Vernehmlassung

Änderung von Artikel 1 IRSG – Lückenschliessung bei der Zusammenarbeit mit internationalen Strafinstitutionen

Die SVP lehnt die unnötige Vorlage ab. Um auch in Zukunft im Bereich der Rechtshilfe bei Völkerrechtsverbrechen mit speziell dafür geschaffenen internationalen Einrichtungen kooperationsfähig zu sein, ist vielmehr das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit internationalen Gerichten anzupassen und dessen Befristung zu verlängern; die absehbare, weitere Entwicklung im Bereich der internationalen Zusammenarbeit ist abzuwarten.

Die damalige Botschaft zum Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG) führte aus, dass dieses Rechtshilfegesetz für die Zusammenarbeit mit Staaten geschaffen wurde, d. h. auf zwischenstaatliche Rechtshilfe beschränkt ist (vgl. Art. 1 IRSG). Der Begriff der Rechtshilfe in Strafsachen umfasst die Auslieferung, die Ermittlungen und Beweiserhebungen für ein ausländisches Verfahren, die stellvertretende Strafverfolgung und die Vollstreckung fremder Strafentscheide.

Um 1995/96 wurde über die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Rechtshilfe an das Jugoslawien- und das Ruandatribunal beraten. Die Schweiz war zum ersten Mal mit Rechtshilfeersuchen von nicht-nationalstaatlichen Akteuren konfrontiert, wobei die UNO die vorgenannten Tribunale schuf. Zugunsten der Rechtshilfe an diese internationalen Straftribunale ergab sich die Lösung in einem dringlichen Bundesbeschluss. Dieser Beschluss wurde mittlerweile in ein bis Ende 2023 befristetes Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit internationalen Gerichten überführt und sieht auf dem Verordnungsweg eine Ausdehnung auf weitere vom UNO-Sicherheitsrat geschaffene Straftribunale vor.

Die Schweiz hat zudem das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof vom 22. Juni 2001 erlassen. Dieses Verpflichtet zur Zusammenarbeit mittels einer Souveränitätsdelegation seiner Mitgliedsstaaten zur uneingeschränkten Kooperation.

Gemäss vorliegender Botschaft sind die drei vorgenannten Säulen mittlerweile ungenügend, um «mit sämtlichen internationalen Strafinstitutionen zu kooperieren». Die Botschaft verortet dabei insbesondere die zwei nachfolgendenden, veranschaulichten Rechtslücken:

  1. Die überstaatliche Strafverfolgung habe sich dahingehend intensiviert, dass sich die Schweiz vermehrt mit Rechtshilfeersuchen von «anderen Strafinstitutionen» auseinandersetzen muss: Der ständige Internationale Strafgerichtshof habe nicht in allen Staaten und Weltregionen den gleichen Rückhalt und gewisse Akteure bevorzugen aus politischen Gründen die Einsetzung «anderer» Strafinstitutionen. Die Botschaft hält dabei insbesondere fest: «Nicht immer können diese einem Staat zugeordnet werden, sodass die Zusammenarbeit mit ihnen unter dem geltenden Regime des IRSG möglich wäre. Und allzu oft weichen sie in Form, Zuständigkeit und Funktion vom Muster des Jugoslawien- und Ruandatribunals ab, sodass eine Anwendung des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit internationalen Gerichten ausgeschlossen bleibt.»

  2. Schwierigkeiten bzw. eine Lücke bestehe zudem in der Beschränkung der Deliktsart. Die Schweiz musste beispielsweise 2016 ein Rechtshilfeersuchen des Special Tribunal for Lebanon (ein ad-hoc Strafgerichtshof der UNO) ablehnen, dass den Mord am damaligen libanesischen Präsidenten Rafik Hariri untersuchte. Es fehlte an einer Rechtsgrundlage, weil das Sondertribunal ein gemeinrechtliches Delikt (Mord) verfolge und somit kein Völkerrechtsverbrechen. Das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit internationalen Gerichten konnte deshalb auf Verordnungsweg nicht ausgedehnt werden.

Mit der beabsichtigten Änderung des IRSG soll nun eine Vielzahl von – zukünftigen – Konstellationen abgedeckt werden.

Obwohl gemäss Art. 1 Abs. 4 IRSG aus diesem Gesetz kein Anspruch auf Zusammenarbeit in Strafsachen abgeleitet werden kann, wird die Schweiz als «Musterknabe» gerade im Lichte einer Würdigung des Legalitätsprinzips im Zweifelsfall wohl kaum Rechtshilfe verweigern. Schon nur aus diesem Grund ist mit der als «Lückenschliessung» bezeichneten Ausdehnung des IRSG Zurückhaltung geboten.

Ebenfalls von Bedeutung ist dabei die in einer ersten, durch das Bundesamt für Justiz erstellten Analyse festgehaltene, problembehaftete und sinngemäss nicht absehbare Zukunft der weiteren Anforderungen an die internationale Zusammenarbeit.

Die Vorlage wird denn auch ausdrücklich mit aussenpolitischen Bedürfnissen begründet.

(Teil-) internationale Tribunale usw., wie sie für den Kosovo, in Sri Lanka, im Tschad, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik geschaffen wurden, drängen sich mit Blick auf das Weltgeschehen künftig in etlichen Krisenregionen auf. Diese Entwicklung muss im Auge behalten werden, vor allem, wenn gewisse Akteure aus politischen Gründen ihre eigenen (ad hoc-) «Strafinstitutionen» einsetzen wollen.

Deshalb ist zuerst das auf den 31. Dezember 2023 befristete Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit internationalen Gerichten im Sinne der Vorlage anzupassen und die Frist zu verlängern, bis weitere Erkenntnisse über die massgebenden Entwicklungen und Folgen vorliegen. Auch mit diesem Vorgehen wird eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Deliktsarten gewährleistet und eine künftige Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Strafinstitutionen im Grundsatz ermöglicht. Somit ist eine direkte Anpassung des IRSG heute nicht notwendig.

 
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