7’000 Polizisten für Angela Merkel

Extrablatt Extrablatt November 2012

Peter Keller, Nationalrat, Journalist, Hergiswil (NW) 

Der Euro ist gescheitert. Schengen/Dublin bringt weder mehr Sicherheit noch weniger Asylbewerber. Noch nie war die EU so zerstritten wie heute…

Der Euro ist gescheitert. Schengen/Dublin bringt weder mehr Sicherheit noch weniger Asylbewerber. Noch nie war die EU so zerstritten wie heute.

Hier kann etwas nicht stimmen: Im Oktober besuchte die deutsche Bundeskanzlerin Athen. Noch nie in der Geschichte Griechenlands mussten für einen Staatsgast solche Sicherheitsmassnahmen getroffen werden. 7’000 Polizisten waren im Einsatz. Der Weg vom Flughafen bis ins Zentrum musste komplett abgesperrt werden. In der Innenstadt gab es Demonstrationen und Randale. Angela Merkel und Deutschland wurden mit Nazi-Schmähungen eingedeckt. Drei Tage später wird der EU der Friedensnobelpreis verliehen… Selbst EU-Anhänger glaubten zuerst an einen Aprilscherz.

Man muss die Europäische Union nicht schlecht reden. Niemand hat ­etwas gegen eine wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der Abbau von Zollschranken ist zu begrüssen. Eine Frei­handelszone für Europa würden alle bürgerlichen Parteien unterstützen. Das gilt auch für eine massvolle Personenfreizügigkeit. Nur gehen die heutige Struktur und die Machtfülle der EU weit darüber hinaus, was am Anfang der europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit stand. Mit dem Vertrag von Maastricht (1993) wurden die Weichen gestellt Richtung Vereinigte Staaten von Europa. Ein Projekt, das scheitern muss. Die gefährliche Bruchlandung mit dem Euro sollte Warnung genug sein.

Wie steht es um die ­Prophezeiungen von 1992?
1992 stand die Schweiz vor ihrer bisher wichtigsten Abstimmung. Auch wenn jetzt wieder der Ruf nach einem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) laut wird: Der EWR bedeutet die Übernahme von bestehendem und künftigem EU-Recht. Mit dem EWR würde die Schweiz ihre Selbstbestimmung verlieren. Vor allem aber ist der EWR bloss als Warteraum und «Trainingslager» für einen späteren EU-Beitritt gedacht. Was die Prophezeiungen von 1992 taugen, zeigen zwei beispielhafte Zitate aus der EWR-Debatte im Nationalrat: Nationalrat Dumeni Columberg (CVP): «Vor allem aber möchte ich Sie vor Illusionen warnen, Illusionen, dass wir unseren hohen Wohlstand durch ein Abseitsstehen sichern könnten. […] Die Arbeitslosigkeit wird auch ohne EWR-Vertrag bestimmt grösser werden.»

1992 betrug die Arbeitslosigkeit in der Schweiz 3%. Heute sind es 2,8%. Ohne EWR. In der Eurozone herrscht Rekordarbeitslosigkeit: 11,4% oder 18,2 Millionen Menschen sind ohne Arbeit. Bei den Jugendlichen ist rund ein Viertel arbeitslos. Nationalrat Ernst Mühlemann (FDP): «Wer in diesem Jahr an der Weltausstellung in Sevilla oder an der Olympiade in Barcelona Spanien erlebt hat, weiss, dass dort ein neuer Elan entstanden ist, der dieses Land in kurzer Zeit in den dritten Rang der wirtschaftlichen Stärke Europas führen wird.» In Spanien beträgt heute die Arbeitslosenquote 25,1%. So hoch wie in keinem anderen Land der Eurozone. Bei den jungen Menschen (bis 25 Jahren) sind sogar 52,9% ohne Stelle. Faktisch ist das Land bankrott.

Warum steckt der Euro in der Krise?
Ob Maastricht-Vertrag, Personenfreizügigkeit, Schengen-Abkommen, Osterweiterung oder EU-Verfassung: Brüssel hat die Bürgerinnen und Bürger immer wieder von den wichtigsten Entscheidungen weitgehend ausgeschlossen.

Auch der Euro wurde von oben verordnet und 2002 definitiv eingeführt. Die Einheitswährung sollte den Einheitsstaat vorwegnehmen. Noch 1999 schreibt der Bundesrat in seinem Integrationsbericht: Für den Beitritt zur Europäischen Union spreche überdies, «dass mit der Übernahme der Einheitswährung Euro […] das Risiko von schädlichen Spekulationen auf den Schweizer Franken dahinfallen würde». Heute steht die Euro-Zone vor dem Zerfall.

Die Finanzmärkte legen nun offen, was schon im Kern falsch angelegt war. Man kann nicht so unterschiedliche Volkswirtschaften wie das Kleinstfürstentum Luxemburg, den Industriegiganten Deutschland und Larifari-Staaten wie Italien oder Griechenland unter eine Währung zwingen. Der Euro ist ein politisches Projekt – und dieses Projekt ist gescheitert.

Was hat uns Schengen/Dublin gebracht?
Vor ein paar Wochen wurde bekannt: Das Schengen-Abkommen kostet uns 14 Mal (!) mehr, als der Bundesrat versprochen hat. Im Abstimmungsbüchlein war noch von «durchschnittlich 7,4 Millionen Franken pro Jahr» die Rede. Tatsächlich wird uns Schengen/Dublin 2013 über 100 Millionen Franken kosten. Man könnte über die höheren Kosten diskutieren, wenn wenigstens der Zweck von Schengen/Dublin erfüllt würde: mehr Sicherheit für die Bürger und ein strafferes Asylwesen. Nach vier Jahren Erfahrung kann man sagen: Schengen/Dublin ist als Sicherheitsunion gescheitert, wie der Euro gescheitert ist als Währungsunion.

  • Die offenen Grenzen haben Europa und speziell die Schweiz nicht sicherer gemacht.
  • Die Bewachung der Schengen-Aus­sengrenze funktioniert nicht: Italien und Griechenland sind die grossen Einfallstore der illegalen Zu­­wan­derung.
  • Die EU zwingt uns ihre Visumspolitik auf. Die Aufhebung der Visums­pflicht für Balkanstaaten führte dazu, dass jedes Jahr Hunderte Roma einreisen, um in der Schweiz ein aussichtsloses Asylgesuch zu stellen und sich sehr oft anderweitig Geld zu beschaffen.
  • Die Rückübernahme von Asylbewerbern vor allem nach Italien funktioniert nicht. Das zeigt nur schon der Vergleich der Asylgesuchsquoten: Pro 10’000 Einwohner werden in der Schweiz 28,5 Asylgesuche gestellt (2011). In Italien sind es nur 4,6 Gesuche. Wir haben sechs Mal mehr Asylgesuche pro Kopf – obwohl die meisten Asylbewerber über Italien zu uns kommen.

Fazit: Schengen/Dublin hat uns weder mehr Sicherheit noch weniger Asylbewerber gebracht.

Peter Keller, Nationalrat, Journalist, Hergiswil (NW)

Artikel teilen
Themen
Beiträge
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Extrablatt
29.11.2012
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.Details ansehen Details ansehen
Ich bin einverstanden