Referat

Begrenzung der Zuwanderung zum Schutz des Kulturlands und der Ernährungssicherung

Seit der Einführung des freien Personenverkehrs zwischen der Schweiz und der EU sind netto über 700‘000 Personen eingewandert. Das entspricht der Einwohnerzahl des Kantons Waadt. Wenn sich wie aktuell jedes Jahr 40’000 bis 50‘000 neue Einwohnerinnen und Einwohner in unserem Land niederlassen, bedeutet dies, dass jährlich eine neue Infrastruktur in der Grösse der Stadt Thun nötig wird.

Albert Rösti
Albert Rösti
Nationalrat Uetendorf (BE)

Gehen Sie einmal auf den Hartlisberg, fünf Minuten von Steffisburg entfernt. Dort können Sie nicht nur bei einem hervorragenden Koch sehr gut essen, sondern auch auf die Stadt Thun herunterschauen und sich dann in Ruhe, ohne Anti-SVP-Reflex, überlegen, was die jährlich 50‘000 Zuwanderer für unser Land bedeuten. Für uns ist es klar: Diese Zuwanderung bedeutet einen immensen Verbrauch an Flächen für Infrastruktur und Wohnen, was auf Kosten meist wertvollen Kulturlands geschieht, zumal sich die Zuwanderer ja nicht in entlegenen Bergtälern niederlassen.

Angesichts dieser Entwicklung verstehe ich die Sorge der jungen Grünen, die mit der Zersiedelungsinitiative die Überbauung unserer Landschaft stoppen wollen. Ein radikaler Baustopp, wie in die Initiative fordert, ist allerdings ein ungeeignetes Mittel. Schliesslich können wir die Zuwanderer nicht unter der Brücke schlafen lassen. Natürlich kann und muss nach innen verdichtet und in die Höhe gebaut werden. Damit dies möglich ist, müssten allerdings noch einige Ortsbildplaner und Denkmalschützer über die Bücher.

Aber selbst wenn sich eine gewisse Verdichtung realisieren liesse – mehr Einwohner führen zu mehr Verkehr und damit zwangsläufig zu einem Ausbau der Infrastruktur (Eisenbahn, Strassen, Stromnetze, Einkaufszentren, Spitäler, Pflegeheime), was niemals in den bestehenden Bauzonen Platz finden wird. Nicht zu reden von der Ungerechtigkeit, zu der die Zersiedelungsinitiative führen würde, weil sie jene Kantone bevorteilt, die in der Vergangenheit nicht haushälterisch mit dem Boden umgangen sind, oder die Bauzonen auf Vorrat ausgeschieden haben. Ganz quer in der Landschaft ist auch, wenn die Initiative fordert, die bodenunabhängige Landwirtschaftsproduktion dürfte nur noch in der Bauzone erfolgen. Unüberwindbare Konflikte aufgrund Geruchs-, Lärm- und Verkehrsimmissionen wären vorprogrammiert.

Der Vorstand der SVP lehnt die Zersiedelungsinitiative deshalb klar ab.
Natürlich unterstützt die SVP das Anliegen zum Erhalt des fruchtbaren Kulturlands und damit auch der Ernährungssicherung. Gegen den immensen Bauboom kann jedoch nur die Bremsung der Zuwanderung wirklich etwas ausrichten. Deshalb haben wir die Begrenzungsinitiative eingereicht. Alles andere ist Augenwischerei.

Das gilt auch für die Botschaft des Bundesrates zur zweiten Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes. Das ist Sozialismus pur unter absoluter Missachtung des Eigentumsrechts. Die Revision sieht vor, dass Baubewilligungen für landwirtschaftlich zonenkonforme Ökonomiegebäude nur noch auf Zeit ausgerichtet werden. Das entsprechende Gebäude wird dann mit einem Pfandrecht belastet und bei Aufgabe der landwirtschaftlichen Produktion muss es abgerissen werden. Auf ein Pfandrecht kann nur verzichten, wer in Fläche und Volumen dem Neubau gleichwertige Gebäude abreisst. Es ist selbstredend, dass dies in den meisten Fällen nicht möglich ist, da neue Gebäude aufgrund der Tierschutzvorschriften aber auch der Arbeitsproduktivität viel mehr Fläche benötigen als bestehende alte Ställe, die zumeist noch an den Wohnteil angrenzen. Diese Idee ist ein Papiertiger sondergleichen, sie kommt einer Teilenteignung gleich. Die Frage stellt sich zudem, welche Bank dann für solche Ökonomiegebäude, die schon von vorherein pfandrechtsbelastet sind, Geld zur Verfügung stellt.

Lassen Sie es sich einmal auf der Zunge zergehen: Der gleiche Bundesrat, der die Begrenzungsinitiative der SVP ohne Gegenvorschlag ablehnt – und damit den Freipass für jährliche Überbauungen mindestens im Umfang der Stadt Thun erteilt –, will die Bauernfamilien zwingen, ihre Bauten nur noch auf Zeit zu erstellen, womit er die Landwirtschaft auch gleich als Verursacher der Zersiedlung abstempelt.

Dass auch Wohnbauten auf Zeit erstellt werden sollen, ist unglaublich. Ich zitiere aus der Botschaft des Bundesrats Seite 36: «Als leicht entfernbare Wohnbauten gelten jedenfalls die dem Wohnen dienenden Bauten, die als Ganzes
oder in Modulen auf das Baugrundstück gebracht, dort aufgebaut und angeschlossen werden und nach dem Wegfall des Bedarfs so abgebaut werden können, dass die Bausubstanz an anderer Stelle wiederaufgebaut werden kann.“ Baucontainer eigenen sich dazu am besten, ob sie allerdings die Ortsbild-, Denkmalschutz-, Gewässerschutz- und allgemeinen Bauvorschriften erfüllen sei dahingestellt.

Demgegenüber fehlen aber in der Botschaft die für die Einhaltung der Zersiedlung viel wichtigeren Massnahmen zur Ausnutzung der nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Bauten. An Stelle des Vorschlags, hier im komplizierten Richtplanverfahren den Kantonen gewisse Türen zu öffnen, muss der Bund in der Revision festlegen, dass nicht mehr genutzte Bauten vollständig für andere Zwecke, für die Wohnnutzung und landwirtschaftsnahe Gewerbe, verwendet werden können. Damit wäre ein echter Dienst gegen die Zersiedlung geleistet. Dies wäre gleichzeitig ein Beitrag an die dezentrale Besiedlung und würde die Pendelströme reduzieren.

Die SVP wird in der Kommission Nichteintreten verlangen. Wenn dies nicht durchkommt, wird sie die Rückweisung der Botschaft mit Auftrag zur Überarbeitung in skizziertem Sinne fordern.

Leider zielt auch die Vernehmlassung zur Agrarpolitik ab 2022 vollständig vorbei an den aktuellen Bedürfnissen nach Stärkung der Produktion zur Ernährungssicherung, keinen neuen Anforderungen an die Bauernfamilien und nach weniger Bürokratie.

Die AP 22+ würde das Gegenteil bringen:

  • eine Direktzahlungsreform die Betriebe, die wenig produzieren, bevorteilt und einmal mehr grösste Rechtsunsicherheit bewirkt;
  • eine Reform der noch wenigen bestehenden Preisstützungsmassnahmen, insbesondere bei der Milch, die allesamt zu tieferen Produzentenpreisen führen;
  • mehrere Forderungen an zusätzlichen Ökoleistungen verbunden mit bürokratischem Planungsaufwand;
  • eine Öffnung der Büchse der Pandora beim Bodenrecht, indem inskünftig auch juristische Personen, Landwirtschaftsland oder Landwirtschaftsbetriebe kaufen können.

Die Vernehmlassung zur Agrarpolitik ab 2022 ist für uns unbrauchbar. Wir werden sie in aller Form zurückweisen. In der Vernehmlassung ist kein Mehrwert für die Landwirtschaft erkennbar.  

Albert Rösti
Albert Rösti
Nationalrat Uetendorf (BE)
 
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