Referendum zur Personenfreizügigkeit: Eine Standortbestimmung

Am 1. Januar 2007 sind Rumänien und Bulgarien der EU beigetreten. Da die Schweiz mit den EU-Staaten ein Abkommen zur Personenfreizügigkeit abgeschlossen hat, stellt sich nun die Frage, ob dieses…

Yvan Perrin
Yvan Perrin
Nationalrat La Côte-aux-Fées (NE)

Am 1. Januar 2007 sind Rumänien und Bulgarien der EU beigetreten. Da die Schweiz mit den EU-Staaten ein Abkommen zur Personenfreizügigkeit abgeschlossen hat, stellt sich nun die Frage, ob dieses auch auf die beiden neuen EU-Länder ausgedehnt werden soll. Die eidgenössischen Räte hatten sich in der vergangenen Session mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Zur gleichen Zeit hatte das Parlament einen Bundesbeschluss zu bewilligen, der die Weiterführung des bestehenden Freizügigkeitsabkommens mit den anderen 25 EU-Staaten genehmigen sollte. Damit kamen diese beiden Geschäfte zufälligerweise gleichzeitig in die parlamentarische Beratung und wären danach, im Falle eines Referendums, zur Volksabstimmung gelangt – als zwei separate Vorlagen.

Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Länder mit enormem Wohlstandsunterschied bringt für die Schweiz vor allem Nachteile. Dennoch stellt sich die SVP nicht prinzipiell gegen weitere Ausdehnungen der Personenfreizügigkeit. Doch gerade weil solche Ausdehnungen unserem Land praktisch nichts nützen, ist es überaus wichtig, dass der Bundesrat bei den diesbezüglichen Verhandlungen mit der EU ausschliesslich die Interessen der Schweiz vertritt. Er muss bei solchen Forderungen der EU das Optimum für die Schweiz herausholen. Dies hat er bei den Verhandlungen über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Rumänien und Bulgarien definitiv nicht gemacht. Wie kann der Bundesrat der EU in dieser Frage so sehr entgegen kommen, während diese uns zur selben Zeit aufgrund unseres Steuersystems attackiert? Hier hätte unsere Regierung hart bleiben und die Respektierung unserer Steuersouveränität als Vorbedingung für solche Verhandlungen festsetzen müssen. Schliesslich ist die gegenseitige Anerkennung der Souveränität eine Grundvoraussetzung, um überhaupt verhandeln zu können! Die Schweiz ist auf Bilaterale Verträge angewiesen. Diese müssen jedoch immer ein Geben und Nehmen von beiden Seiten sein. Der Bundesrat muss endlich aufhören, immer jede Forderung der gebieterischen EU ehrfürchtig abzusegnen!

Daher hatten die SVP Fraktion und der Zentralvorstand im Mai beschlossen, dass man der Weiterführung der Personenfreizügigkeit mit den alten EU-Staaten zustimmt, den neuerlichen Ausweitungsschritt jedoch ablehnt.

Doch die „classe politique“, allen voran der Ständerat, wollte es anders: Entgegen den sowohl 2000 als auch 2005 gemachten Versprechungen, will sie das Schweizer Volk nicht mehr über Ausdehnungen der Personenfreizügigkeit abstimmen lassen. In einem undemokratischen Taschenspielertrick haben die eidgenössischen Räte die beiden Vorlagen zu einem Gesamtpaket verknüpft mit der Begründung, es gebe keine „Personenfreizügigkeit à la carte“. Mit dieser krassen Missachtung der demokratischen Spielregeln und dem Bruch früherer Versprechen hat sich die Schweizer „classe politique“ einmal mehr über das Volk hinweggesetzt und will damit den eigentlichen Souverän in dieser Frage entmündigen. Das Volk soll auf zwei unterschiedliche Fragen nur eine Antwort geben können. Die Zusammenlegung der Vorlagen umgeht die direkte Demokratie und führt dazu, dass einmal mehr bedingungslos auf Forderungen der EU eingegangen wird, ohne die Volksmeinung einzuholen.

Die „classe politique“ der Schweiz lässt sich einmal mehr von der EU beeinflussen. Als Frankreich und Holland in einem Referendum den Europavertrag ablehnten, haben die Regierungen sehr wohl von dieser Botschaft des Volkes Kenntnis genommen. Aber nicht um dieser Opposition der Bürger Rechnung zu tragen, sondern um das Volk zum Schweigen zu bringen. Um jedes Risiko auszuschliessen, wurde der vereinfachte Europavertrag nur über das parlamentarische Verfahren angenommen. Das Volk hatte nichts zu sagen. Das einzige Land, das noch das Glück hat, eine richtige Demokratie zu haben, nämlich Irland, schickte den Vertrag an den Absender zurück. Hat man dann endlich verstanden, dass niemand mehr dieses schwerfällige, bürokratisierte und von der Realität abgeschnittene Europa will? Nein, natürlich nicht. Weder in Brüssel noch in Bern. Um Pannen wie in Frankreich, in Holland und in Irland zu verhindern, hat das Parlament ganz einfach entschieden, den Bürgern die freie Wahl vorzuenthalten, indem es sie zwang, auf zwei Fragen eine einzige Antwort zu geben. Das Grundproblem ist heute nicht die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit, sondern die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wie weit wird die „classe politique“ noch gehen, um ihre Anschauungen durchzudrücken, ohne sich um den Willen des Volkes zu kümmern?

Auch für den Fall einer verknüpften Vorlage, sprach sich der Zentralvorstand im Mai für ein Referendum aus. Eine solch folgenschwere Frage soll jedoch die Delegiertenversammlung entscheiden, denn aufgrund des undemokratischen Vorgehens des Parlaments ist eine unverfälschte Stimmabgabe nicht mehr möglich und eine Volksabstimmung würde zur Farce!

Wer Nein stimmt, verwirft auch eine Vorlage, der er zustimmen möchte, wer Ja stimmt, heisst auch eine Vorlage gut, die er ablehnen möchte. Wird das geschnürte Päckli abgelehnt, weiss man nicht, was die Bürger wollten, wird es gutgeheissen, weiss man nicht, was sie nicht wollen. Das Ganze ist gemacht, weil man Angst hat, die Schweizer würden die Ausweitung auf Rumänien und Bulgarien ablehnen. Die Parlamentsmehrheit kapitulierte vor dem inakzeptablen Druck der EU und verhinderte damit einen souveränen und unverfälschten Volksentscheid. Aus diesen Gründen kann auch ein allfälliges Abstimmungsresultat keinesfalls schlüssig beurteilt werden. Das Parlament hat mit dieser hinterhältigen Taktik die direkte Demokratie ausgehebelt. Dieses Verhalten zeigt die Respektlosigkeit der „classe politique“ gegenüber Volksabstimmungen sehr deutlich auf.

Diese Referendumsvorlage ist einer Demokratie unwürdig. Ein Referendum würde zur Farce, weil eine Volksabstimmung keine echte Willensäusserung ermöglicht. Deshalb sollte die SVP auf die Ergreifung eines solchen „Schein-Referendums“ verzichten und sich an diesem Betrug an der direkten Demokratie nicht beteiligen.

Yvan Perrin
Yvan Perrin
Nationalrat La Côte-aux-Fées (NE)
 
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.Details ansehen Details ansehen
Ich bin einverstanden