Wie die Volksinitiative «gegen Masseneinwanderung» umgesetzt werden muss

Seit dem 9. Februar 2014 steht in Art. 121a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, dass die Schweiz die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig steuert.

Adrian Amstutz
Adrian Amstutz
Nationalrat Sigriswil (BE)

Der Volksauftrag ist klar

Seit dem 9. Februar 2014 steht in Art. 121a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, dass die Schweiz die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig steuert. Die Zuwanderung wird durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt, die auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz unter Berücksichtigung eines Vorranges für Schweizerinnen und Schweizer auszurichten sind. Alle ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligungen sind in diese Kontingente einzubeziehen. Der Anspruch auf Familiennachzug und Sozialleistungen kann beschränkt werden. Völkerrechtliche Verträge, die dem neuen Verfassungsartikel widersprechen, sind innerhalb von drei Jahren neu zu verhandeln und anzupassen.

Der Auftrag des Souveräns ist somit klar. Bundesrat und Parlament haben diesen nun umzusetzen. Selbstverständlich muss das Ergebnis der innenpolitischen Umsetzung – also die neue Gesetzgebung – dann auch als Grundlage für Neuverhandlungen des Freizügigkeitsabkommens mit der EU genommen werden. Aber diese bilateralen Verhandlungen sind nicht der Anfang der Umsetzung, sondern deren Abschluss. Zuerst muss die Schweizer Politik den Verfassungsartikel gesetzlich konkretisieren und erst dann kann dies als Basis für Verhandlungen genommen werden.

Der Bundesrat und die Mitte-Links-Parteien möchten jedoch lieber den umgekehrten Weg gehen. Indem die EU der Schweiz für Neuverhandlungen die kalte Schulter zeigt, will man die Umsetzung boykottieren und zur Tagesordnung übergehen. In der Schweiz kann man dann beteuern, man habe alles versucht, um den Verfassungsauftrag wahrzunehmen, aber leider sei dies nicht möglich gewesen. Um aus diesem Dilemma wieder herauszukommen, soll dann nochmals abgestimmt werden – was viele Gegner des Volksentscheids schon kurz nach der Abstimmung offen gefordert hatten. Als die SVP diese durchsichtige Strategie bereits vor drei Monaten aufdeckte, wurde sie von den politischen Gegnern verhöhnt. Nun hat sich alles genau so bestätigt.

Die SVP hat eine wirkungsvolle, unbürokratische Umsetzung präsentiert

Bei diesen unappetitlichen Spielchen macht die SVP nicht mit. Wir haben dem Bundesrat und der Öffentlichkeit schon wenige Wochen nach der Abstimmung einen pragmatischen Vorschlag  zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels vorgelegt. Mit der Kombination aus Kontingenten, Inländervorrang und verschiedenen Begleitmassnahmen kann die Zuwanderung mit unserem Vorschlag schnell und unbürokratisch gesenkt werden. Wie angekündigt, haben wir uns vor allem an die bewährten Teile der Zulassungsregelungen, welche zwischen 1970 und 2002 galten, und auch noch heute für Drittstaatsangehörige angewandt werden, angelehnt. Im Bereich des Familiennachzugs und der Sozialleistungen haben wir verschiedene Gesetzesänderungen vorgeschlagen, die für die Wirkung im Ziel – die Steuerung und vor allem Begrenzung der Zuwanderung – essentiell sind. Nur wenn der Familiennachzug und die Sozialleistungen eingeschränkt werden, können Missbräuche verhindert und die Attraktivität der Schweiz für Personen, die nicht zur Arbeit einwandern wollen, gesenkt werden.

Doch der Bundesrat hat den fundierten, unbürokratischen und zielgerichteten Vorschlag der SVP nicht aufgenommen. In der Arbeitsgruppe zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels waren alle Akteure – Sozialpartner, Politik und Verwaltung – involviert. Nur die Initianten, welche als einzige politische Kraft den neuen Artikel konsequent umsetzen wollen, waren bei der Umsetzung unerwünscht. Denn anstatt eine konstruktive, unbürokratische Lösung zu suchen, wollte man lieber ungestört Pläne zur Umgehung der Umsetzung schmieden. Die wichtigen Begleitmassnahmen betreffend Familiennachzug und Sozialleistungen, die zu einer natürlichen Senkung der Zuwanderung führen würden und Teil des Verfassungsartikels sind, wurden vom Bundesrat nicht aufgenommen.

Und während er im Hochgeschwindigkeitsflugzeug nach Brüssel eilte, um sich für den Volksentscheid zu rechtfertigen, hat er für die innenpolitische Umsetzung den Bummelzug aufgegleist. Statt dem Auftrag des Volkes nachzukommen, wurde der Erhalt der Personenfreizügigkeit als primäres Ziel definiert.

Die heutige Personenfreizügigkeit ist zu Ende

Die politische Elite und die Wirtschaft wollen nicht wahrhaben, dass die heutigen Bestimmungen des Abkommens zur Personenfreizügigkeit von Volk und Ständen abgelehnt worden sind. Sollte die EU – trotz klarer Revisionsmöglichkeit im bestehenden Abkommen – nicht gewillt sein, Verhandlungen zu dessen Anpassung zu führen, so hat die Schweiz genau zwei Möglichkeiten:

  1. Sie kann vertragsbrüchig werden, wie dies wohl die meisten EU-Staaten an dieser Stelle tun würden. Italien zeigt dies ja zurzeit exemplarisch im Zusammenhang mit dem Dublin-Abkommen.
  2. Oder sie kann das Freizügigkeitsabkommen kündigen. Die Weiterführung der anderen bilateralen Abkommen ist von der Schweiz ja nicht in Frage gestellt. Wenn von der EU gewünscht, wäre darüber zu verhandeln, soweit man diese als essentiell für die Schweiz erachtet – was ich jedoch in Zweifel ziehe. Nie und nimmer wiegen sie auf jeden Fall die negativen Konsequenzen einer jährlichen Zuwanderung in der Grössenordnung der Stadt Luzern auf.

Da die Schweiz kein Vertragsbrecherstaat à la Italien ist und sowohl die Rechtssicherheit als auch die Vertragstreue für ein kleines Land wie die Schweiz von grosser Wichtigkeit sind, kommt eigentlich nur die zweite Möglichkeit in Frage. Das heisst, wenn sich die EU weigert, über die Personenfreizügigkeit zu verhandeln und der Bundesrat wichtige Trümpfe wie die Verhandlungen über die Unternehmensbesteuerung, bei welchen die EU als Bittstellerin dasteht, leichtfertig aus der Hand gibt – also ebenfalls nicht ernsthaft verhandelt -, dann muss er das Freizügigkeitsabkommen kündigen.

Sollte der Bundesrat dies nicht von sich aus tun, so wird die SVP in letzter Konsequenz ihn zur Umsetzung von Art. 121a der Bundesverfassung mittels einer Volksinitiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit zwingen.

Das Volksverdikt ist umzusetzen

Bald wird sich zeigen, ob die Versprechungen der Mitteparteien, man wolle die neue Verfassungsbestimmung gemäss Volkwillen umsetzen, auch eingelöst werden. Wir werden diese beim Wort nehmen – bei den Verhandlungen im Parlament und bei den Verhandlungen mit der EU.

Ein „Geht-Nicht“ gibt’s nicht. Die Schweiz ist ein souveräner Staat mit dem Staatssystem der direkten Demokratie. Wenn Volk und Stände in der Verfassung festschreiben, dass unser Land die Zuwanderung wieder selbstständig steuern soll, dann haben sich  Bundesrat und Parlament in der Schweiz an dieses Volksverdikt zu halten. Die Regierungen  im Ausland haben dies zu respektieren. Wenn dies einem internationalen Abkommen widerspricht, das nicht geändert werde kann, so ist dieses zu kündigen. Genau das ist der Auftrag von Volk und Ständen.

Adrian Amstutz
Adrian Amstutz
Nationalrat Sigriswil (BE)
 
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