Editorial

Warum will die Forschungslobby das Kroatienprotokoll?

In den nächsten Monaten wird in der Schweiz das sogenannte Kroatienprotokoll debattiert. Die Personenfreizügigkeit zwischen der EU und der Schweiz soll auf das neue EU-Mitglied Kroatien ausgedehnt werden. Seitdem in unserer Verfassung steht, dass die Schweiz die Zuwanderung eigenständig steuert, kann dieses Protokoll nicht unterzeichnet werden, weil es gegen die Verfassung verstösst, wie der Bundesrat bis anhin selber argumentiert hat. Was hat das nun aber mit Forschungspolitik zu tun? Die EU hat nach Annahme der Volksinitiative gegen Masseneinwanderung 2014 die Schweiz mit der Suspendierung der Forschungszusammenarbeit unter Druck gesetzt. Und die Forschungslobby spielt dieses Spiel willfährig mit, locken doch Steuergelder in Milliardenhöhe.

Felix Müri
Felix Müri
Nationalrat Emmenbrücke (LU)

In einer Hauruckübung will der Bundesrat inzwischen das Kroatienprotokoll durchs Parlament schleusen. Nach Annahme der Volksinitiative gegen Masseneinwanderung 2014 hatte er noch argumentiert, dass eine solche Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien gegen die Verfassung verstosse und daher nicht möglich sei.

EU machte Druck mit der Forschungszusammenarbeit
Im Verhandlungspoker mit der Schweiz hatte die EU gleich nach Annahme der Initiative geschickt, aber willkürlich die Fortführung der Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 mit der generellen Weiterführung der Personenfreizügigkeit verknüpft. Die Drohkulisse wirkte. Dabei bestand formell gar kein Zusammenhang zwischen diesen Dossiers, weshalb auch andere Länder ohne Personenfreizügigkeit mit der EU an diesem Programm voll teilnehmen können. Die Schweizer Forschungslobby warnte in alarmistischer Weise vor dem Untergang des Forschungsplatzes Schweiz, wenn wir von den EU-Programmen abgeschnitten würden. Nebenbei gilt es zu sagen, dass die Schweizer Forschung weltweit bestens vernetzt ist, aus eigener Leistung ein hohes Niveau hat und an etlichen internationalen und europäischen Programmen ausserhalb von Horizon 2020 beteiligt ist und auch weiterhin beteiligt sein wird.

Es geht um Steuergelder in Milliardenhöhe
Niemand weigert sich für seinen Politikbereich, für seine Branche und seine Gruppe mehr Geld vom Staat entgegenzunehmen, wenn er das Angebot erhält. Daher ist verständlich, dass die Forschungslobby unbedingt beim EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 mitmachen will. Es locken sehr viele Staatsgelder, die von der Schweiz aus via EU-Bürokratie zurück in die Schweiz fliessen. Zweierlei ist hierbei aber sehr problematisch: Mehr Forschungsgelder führen nicht automatisch zu besserer Forschung. Ausserdem ist es sehr bedenklich, dass sich unsere Forschungslobby für politisch-ideelle Ziele, wie etwa eine verfassungswidrige Ausdehnung der Personenfreizügigkeit, missbrauchen lässt. Wenn die EU infolge eines legitimen Volksentscheides in der Schweiz in einem anderen Politikbereich Druck auf die Schweiz ausübt, ist es für mich unverständlich, wenn die partikular von diesem Druckversuch betroffenen Bereiche und Personen nicht helfen, gegen diesen Druckversuch anzutreten. Anstatt pragmatisch und innovativ für neue und kreative Lösungen offen zu sein, will man an den Subventionen via Brüssel festhalten und versteckt sich hinter leeren Worthülsen, wie «internationale Forschungszusammenarbeit» und «Innovationsplatz». Ehrlicher wäre es zuzugeben, dass man einfach mehr Steuergelder haben möchte zur Verwirklichung eigener Projekte. 

Welche Forschung?
Übrigens, wenn man die Forschungsausgaben in der Schweiz ansieht, bemerkt man, dass vor allem die Wirtschaft viel Geld in Forschung und Entwicklung steckt. Dies ist auch richtig. Denn nur so kann effizient garantiert werden, dass die eingebrachten Forschungsgelder auch einen Nutzen für die Gesellschaft und die Wirtschaft bringen. Umgekehrt sieht man insbesondere bei den EU-Forschungsprogrammen, dass die Forschung einseitig und politisch motiviert in gewisse Richtungen gelenkt wird. So sollen mindestens 60 Prozent der Gesamtmittel von Horizon 2020 einen Bezug zum politischen Schlag- und Modewort «nachhaltige Entwicklung» haben, wobei 35 Prozent für den Klimaschutz eingesetzt werden sollen. Unter den Titeln «erneuerbare Energie», «Klimaschutz», «nachhaltige Nutzung von Ressourcen», «nachhaltige Land- und Forstwirtschaft», «Öko-Innovationen», «umweltfreundlicher Verkehr» oder «nachhaltige Gesundheits- und Sozialsysteme» sollen die Milliarden eingesetzt werden. Selbstverständlich soll damit gleichzeitig die systematische Umsetzung der Chancengleichheit durchgesetzt werden. Das ist nicht das, was ich unter freier und unabhängiger Forschung verstehe.

 

Felix Müri
Felix Müri
Nationalrat Emmenbrücke (LU)
 
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