Referat

Ernährungssouveränität sichern

Was die Schweiz im Fussball nicht geschafft hat, gelingt ihr auf einem anderem Gebiet völlig problemlos: Die Schweiz ist Weltmeisterin im Import von Nahrungsmitteln. Kein Land auf der Welt importiert

Toni Brunner
Toni Brunner
Nationalrat Ebnat-Kappel (SG)

Was die Schweiz im Fussball nicht geschafft hat, gelingt ihr auf einem anderem Gebiet völlig problemlos: Die Schweiz ist Weltmeisterin im Import von Nahrungsmitteln. Kein Land auf der Welt importiert pro Kopf der Bevölkerung mehr Lebensmittel als die Schweiz. An zweiter Stelle folgt mit grossem Abstand Japan, dann Südkorea. Auch in absoluten Zahlen liegt unser kleines Land mit 7,4 Millionen Einwohnern gemessen am Wert der importierten Nahrungsmittel weltweit bereits an 10. Stelle. Diese hohe Auslandabhängigkeit ist aus staatspolitischer Sicht bedenklich und darf durch weitere unkontrollierbare Grenzöffnungen nicht weiter verschlechtert werden.

Mit der neuen Agrarpolitik ist der Selbstversorgungsgrad unseres Landes in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Lag er im Jahre 2000 noch bei 62 %, so bewegt er sich heute noch bei 55 %. Dieser Prozess wird sich mit der AP 2011 noch beschleunigen. Mit der Umsetzung der WTO-Verhandlungen ist ohne entsprechende Gegenmassnahmen mit einem weiteren Rückgang der Selbstversorgung zu rechnen. Würde die Schweiz gar ein Freihandelsabkommen mit der EU abschliessen, müsste nahezu mit einer Halbierung des Selbstversorgungsgrades gerechnet werden. Es kann und darf kein Ziel sein, nur noch einen Drittel des eigenen Bedarfs im Inland zu produzieren.

Fakt ist: Ohne zusätzliche Nahrungsmittel aus dem Ausland wäre die Schweizer Bevölkerung heute nicht mehr zu ernähren. Täglich werden rund 45 % des Bedarfs an Nahrungsmitteln aus aller Welt importiert. Während wir in der Schweiz den eigenen Produzenten hohe Auflagen machen und diese mit scharfen Kontrollen auch durchsetzen, spielt das bei Importprodukten alles keine Rolle. Fleisch aus nicht artgerechter Haltung findet ebenso den Weg in unsere Gestelle wie andere Produkte, deren Produktionsart auch nicht im Ansatz unseren Standards entsprechen.

Mit der neuen Agrarpolitik vernachlässigt die Schweiz heute die Nahrungsmittelproduktion, weil sie zu einseitig auf Extensivierung setzt. Die offizielle Agrarpolitik verteuert zudem unsere Produktion oft unnötig und macht uns damit zum Spielball eines durch weltweite Überschüsse völlig verzerrten Weltmarktes. Der Warenaustausch auf dem Weltmarkt betrifft weniger als 10 % der Agrarproduktion und jegliche Erweiterung wird nur der kleinen Minderheit der Exportstaaten zugute kommen. Dabei ist anzumerken, dass es einen eigentlichen Weltmarkt für Agrarprodukte kaum gibt. Viel mehr ist es eine Verwertung von verbilligten oder staatlich subventionierten Überschüssen, die in der Regel nicht den effektiven Gestehungskosten entsprechen. Auf diese Art zustande gekommene Weltmarktpreise mit unseren Standards zu vergleichen ist nicht zulässig.

Selbstverständlich sollen Nahrungsmittel möglichst kostengünstig sein, damit sich die Bevölkerung gesund und gut ernähren kann. Das ist in der Schweiz heute ohne weiteres erfüllt. Gemessen an der Kaufkraft hat die Schweiz weltweit die billigsten Lebensmittel, auch hier sind wir Weltmeister. Schweizer Haushalte wenden gemäss offizieller OECD-Statistik 11 % des Einkommens für Nahrungsmittel auf. In Deutschland sind es bereits 12,2 %, in Frankreich 14,5 % und in Italien 14,7 %. Wer für die Schweiz gleiche Konsumentenpreise fordert, wie sie Billigdiscounter an der Grenze anbieten, ist nicht nur auf einem, sondern auf beiden Augen blind.

Umfragen zeigen, dass fast 90 % der Schweizer Bevölkerung der Ansicht ist, dass die inländische Ernährungssicherung wichtig, bzw. sehr wichtig ist. Dem Selbstversorgungsgrad wird auch heute noch grosse Bedeutung beigemessen. An dieser Stelle sei auch daran erinnert, dass mit einer weiteren Reduktion des Selbstversorgungsgrades auch die gentechnikfreie Nahrungsversorgung, wie sie am letzten 27. November von Volk und Ständen festgelegt wurde, zur Farce verkommt.

In Art. 104 (Landwirtschaft) der Bundesverfassung wird statuiert, dass der Bund dafür zu sorgen hat, dass die Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zur sicheren Versorgung der Bevölkerung und zur dezentralen Besiedelung des Landes leisten kann. Auch gemäss Art. 102 (Landesversorgung) hat der Bund die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen und dazu vorsorgliche Massnahmen zu treffen. Mit einer zunehmenden Öffnung der Agrarmärkte werden diese Bestimmungen zusehends unterlaufen. Es kann nicht angehen, dass der Strukturwandel ganze Täler und Berggebiete aussterben lässt und zur Aufgabe der Nutzung und Pflege der Kulturlandschaft führt. Dies würde unbestritten auch negative Folgen für die Infrastruktur, für den Tourismus und das Gewerbe im ländlichen Raum zeitigen.

Die Schweizer Landwirtschaft wird nur dann eine gewisse Grundversorgung an Nahrungsmitteln sicherstellen können, wenn sie dafür Preise erzielt, von denen sie leben kann. Schweizer Bauern können nicht zu Löhnen eines Drittweltlandes arbeiten, denn wir bezahlen alle unsere Kosten ebenfalls im Hochlohnland Schweiz. Weltmarktpreise reichen daher nicht. Kann die Landwirtschaft aber angemessene Preise für ihre Produkte erzielen, wird sie auch weiterhin ihren verfassungsmässigen Zusatzauftrag der Landschaftspflege übernehmen können.

Toni Brunner
Toni Brunner
Nationalrat Ebnat-Kappel (SG)
 
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