht kein Bedürfnis besteht.

Volksschule braucht Klassenlehrer
«Moderne Schule» heisst für die Funktionäre entpersönlichte Schule. Verdrängt wird, dass ein junger Mensch für seine Entwicklung der umsichtigen Führung eines erwachsenen Menschen bedarf. Ohne Führung durch Menschen kann ein junger Mensch nicht zum selbstverantwortlichen Menschen heranwachsen. Der junge Mensch benötigt den Klassenlehrer, der die gesamte Verantwortung für eine Klasse und für jeden Schüler dieser Klasse trägt und wahrnimmt. In der Begegnung mit solchen Persönlichkeiten entwickelt sich beim Schüler Lernbereitschaft. An ihr entwickelt sich die persönliche Orientierung des Schülers – auf dass er das eigene Leben schliesslich verantwortungsvoll selber gestalten kann. Dabei reift dann auch die Erkenntnis, dass ohne persönliche Leistung kein Resultat erzielt werden kann.

Das Fanal von München
Mit sichtlichem Erschrecken hat die Öffentlichkeit die Vorfälle von München wahrgenommen, wo Schweizer Schüler, unbeaufsichtigt, bekifft und alkoholisiert auf Klassenfahrt, zufällig angetroffene Passanten, darunter einen Behinderten, spitalreif schlugen. Eine sichtlich fassungslose Zürcher Bildungsdirektorin rang sich als Reaktion zum Satz durch, man müsse künftig dem Klassenlehrer vielleicht mehr Gewicht geben. Dabei ist genau diese Bildungsdirektorin die Hauptverantwortliche für die Abschaffung der Klassenlehrer-Ausbildung in sämtlichen Pädagogischen Hochschulen der Schweiz.

Ob ihrer richtigen Erkenntnis auch die überfällige Umkehr folgt? Sie folgt, stellen wir hier fest, nur dann, wenn die SVP sie durchsetzt. Das ist unsere Aufgabe!

Forschungs- und Hochschulpolitik
Gleiche Tendenz – Funktionäre statt Qualität – führt auch die Schweizer Forschungspolitik in die Sackgasse. Ideologisch motivierte Mittelzuweisung – führen Sie sich nur einmal die Liste der vom Schweizerischen Nationalfonds veranlassten Forschungsaufträge zu Gemüte – verursacht die Fehlentwicklung. Statt ideologisch motivierter Lenkung der Forschungsmittel ist der Industrie mehr Freiheit, auch mehr finanzieller Spielraum für die Weiterführung und Intensivierung ihrer marktorientierten, auf Bedürfnisse ausgerichteten Forschung zu sichern.

Und auch die Hochschulen haben zurückzufinden zu mehr Eigenständigkeit, zu aus der eigenen Erfahrung gewachsenen Bildungszielen. Die öde, von Zählbürokraten erfundene Bolognapunkte-Bolzerei muss zumindest in der Schweiz gestoppt werden. Als die Schweiz eigene Bildungsideale verfolgte, wurden ihre Bildungspolitik und die damit erreichten Erfolge weltweit anerkannt. Jetzt glaubt sie im EU-Schlepptau Bologna-Zählakrobatik mitvollziehen zu müssen – und verliert dabei Eigenständigkeit und Anziehungskraft. Weil die ganze EU nur noch Bolognapunkte anbetet, muss die Schweiz wahrhaftig nicht der Bologna-Zählerei verfallen.

Resignieren?
Trotz allem, meine Damen und Herren: Es ist nicht die Zeit gekommen zu resignieren, Kopf und Arme hängen zu lassen. Im Gegenteil: Allenthalben erkennen wir, dass das Volk die Fehlentwicklungen im Bildungswesen durchschaut. Bildungsdirektoren, die sich in unverblümter Arroganz als Vorkämpfer der Reglementiererei zu profilieren versuchten, sind mit vernichtenden Wahlergebnissen aus ihrem Amte gejagt worden. Und – hier ist ein uneingeschränktes Kompliment an die Adresse der Aargauer Bevölkerung anzubringen – mit eindrücklicher Deutlichkeit sind die realitätsfeindlichen Bildungskonstrukte dieser Bildungsideologen an der Urne in Makulatur verwandelt worden.

Die Bevölkerung wartet auf eine politische Kraft, welche die Wende herbeiführt. Unsere Aufgabe, die Aufgabe der SVP ist klar: Die Volksschule gedeiht nur mit dem Volk, nicht gegen das Volk. Jegliche Einschränkung der Mitsprache der Bevölkerung in Schul- und Bildungsangelegenheiten ist zurückzuweisen. Allein auf diesem Weg kann die Verirrung in die Labyrinthe der Reglementiererei gestoppt und verhindert werden. Darum tritt die SVP gegen HarmoS an. Darum ist das angestrebte Sonderschulkonkordat zur Einführung des integrativen Unterrichts zurückzuweisen. Darum sind die Tagesstrukturen zur Verstaatlichung der Erziehung unserer Kinder abzulehnen. Darum hat die SVP die eigenmächtige, von keinem Volksentscheid gerechtfertigte Abschaffung der Kindergärtnerinnen-Ausbildung und Klassenlehrer-Ausbildung rückgängig zu machen.

Ein von Persönlichkeiten, nicht von Funktionären geprägtes Bildungswesen hat der Schweiz einst weltweit Anerkennung und Respekt eingetragen. Befreien wir das schweizerische Bildungswesen aus den Klauen der Bürokraten und Funktionäre. Es ist – zugunsten der heranwachsenden Jugend und ihrer Eltern – die Aufgabe der SVP, diesen Auftrag anzupacken und zu einem guten Ende zu führen.

Ulrich Schlüer
Ulrich Schlüer
Nationalrat Flaach (ZH)
 
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