Damit auch in Zukunft geprüft wird, ob jemand integriert ist

Drei Hauptgründe veranlassen die SVP dazu, die Verfassungsänderung der erleichterten Einbürgerung zu bekämpfen, und zwar die folgenden:

  • Umkehr der Beweislast bei der Integration
  • Andere Definition der dritten Generation
  • Zentralismus und Anonymität
Barbara Steinemann
Barbara Steinemann
Nationalrätin Watt-Regensdorf (ZH)

In Zukunft sollen einfach alle als integriert gelten

Ganz romantisch und idyllisch liest man im Abstimmungsbüchlein: „Junge Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation fühlen sich als Teil der Schweiz. Sie denken und handeln wie Schweizerinnen und Schweizer. Mit dem Schweizer Bürgerrecht werden sie zu vollwertigen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern mit allen Rechten und Pflichten. So wird ihnen rechtlich der Platz zugesprochen, den sie in unserer Gesellschaft schon lange haben.“ Wie verallgemeinernd diese Vorlage junge Ausländer betrachtet, zeigt sich im Umstand, dass der Einbürgerungskandidat künftig seine Integration nicht mehr darzulegen hat. Im Sinne dieser Beweislastumkehr würde pauschal davon ausgegangen, dass alle, die unter die weite Definition der sog. „dritten Generation“ fallen, integriert seien.

Dieser Paradigmenwechsel mit der Integrationsvermutung bildet das Kernstück dieser Verfassungsänderung, allenfalls mit fatalen Folgen: Gefährder, Salafisten und Handschlagverweigerer könnten vom Schreibtisch in Bern aus unbesehen erleichtert eingebürgert werden. Abgesehen davon könnten sich auch Eltern mit radikaler Gesinnung, mit schweren Vorstrafen oder chronischer Sozialhilfeabhängigkeit durch die Einbürgerung ihrer minderjährigen Kinder ein Bleiberecht sichern. Die freundliche Beschreibung der bundesrätlichen Ausführungen trifft zum Glück auf die meisten Ausländer zu, denen bekanntlich das ordentliche Verfahren ohne weiteres offenstehen würde, aber eben nicht auf alle.

Irreführender Begriff „dritte Generation“

Der Begriff „dritte Generation“ suggeriert für die Allgemeinheit, dass die Grosseltern hier gelebt haben, die Eltern hier geboren wurden und genauso wie die Betroffenen selbst das ganze Leben in der Schweiz verbracht haben. Der neue Gesetzespassus[1] sieht das anders: Danach muss ein Grosselternteil in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht besessen haben. Es kann sich dabei auch um eine vorläufige Aufnahme aus dem Asylbereich handeln. Nicht erforderlich ist, dass der Vater oder die Mutter oder gar beide Eltern hier geboren worden sind. Die Flyer der Sozialdemokraten wie auch jener der Gewerkschaften[2] sind also diesbezüglich falsch. Voraussetzung ist bloss, dass ein Elternteil im Minimum zehn Jahre seines Lebens in der Schweiz verbracht und davon fünf Jahre die obligatorische Schule besucht hat. Dieser Elternteil kann auch im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz gekommen sein.

Erst der Einbürgerungskandidat selbst muss hier geboren worden sein, er muss im Besitze einer Niederlassungsbewilligung sein und lediglich fünf Jahre die obligatorische Schule (inkl. Kindergarten) besucht haben. In den Genuss der Schnelleinbürgerung soll folglich ein junger Ausländer zwischen seinem 10. und dem 25. Altersjahr kommen.

Zentralismus mit grossem Gefahrenpotential

Dass sich Sozialhilfebezug und Einträge im Straf- und Betreibungsregister auch für Bundesbehörden relativ einfach aus den Akten ergeben, liegt auf der Hand. Aber Sprachprobleme, Nähe zu Extremismus oder Ablehnung unserer Werte wie Geschlechter-Gleichberechtigung können die Berner Beamten unmöglich im rein schriftlichen Verfahren aus amtlichen Dokumenten beurteilen. Diese Anonymität halten wir für gefährlich. Es ist jedem Gesuchsteller zuzumuten, vor eine gewählte Gemeindebehörde zu treten und sich vorzustellen.

Besser prüfen statt fahrlässig durchwinken

Bei Annahme der Vorlage gäbe es demnach kein mündliches Verfahren mehr, kein Vorsprechen vor einer Kommission und keine Abstimmung in den Gemeindebehörden. In der dritten Generation können wir das den Einbürgerungswilligen und uns ersparen, argumentieren die Befürworter. Wir halten dem entgegen: Bei sorgfältigeren Einbürgerungen wäre uns bereits in der Vergangenheit viel erspart geblieben. Beispielsweise dieser schwere Missstand: Jeton G., Einwohner von Regensdorf, aber eingebürgert in Zürich, war chronischer Sozialfall und zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung bereits schwer vorbestraft: „Bei der Jugendanwaltschaft sei er als sogenannter Intensivtäter bekannt gewesen, der Delikte in Serie beging. Jeton G. stand deshalb mehrfach vor dem Jugendgericht. Trotz diesen Delikten erhielt er 2003 als 19-Jähriger den roten Pass“[3]. Im Februar 2015 schoss er mutmasslich einen Türsteher nieder, seither wartet er auf seinen Prozess. Er hätte nicht eingebürgert, sondern ausgeschafft werden sollen. Hätten die Behörden dieses Gesuch so genau geprüft, wie sie Steuererklärungen und Bankkonten prüfen wollen, so wären uns diese Probleme erspart geblieben.

Wie bereits die heutige erleichterte Einbürgerung schwere Fehler nach sich ziehen kann, zeigen ein paar weitere Beispiele aus Regensdorf: Eine geschiedene Schweizerin mittelamerikanischen Ursprungs und Heimatort Zürich zog neu nach Regensdorf und stellte ein Gesuch um Sozialhilfe. Der zuständige Mitarbeiter des RAV hatte in ihrem Dossier die Anspruchsberechtigung bezüglich Leistungen der Arbeitslosenversicherung mit der Begründung verneint, ihr würden jegliche Deutschkenntnisse fehlen. Somit sei sie nicht vermittlungsfähig, was eine unabdingbare Voraussetzung für den Bezug von Taggeldern ist.

Dass in Regensdorf wie überall zwischen 75 und 80 Prozent der Sozialhilfeempfänger Migrationshintergrund haben (aber nur rund 50 Prozent der Sozialhilfeempfänger einen ausländischen Pass besitzen), ist eine ebenso unschöne Folge einer leichtfertigen Einbürgerungspraxis, wie wenn Leute von ausserhalb des europäischen Kulturkreises den Pass bloss beantragen, um bequemer den Einkaufstourismus ins grenznahe Deutschland tätigen zu können. Sodann sah sich vor kurzem auch unsere Gemeinde mit dem Einbürgerungsgesuch eines Handschlagverweigerers konfrontiert, das sie nur deshalb abschlägig zu beantworten vermochte, weil kein anonymes, schriftliches Verfahren besteht. Nicht zuletzt stört auch die Tatsache, dass sich Gerichte und andere Institutionen mit Personen konfrontiert sehen, die zwar im Besitze eines Schweizer Passes sind, indes für Behördengänge einen Dolmetscher benötigen.

Bestehende Kriterien, wie genügende Sprachkenntnisse oder Anerkennung unserer Werteordnung, möchten wir auch in Zukunft bei unter 25-jährigen anwenden und durchsetzen können und lehnen diese Vorlage daher ab.


[1] Neuer Art. 24a BüG, der mit der Änderung von Art. 38 BV in Kraft treten würde.

[2] „In der Schweiz geboren. Wie ihre Eltern“

[3] NZZ vom 16. März 2015.

Barbara Steinemann
Barbara Steinemann
Nationalrätin Watt-Regensdorf (ZH)
 
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